Ouija 2: Ursprung des Bösen Filmkritik — Oldschool Horror

  

Ein totaler Schlag ins Wasser. Anders kann man Stiles White Teenie-Horror „Ouija — Spiel nicht mit dem Teufel“ nicht beschreiben. Und trotzdem scheint das Brettspiel von Hasbro noch nicht an seinem schauerhaften Ende angekommen zu sein. Was wäre also der nächste logische Schritt? Genau. Ausholen und den Ursprung des Bösen erzählen. Klingt absurd, wirkt im ersten Augenblick sinnlos … und hat doch funktioniert. „Ouija 2“ ist kein Meisterwerk für die Geschichtsbücher, aber um ein vielfaches besser als sein Vorgänger.

ouija

Horror der Marke 1960

Regisseur Mike Flanagan setzt dort an, wo alles begann. Zumindest in Sachen Séancen mit einem Kinderspielzeug. Die Geschichte dreht sich um eine alleinerziehende Mutter, die ihr Geld damit verdient, dass sie leichtgläubige Kunden davon überzeugt, mit den Toten sprechen zu können und ihnen so das hart Ersparte aus der Tasche zieht. Eifrig beim Helfen: ihre Töchter Paulina (Annalise Basso) und Doris (Lulu Wilson). Blasebalg, Magneten, wackelnde Vorhänge. Kein Trick ist zu billig.

Doch wo wäre der Horror, wenn alles nur Show ist? Kaum hat man den Gedanken ausgesprochen, da entpuppt sich Töchterchen Doris als echtes Medium. Und sie kontaktiert die Toten nicht einfach nur. Nein. Einer von ihnen verschafft sich nach und nach Kontrolle über das kleine Mädchen; seine Pläne liegen bis zum Schluss im Dunkeln. Und wie es sich für Horror der Marke Oldschool gehört, sind alle klassischen Elemente vertreten: verzerrte Stimme, fliegende Objekte, Priester der Ausführung „Exorzist“ und eine Mutter, am Rand des Nervenzusammenbruchs.

Natürlich könnte man jetzt auch sagen, dass das nichts mit klassischem Horror zu tun hat, sondern einfach nur ausgeschlachtete Ideen sind, die die Horrortrommel bis heute rühren. Wäre da nicht Flanagans Kunst, den Flair der 1960er Kinojahre bis ins kleinste Detail nachzustellen. Die Kleidung. Die pingelig ausgesuchte Musikuntermalung. Das gesamte Setting. Sogar die technischen Kniffe, die verwendet wurden, um dieses Werk zu drehen. Von der imitierten Klebestelle auf dem Filmstreifen, bis hin zum langsamen Zoom.

Gut` Ding will Weile haben

Aber nicht nur das Gezeigte ist mit deutlich mehr Liebe zum Detail entstanden, sondern auch die Erzählkunst der Geschichte. Im Gegensatz zu dem Original aus dem Jahr 2015 nimmt sich dieser Film sehr viel mehr Zeit, um seine Figuren vorzustellen und ihnen wenigstens eine gewisse Tiefe zu verleihen. Auch wird sich nicht mit Horrorelementen ab einem gewissen Punkt überschlagen, sondern konsequent eine ruhigere, fast schon entspanntere Erzählform gewählt. Und das gilt eben auch für die Schreckmomente, die ebenfalls stark an den Horror der späten 60er, frühen 70er erinnern.

Was das Genre Horror angeht, ist dieser Stil natürlich ein Akt auf dem Drahtseil. Und in diesem Fall einer, der Flanagan nur bedingt gelingt. Denn auch wenn seine Form der Darbietung durchaus gefällt, hat sie mit der Schwäche eines starken Durchhängers zum Mittelteil zu kämpfen. Wie der Künstler in luftiger Höhe, verliert auch der Regisseur hier das Gleichgewicht und droht mit Ach und Krach in die Tiefe zu stürzen. Die Geschichte beginnt sich in den eigenen Schwanz zu beißen und unnötig lang im Kreis zu drehen. Erst zum Finale entkommt das Werk dieser Spirale und schafft es, das Ruder noch einmal herum zu reißen.

Nichtsdestotrotz hat der Regisseur den Moment verpasst, in welchem er das Tempo hätte erhöhen müssen. Der Spuk auf Sparflamme erfordert vom Kinogänger eine Menge Geduld und der sowieso schon langsame Erzählfluss macht es schwerlich besser. Einziger Trost in der zweiten Hälfte sind das besessene Mädchen Doris, das Gänsehaut im Retrostil hervorruft und die düstere Atmosphäre, die konsequent gegen den Leerlauf anzukämpfen versucht.

Drama und Horror?

Geht das überhaupt? Drama und Horror? Sicherlich. Nicht immer gut, aber es gab durchaus schon Filme, die es geschafft haben, ohne viel Geschrei und Blut Empathie für die Figuren zu wecken. Immer, wenn einem Film so etwas gelingt, steigt unweigerlich auch die Angst, die der Kinozuschauer empfindet. Perfekt gelang das in „Ouija 2“ nicht, aber doch deutlich besser, als bei vielen seiner Konkurrenten. Und mit weitem Abstand zu seinem Vorgänger.

Das konnte in diesem Werk nur gelingen, weil drei Dinge gut miteinander harmonieren. Zum einen die schauspielerische Leistung von Annalise Basso und Lulu Wilson, die die Töchter spielen und deutlich über Mittelmaß schauspielern. Zum anderen dank der Idee, das Hexenbrett nicht unnötig lange im Fokus zu behalten, sondern sich auch auf Themen wie Besessenheit und Exorzismus zu konzentrieren. Und zu guter Letzt, großer Einfallsreichtum des Regisseurs, wenn es um visuelle Effekte geht. Hier brilliert er mit guten Ideen, statt nur billige Jumpscares aus der Trickkiste zu zaubern.

Die Zeit, die sich der Film nimmt, um aufzuzeigen, wie schwer es eine Mutter in diesen Tagen hatte, ihre Kinder ohne Verdiener an der Seite zu ernähren und auf welch unterschiedliche Art die Trickbetrügereien der Mutter den Nachwuchs beeinflussen, tun ihren Teil. Wer natürlich Eingeweide, Leichen ohne Ende und platzende Köpfe erwartet, ist hier an der vollkommen falschen Adresse. Wer den dezenten Grusel bevorzugt und sich bei fast jedem Kinobesuch über die fehlende Tiefe aufregen kann, sollte aber gut aufgehoben sein.

Fazit

Flanagans Prequel zu einem gähnend langweiligen Teenie-Horror übertrifft seinen Vorgänger nicht einfach nur, sondern stellt diesen gnadenlos in den Schatten. Wo man im ersten Teil noch von einem Horrorfilm sprechen konnte, der sich nur für Jugendliche eignet, die mit diesem Genre bisher nicht viel Kontakt hatten, bietet sich „Ouija 2: Ursprung des Bösen“ dagegen selbst erfahrenen Fans an. Und das zu Recht. Neu ist hier für die Altgedienten ebenfalls wenig, doch was man sieht, wurde mit viel Liebe zum Detail umgesetzt.

Der ruhige Erzählstil, die fast perfekte Umsetzung des 1960er-Jahre Horrorflairs und die visuellen Effekte sprechen eine ganz eigene Sprache und gefallen vom Anfang bis zum Ende. Oder besser gesagt: am Anfang und am Ende. Denn zum Mittelteil verflucht ein böser Hänger im Handlungsverlauf das Gesamtwerk und sorgt dafür, dass das richtige Tempo auf sich warten lässt. Die Geschichte dreht sich im Kreis und braucht eine ganze Weile, bis sie wieder in Gang kommt. Als Ausgleich gibt es ein durchaus gefälliges Ende, mit einem schönen Aha-Moment nach dem Abspann. Sofern man den ersten Teil gesehen hat, was wirklich niemandem zu empfehlen ist.

Kinostart ist am 20.Oktober 2016.

Bewertung: 4/5****

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 19.10.2016