Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind Filmkritik

  

Mit diesen Fantasiewelten ist das schon so eine Sache. Erschafft man einen durchgängigen Protagonisten und lässt ihn diese — für uns neue — Umgebung entdecken, ist es leicht möglich, den Zuschauer in seinen Bann zu ziehen. Schwierig wird es erst, wenn die Welt nicht mehr von einer einzelnen Figur abhängig ist, sondern sich entfaltet und zur Gänze präsentieren will. Kann die Welt rund um Harry Potter ohne seinen Namen auskommen? Oder war es letztendlich doch der Zauberlehrling, von dem die wahre Magie ausging?

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Anfangs scheu

Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ handelt von einem der Lehrbücher aus Harry Potters Schülertagen. Was wir erleben sollen ist, wie der Autor dieses Werks die Idee bekam, die wundersamen Lebewesen der Magierwelt zu studieren und sein Wissen der Allgemeinheit preis gab. Was wir letztendlich bekamen, verhält sich von Grundidee zu Endprodukt ungefähr so, wie die Hobbit-Trilogie.

Ein Noname-Charakter alleine zieht die harten Fans der ursprünglichen Buchreihe nicht in die Kinos. Also mussten Parallelen gezogen und ein entsprechender Antagonist gefunden werden. In diesem Fall der dunkle Magier Grindelwald (Johnny Depp), der schon ein finsterer Typ war, bevor Voldemort mit der genialen Idee daher kam, Zauberer wären besser als Muggel. Es soll von Anfang an keine Reihe für Kinder sein, sondern eher wie die letzten Teile des Originals. Düster und erwachsen.

Dieser Ansatz macht dem Film vor allem in der ersten halben Stunde schwer zu schaffen. Hauptfigur Newt Scamander (Eddie Redmayne) wirkt sozial etwas daneben und grinst zu den unpassendsten Momenten. Katherine Waterson (als Porpentina Goldstein) kommt nicht wirklich aus sich heraus und stolpert steinern von Szene zu Szene. Und der ganze Plot dümpelt vor sich hin - zu keiner Sekunde ein klares Ziel vor Augen.

Ein paar Späßchen hier und etwas Situationskomik dort wirken eher wie Lückenfüller. Manchmal sogar schlichtweg deplatziert. In dieser Zeit ist es ausnahmslos Collin Farrell, der schauspielerisch etwas zu bieten hat und das Interesse des Zuschauers wecken kann. Seine Arbeit strotzt vor Talent und Leidenschaft für die Sache. Doch in den ersten dreißig Minuten hat er kaum etwas zu tun, geschweige denn zu sagen. Aber er ist der beste Grund am Ball zu bleiben.

Was lange währt …

Nach diesen ersten Anlaufschwierigkeiten nimmt das Projekt endlich etwas Fahrt auf. Der verworrene Erzählstil weicht nach und nach einer glatteren, leichter zu folgenden Geschichte und der rote Faden des Films kristallisiert sich heraus. Dadurch fällt es leichter, die Welt der Magier und Hexen zu genießen, in welche man zu Beginn einfach hinein gestoßen wird. Dazu gehört auch, dass Redmayne die Chance erhält, seine Figur etwas gekonnter auszuspielen. Es wird klar, wie Scamander tickt und warum er was tut. Der Charakter gewinnt dadurch an Farbe, wird leichter zur Identifikationsfigur.

Trotzdem unterliegt er gnadenlos dem Tun von Farrell, der mittlerweile den Film für sich beansprucht hat. Seine längeren Auftritte und seine verzweigte Art, die Rolle auszuspielen, vereinnahmen jede Szene für sich. Dabei hat er natürlich auch nur allzu leichtes Spiel, denn abgesehen von Redmayne kommt niemand mehr wirklich aus sich heraus. Die meisten Darsteller köcheln auf Sparflamme — weit unter den Möglichkeiten.

Nichtsdestotrotz bleibt einem Dan Fogler als Buddy Jacob Kowalski in Erinnerung. Er hat zwar nicht viel zum Arbeiten bekommen, macht aber das Beste daraus. Wenn man nicht viel Lehm zum Modellieren hat, sollte das Endprodukt umso schöner aussehen. Hier ist ihm das gelungen, auch wenn er dafür kaum mit Preisen überschüttet werden dürfte. Aus reiner Sicht dessen, was hier möglich gewesen wäre, ist das Ergebnis, welches uns „Phantastische Tierwesen“ abliefert, eher enttäuschend.

Gute CGI-Wesen

Was den größten Teil der Story angeht, so kann ich nur sagen, dass ich auch dort ein wenig enttäuscht bin. Statt von vornherein etwas eigenes auf die Beine zu stellen und eine in sich abgeschlossene Geschichte zu erzählen, versteifen sich die Produzenten darauf, auf alle vier weiteren geplanten Filme dieser Reihe hinzuarbeiten. Man verlässt sich fast in jedem Moment auf das Großartige, das noch erzählt werden möchte und hofft dabei, dass der Zuschauer genauso begeistert von dieser Idee ist, wie sie selbst es waren.

Also ab ins kalte Wasser und abgetaucht. Das kann einigen zu viel sein. Statt nach und nach die Welt und ihre Geheimnisse zu entdecken, wird man gnadenlos mit ihnen konfrontiert. Neue Fans, die die Bücher vielleicht noch gar nicht kennen, abzuholen, ist hier in keiner Sekunde Plan der Sache. Fans sollen angesprochen, jedoch nicht erschaffen werden. Diese Aussage zieht sich durch den ganzen Film. Ganz nach dem Motto: wenn sich hiermit neue Anhänger des HP-Universums kreieren lassen, um so besser. Aber wir fahren auf Nummer Sicher …

Wenigstens darf man sagen, dass „Phantastische Tierwesen“ schön anzusehen ist. Die Kameraeinstellungen sind wohl durchdacht und manche Szenen wurden mehr als exzellent dargestellt. Hinzu kommt erstklassiges CGI. Man darf zwar sagen, dass ein/zwei Monster so wirken, als wären sie genauso fehl am Platz wie eine Wüstenrennmaus neben der Tastatur — und einige Interaktionen der Charaktere mit den Wesen wirken befremdlich falsch -, doch unterm Strich wurde hier eine weit bessere Arbeit abgeliefert als man erwarten durfte.

Fazit

Der Bann dieser Welt voller Magie ist nicht durchbrochen, wurde aber vielleicht ein wenig abgemildert. „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ steht nur auf wackeligen eigenen Beinen und seine Figuren können nicht über die gesamte Strecke überzeugen. Hinzu kommt der fast schon krampfhafte Versuch, ein eigenes Universum, fernab von Zauberlehrling Harry Potter, zu etablieren. Hier wäre es vielleicht klüger gewesen, erst einen anständigen Film mit in sich abgeschlossener Geschichte abzuliefern, statt gespannt in die Zukunft zu starren.

Trotzdem ist dieses Werk alles andere als schlecht. Nach circa einer halben Stunde nimmt das Ganze auch Fahrt auf und wird wirklich interessant. Collin Farrell hält die Begeisterung des Zuschauers fast alleine aufrecht; gleichzeitig kommen die anderen Figuren etwas aus sich heraus. Am Ende ist „Tierwesen“ vor allem unterhaltsam und schön anzusehen. Er begeistert zwar nur selten, ist als erstes Werk nach den Originalteilen jedoch solide genug, um empfohlen werden zu können.

Vorsicht: lest nach diesem Satz nur weiter, wenn ihr kein Problem mit einem massiven Spoiler zur Geschichte habt! Ihr wurdet gewarnt ... Das Spiel von Collin Farrell wird umso interessanter, wenn sich das Geheimnis seiner Figur endlich lüftet. Schon die ganze Zeit hatten einige das Gefühl, seine Art würde an einen anderen Schauspieler erinnern. Als dann aufgedeckt wird, dass er in Wirklichkeit Grindelwald ist, der nach der Demaskierung von Johnny Depp gespielt wird, wird so einiges klar. Erstklassige Arbeit von Farrell.

Wertung: 3/5***

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 17.11.2016