Ben Hur Filmkritik — Judah Ben "Anti Jesus" Hur

  

Ben Hur ist ein Roman von Lew Wallace aus dem Jahr 1880 und wurde schon zig Male verfilmt. Das Buch ist historisch nicht sonderlich korrekt, was die Umsetzung von William Wyler (1959) aber nicht daran gehindert hat, elf Oscars bei den berühmten Verleihungen abzuräumen. Wie kommt man also auf die Idee, dieses Machwerk übertreffen und dem heutigen Publikum schmackhaft machen zu wollen? Dafür bräuchte es schon eine besondere Herangehensweise, die jedoch kaum einer wirklich erwartet.

Ben-Hur-wagenrennen-szene

Ben Hur: Von Brüdern und Feinden

Zu Unrecht, wie sich nun herausgestellt hat. Denn Timur Bekmambetovs Version macht einiges anders als der berühmte Vorgänger und nur wenig wirklich falsch. Das beginnt bereits bei der Wahl der Schauspieler, wo sich Toby Kebbell als Glücksgriff erwiesen hat. Der Brite spielt den Römer Messala, der von Ben Hurs (Jack Huston) Familie adoptiert wurde und später zur Schlüsselfigur ihres Leidens wird. Er spielt seine Rolle nicht nur enorm sympathisch, sondern verleiht ihm auch einen gewissen Charakter, der in der 1959er Version gefehlt hat.

Das Drehbuch macht es ihm jedoch auch einfach, da die Rolle entsprechend ausgearbeitet wurde und mehr Licht in das Handeln des jungen Soldaten bringt. Ganz im Gegenteil zu Ben Hurs Geschichte. Nachdem er von den Römern zur Sklavenarbeit auf einer Galeere verdonnert wurde, durchlebt er eigentlich noch wichtige Punkte seiner Reise. Hier wird dieser Part ausgelassen, was dem Verständnis seiner Person nicht gut tut. Trotzdem macht Jack Huston das Beste daraus. Zwar nicht von Anfang an — in den ersten dreißig Minuten wirkt er recht blass -, doch im Laufe der Erlebnisse fängt sich der Schauspieler und glänzt beinahe bis zum Ende.

Diese Kürzungen, die auch an anderer Stelle stattgefunden haben, stehen im starken Kontrast zum generellen Aufbau des Films. Der Fokus liegt nämlich fast durchweg auf die Figuren und die Gründe ihres Handelns und nicht auf dem Bombast von Schlachten und Actioneinlagen. Dadurch fallen die ausgelassenen Handlungsstränge besonders ins Gewicht, da ein echtes Interesse an den Figuren geweckt, aber nur bedingt befriedigt wird. So kommt der Wandel vom Saulus zum Paulus viel zu abrupt und viele offene Fragen bleiben bestehen.

Die Stärke des Films liegt jedoch ganz klar auf dem Stil des Erzählens. Man nimmt sich Zeit, verfällt aber nur selten in langatmige Szenen ohne Mehrwert. Der Regisseur spielt gekonnt mit den Erwartungen der Zuschauer und gibt nach und nach die Richtung preis, in welche wir uns bewegen. Dadurch bleibt es spannend der Geschichte zu folgen und — sofern die Handlung noch nicht bekannt ist — man wartet geduldig auf die nächste Szene, die mehr vom Schleier lüftet.

Jesus, Sohn Gottes

Es gibt aber auch Ausnahmen, die zum Abspann einen bitteren Nachgeschmack auf der Zunge der Erinnerung hinterlassen. Wo man nämlich Zeit gespart hat und das Augenmerk auf andere Schwerpunkte richtete, hätte man nach dem berühmt berüchtigten Wagenrennen in der Arena der Römer Screentime anhängen müssen. Die letzten Handlungsstränge, die nun zusammenlaufen, werden äußerst minimal erzählt und stellen die Daseinsberechtigung einiger Faktoren in Frage.

Der Aufbau des ganzen Films macht das halbgare "Happy Ending" schlecht verdaulich, da sich beide nicht sonderlich gut miteinander vertragen, teilweise sogar widersprechen. Hier wäre es klüger gewesen, sich noch einmal Zeit zu nehmen und darauf zu vertrauen, dass dem Publikum bisher gefallen hat, was es zu sehen bekam oder schlichtweg gänzlich auf diese Parts zu verzichten. In puncto Familie legt Timur Bekmambetov hier eine Bruchlandung hin und zerstört zu guter Letzt viel von dem, was zuvor mühsam aufgebaut wurde.

Ein weiterer Streitpunkt könnte die Rolle des Jesus sein, die von Rodrigo Santoro zwar überzeugend und stark gespielt wird, aber recht plakativ wirkt. Wo man 1959 noch darauf verzichtet hat, das Gesicht des Erlösers zu zeigen und ihm so einen ganz eigenen Zauber auferlegte, wird hier Farbe bekannt. Jesus wird stärker als wahrhaftiger Sohn Gottes dargestellt und verliert dadurch einiges an Glaubwürdigkeit. Nicht, weil dieser Kritiker seine Existenz in Frage stellen möchte, sondern weil sich das ganze Schema mit dem sonstigen Stil beißt.

Was Bild, Ton und Kameraarbeit angeht, kann man keine schlechten Worte verlieren. Alle drei arbeiten gut zusammen und schaffen einen bildgewaltigen Monumentalfilm, der die Figuren im Mittelpunkt lässt. Beides harmoniert erstaunlich gut miteinander, eine Mischung, die bei anderen Vertretern oft ein Griff in die Tonne war. Hier jedoch nicht und abschließend kann man sagen, dass das auch der Grund ist, warum "Ben Hur" funktioniert. Selbst in der heutigen Zeit. Man muss nur ein wenig feilen und schleifen und gewisse Punkte ändern, aber dann kann auch eine solch klassische Geschichte heutige Kinogänger anlocken.

Fazit

"Ben Hur" erzählt die Geschichte des jüdischen Prinzen im Vergleich zur 1959er Version verkürzt und legt den Fokus mehr auf die Frage, warum die Figuren handeln, wie sie es nun einmal tun. Man konzentriert sich darauf, eine klassische Geschichte so zu verpacken, dass sie auch heute noch funktioniert und lässt es so aussehen, als wäre die Buchvorlage hervorragend gealtert. Gerade die Tatsache, dass dieser Film äußerst bildgewaltig ist, damit aber nie in den Vordergrund rückt, macht viel von seinem Charme aus.

Besonders erwähnt seien die Künste von Toby Kebbell, Morgan Freeman (Ilderim) und Rodrigo Santoro. Ihre Kollegen machen zwar auch einen guten Job, werden im Anbetracht dieser Leistungen jedoch in den Schatten gestellt. Hauptdarsteller Jack Huston leistet zwar ebenfalls keinen schlechten Job, wirkt aber vor allem zu Beginn äußerst farblos und uninteressant.

Unangenehm ist, dass einige weggefallene Handlungsstränge unermesslich waren, um das Handeln der Figuren zur Gänze zu begreifen. Dieses Beschneiden hinterlässt ein Loch im Erzählten, dass an anderer Stelle nicht geflickt werden konnte. Nach dem Finale wird das besonders deutlich und alle Szenen im Anschluss an das Wagenrennen wirken entweder wirr an den Haaren herbei gezogen oder zumindest äußerst platt und schwach auf der Brust.

"Ben Hur" ist damit ein guter Film für alle, die gerne Geschichten von Liebe, Verrat und Rache folgen und es groß und ausgearbeitet mögen, aber nicht zu viel Liebe zum Detail verlangen. Deshalb darf man nicht mit allzu vielen Erwartungen herangehen, denn unterm Strich bleiben viele Fragen offen und die Beweggründe einiger Figuren rätselhaft.

Das Remake von Ben Hur ist ab dem 01. September 2016 in den Kinos zu sehen.

Bewertung: 3/5***

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 25.08.2016