Arrival Filmkritik — Feind oder nicht Feind

  

Die eine Frage, die die Menschheit seit einer gefühlten Ewigkeit beschäftigt, lautet nicht „Sind wir alleine in diesem Universum?“, sondern „Kommen die Außerirdischen in Frieden?“. In ganz Hollywood fällt es Produzenten und Drehbuchautoren schwer, ein Szenario zu entwerfen, welches nicht in Superlativen funktioniert. Entweder sind die Aliens in höchstem Maße aggressiv oder auf einer wohltätigen Mission quer durchs All. Bei solchen Denkmustern freut man sich natürlich über jede Form von Abwechslung.

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Kommunikationsprobleme

Arrival“ hat einen Ansatz, für den vielen anderen Filmen der Mut fehlte. In dieser Geschichte wird sich mit der Frage beschäftigt, wie wir mit den Besuchern aus dem All kommunizieren wollen, wenn beide Parteien auf höchst unterschiedliche Art und Weise ihren Gedanken Ausdruck verleihen? Man müsste einen gemeinsamen Nenner finden, ähnliche Denkmuster und dann von klein auf anfangen, sich gegenseitig zu unterrichten.

Komplizierter wird es zudem, wenn die Aliens nicht in lediglich einem Land einen Parkplatz gesucht haben, sondern gleich in zwölf verschiedenen Hoheitsgebieten Hausfriedensbruch begehen. Durch eine Mischung aus Angst, Gier und kindlicher Unsicherheit entsteht ein bröckeliger Zusammenschluss aus Partnern, die wie im kalten Krieg Informationen zurück halten und geringfügig austauschen, während der Fortschritt mit den Freunden von weit her in einem Wettrüsten um was auch immer mündet.

Diese brisante Lage wurde von Regisseur Denis Villeneuve detailliert auf die Leinwand gezaubert. Statt verschiedene Klischeetypen einzubauen und diese von der Geschichte tragen zu lassen, entwirft man hier facettenreiche Figuren, die nicht immer wie erwartet handeln. Natürlich bleibt der eine oder auch andere Charakter nicht aus, der direkt aus der 08/15-Schublade entkommen ist, doch im weitesten Sinne versumpft der Cast nicht im Einheitsgedöns.

Gleichzeitig ist es faszinierend zu sehen, auf welche Weise ein erster Kontakt mit einer fremden, intelligenten Spezies noch ablaufen könnte. Wir haben in den letzten Jahren so viele verschiedene Versionen dieses Szenarios gesehen, dass ich fast die Hoffnung aufgegeben habe, in diesem Bereich wirklich überrascht werden zu können. Doch es ist gelungen. Zum Ende hin etwas hektisch und weniger konzentriert, doch im Großen und Ganzen eine abermals willkommene Abwechslung zu sonstigen Ausdünstungen der Traumschmiede.

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Der Stil macht´s

Amy Adams („Catch Me If You Can“, „The Fighter“, „Her“) und Jeremy Renner („Marvel´s The Avengers“, „Mission: Impossible — Rogue Nation“, „The Town“) sind die perfekte Besetzung für diesen Titel gewesen. Auch wenn Renners Figur, Ian Domnelly, nicht den Platz im Drehbuch hatte, um wirklich viel zeigen zu können, so entsteht durch seinen ruhigen und besonnen Charakter eine gewisse Gelassenheit im Zuschauer, die angenehm durch den Film führt. Und Amy Adams als Doktor Louise Banks brilliert als überarbeitete, aber zutiefst von ihrer Arbeit begeisterte Protagonistin.

Mit ihrer Rolle kann man sich identifizieren, obwohl ihre Figur weit ab von dem ist, was als normal gelten dürfte. Zumindest in beruflicher Hinsicht. Abgesehen davon ist sie ein Mensch, mit all den Sorgen, Problemen und Belastungsgrenzen, die wir alle haben. Das bringt Adams schön rüber. Dabei behilflich ist der Erzählstil der Geschichte. Ihre Performance ist eng mit einigen wichtigen Eckpunkten des Gesamtbilds verknüpft und erst zum Ende wird klar, wie groß ich Schauspiel wirklich war.

Manche könnten den letzten Twist der Geschichte als etwas zu kitschig empfinden, doch man kann nicht verleugnen, dass diese Wendung ihre Berechtigung hat, so weit hergeholt sie auch sein mag. Die Geschichte rund um Louises Tochter ist nicht unbedingt der einfallsreichste Twist, den wir je gesehen haben, doch es fordert erneut gewissen Mut, sich so gegen die normale Vorgehensweise in Hollywood zu sträuben und neuere Wege zu gehen.

Protokoll zur Umsetzung

Natürlich darf das ganze Lob nicht am Regisseur und den Drehbuchautoren hängen bleiben. Ihre Ideen kommen schließlich nicht von irgendwo, sondern aus der Kurzgeschichte „Story Of Your Life“ von Ted Chiang. Doch was sie daraus gemacht haben, ist schon erstaunlich. „Arrival“ ist nicht gehetzt oder auf großen Bombast ausgelegt. Vielmehr handelt es sich hier um einen sehr intimen Film, der auch entsprechend in Szene gesetzt wurde.

Die Politik der Mächtigen, die Reaktion der Menschheit — all das sind nur Nebengeräusche, in einer kleinen Welt, die sich vorläufig nur um zwei, eigentlich sogar nur um eine Person dreht. Und diese sinnt höchst interessanten Gedanken hinterher: was bedeutet die Sprache für die Menschheit. Was bedeutet es eigentlich, ein intelligentes Lebewesen zu sein? Und inwiefern ändern sich die Antworten auf diese Fragen, wenn eine neue Spezies die Bühne betritt?

In Zeiten von einem zweiten „Independence Day“ und anderen Sci-Fi-Krachern ist „Arrival“ ein krasser Gegensatz. Ohne Erwartungen und unfassbar müde bin ich in eine Pressevorführung von einem Film gegangen, von dem ich beinahe überzeugt war, dass er mich in das Reich der Träume schicken würde. Und obwohl auf Action und viel Tamtam verzichtet wurde, war ich zum Abspann wieder hellwach. Kein Kunststück, wenn ein Film wirklich spannend ist, doch in den letzten Tagen äußerst selten.

Nur darf man einigen Ansätzen und Erklärungen in dieser Geschichte nicht zu viele Gedanken opfern. Wer hier viel nachfragt und überlegt, könnte in Sackgassen geraten, aus denen es keinen Ausweg gibt. Blöd nur, dass „Arrival“ genau darauf aufbaut. Man wird zum Denken angeregt und immer wieder ermutigt. Dem sollte man sich nur nicht allzu oft hingeben, das Ergebnis könnte … enttäuschend sein.

Fazit

Ein schlanker und warmer Film, der die allseits beliebte Frage nach anderem, intelligenten Leben im All, höchst originell beantwortet und ein krasses Gegenstück zu dem darstellt, was in den letzten Jahren viel zu oft als Science Fiction verstanden wurde. „Arrival“ ist clever und wartet mit einem sehr guten Cast auf, dem nur geringfügige Ausrutscher unterlaufen sind. Diese fallen neben dem brillanten Spiel von Amy Adams aber gar nicht weiter auf. Zu viele Gedanken darf man sich um die eine oder auch andere Antwort im Film zwar nicht machen, doch sind die Ansätze alles andere als dumm. Gute Unterhaltung und ein Kinogang, den man kaum bereuen wird.

Kinostart Deutschland ist am 24.11.2016.

Bewertung: 4/5****

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 23.11.2016