Before I Wake Filmkritik 

  

Wir kochen uns einen Horrorfilm-Eintopf. Man nehme: eine Protagonistin mit traumatischer Vergangenheit. Einen coolen Ehemann, der versucht, seine Beziehung zu retten. Ein großes Haus, in dem so einiges passieren kann. Und ein kleines Kind mit außergewöhnlichen Kräften. Wir köcheln das ganze langsam auf Sparflamme und würzen es je nach eigenen Geschmack mit Jumpscares, Figuren im Irrenhaus, die ein wenig von der Hintergrundgeschichte aufdecken und einer Prise eigener Ideen. Gebt am Ende ein paar gruselige Monster hinzu und: tadaa. Ihr habt euren eigenen cineastischen Grusel erschaffen.

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Die Märchenfabrik

Es ist erstaunlich, wie oft genau dieses Rezept schon verwendet wurde und in welch hoher Dichte neue Filme immer noch nach eben genannter Rezeptur auf den Markt kommen. Sie sind mal hochwertiger und kommen ins Kino. Und manchmal sind sie billig zusammen geschustert worden und landen direkt auf DVD/Blu-ray. Aber entsprechend ihres Budgets sind sie irgendwie immer ein Erfolg. Dieser Mix funktioniert einfach. Und das schon seit Jahrzehnten. Unterscheiden tun sich diese Werke nur im Detail.

Im Fall von „Before I Wake“ ist dieses Detail jedoch absolut entscheidend. Denn es hebt den Film nicht nur von seinen Brüdern und Schwestern im Geiste ab, sondern wirft auch die Frage auf, ob er überhaupt richtig beworben wird. Ich behaupte nämlich ganz dreist, dass Mike Flanagans Werk kein Horror-Thriller ist, sondern ein Horrormärchen. Und diese Aussage kommt mit den besten Absichten daher. Denn schlecht ist sein Werk per se nicht. Es ist nur recht eintönig, wenn man ähnliche Filme schon so oft gesehen hat, dass einem der Stoff zu den Ohren rausgekrabbelt kommt. Und es ist auch irgendwie enttäuschend, da aus dem Ansatz nur wenig gemacht wird.

Alles dreht sich um den Jungen Cody (Jacob Tremblay), der von einem liebevollen Pärchen adoptiert wird, die ihren eigenen Sohn verloren haben. Was sie nicht ahnen, sich der geneigte Kinogänger aber bereits im Vorfeld denken kann: Cody hat besondere Fähigkeiten. Wenn er schläft, werden seine Träume real. Und seine Alpträume werden es ebenso. Mutter Jessie (Kate Bonsworth) will das ausnutzen, um ihren Sohn noch einmal sehen und hören zu können. Vater Mark (Thomas Jane) möchte nur mit der Vergangenheit abschließen und glücklich werden. Und Cody? Der will nicht schlafen, weiß er doch um die Gefahr seiner Träume.

Probleme im Detail

„Before I Wake“ lässt sich Zeit und haut nicht ab der ersten Sekunde mit Schockern um sich. Das ist sein großer Vorteil, aber auch sein Verderben. Denn die märchenhaften Bilder und der dezente Horror funktionieren erstaunlich gut und die Geschichte hat genügend Luft zum Atmen und kann sich entfalten. Doch Leerläufe im Erzählen ziehen das Gezeigte enorm in die Länge und die Hauptfigur sorgt für Zwiespalt im Gesamteindruck.

Denn die Figur von Kate Bosworth („Still Alice“, „Homefront“, „Die Entführung von Bus 657“) ist nicht nur erschreckend unsympathisch, nein, Bosworth spielt sie zusätzlich fast schon puppenhaft. Ihre Mimik und ihre Bandbreite der Gefühlsregungen liegen lethargisch auf dem Boden und können die Gliedmaßen kaum noch bewegen. Sie schlafwandelt durch ihre Rolle und holt aus ihrer sowieso schon zweidimensionalen Figur nicht einmal das Nötigste heraus.

Nicht, dass das Niveau der anderen Charaktere am Oscarkandidaten kratzen würden. Auch hier gibt das Drehbuch alleine schon nicht genug her, um wirklich zu zeigen, was in einem steckt. Aber der einzige, dem man seine Schwächen im Detail verzeihen kann, ist Jacob Tremblay („Shut In“, „The Book Of Henry“, „Wonder“), der mit seinen gerade einmal zehn Lebensjahren nicht den schlechtesten Job abgeliefert hat. Der Rest des Casts gibt sich Mühe. Aber wir wissen ja, von wem dieser der kleine Bruder ist …

Im Ansatz gut …

Auch wenn die Spezialeffekte in diesem Horrorfilm nicht die besten sind, so hat er doch einige eigene Ideen. Der märchenhafte Aufbau. Das verzerrte Monster, das Jagd auf die Hausbewohner macht. Die ruhige und an manchen Stellen sogar angenehme Art, die Geschichte einfach treiben zu lassen. Der richtige Ansatz ist auf jeden Fall gegeben. Selbst das kitschige Ende sticht irgendwie positiv aus dem Horror-Einerlei der Konkurrenz hervor. Also was macht diesen Film zur zweiten Wahl?

Neben den erwähnten schauspielerischen Tiefstleistungen, ist es vor allem die Art, wie diese Geschichte erzählt wird, die Langeweile aufkommen lässt. Zu viele Szenen sind schlichtweg langatmig und teilweise sogar völlig unnötig. Manche Einstellungen dienten lediglich der Chance, eine Idee umzusetzen und nicht, dem Film einen Mehrwert zuzufügen. Wie so oft baut sich auch dieses Werk um manche Einfälle herum auf, statt diese in die Geschichte einzupflegen und Teil des Ganzen sein zu lassen.

Was im Ansatz also gar keinen schlechten Eindruck hinterlässt, wird zum Ende hin eine Geduldsprobe für die Pobacken. Und auch für den Verstand, denn es ist schwer, das Gesamtpaket so zu ordnen, dass zum Schluss auch wirklich alles Sinn ergibt. Dafür sind manche Einfälle zu wirr und haben mit dem Endprodukt zu wenig zu tun, um wirklich als relevant gelten zu können. Eine Idee, aus der man definitiv viel hätte rausholen können, doch allem Anschein nach, ist es eben nur das: eine Idee. Und diese wurde mit einem nur allzu bekannten Kochbuch umgesetzt ...

Fazit

Keine Frage: „Before I Wake“ ist an vielen Stellen ein mutiger Film und wenn ich mir schon die zigste Version in diesem Format ansehe, dann doch lieber eine, die auch mit eigenen Ideen aufwarten kann. Gerade der märchenhafte Ansatz und das Design der Horrorelemente gefällt — auch wenn die technische Umsetzung teilweise recht eingerostet wirkt. Ich kann sogar mit dem kitschigen Ende leben, da es sich nicht der breiten Masse anbiedert und nicht zum gleichen Schluss gelangt, wie schon tausend Filme vor ihm.

Unterm Strich wird das alles jedoch von drei Dingen zunichte gemacht. Da wäre zum einen das puppengleiche Spiel von Kate Bosworth und die passenden Abziehbildchen von Nebendarstellern. Negativpunkt zwei besteht aus der Tatsache, dass einem gute eineinhalb Stunden locker wie zwei vorkommen, da sich Geschichte und Erzählstil in die Länge ziehen, wie Kaugummi an einem heißen Tag auf der Straße. Und zu guter Letzt fehlt diesem Werk trotz allem der letzte Tropfen Mut, um sich voll auf das zu konzentrieren, was es besonders macht. Stattdessen wird die Geschichte mit sinnlosen Szenen gefüllt, die keinerlei Mehrwert bieten und sich mehr als schlecht in das Gesamtbild einfügen.

Kinostart ist am 10.November 2016.

Bewertung: 3/5***

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 18.10.2016