Filmkritik zu "A Girl Walks Home Alone At Night"

  

Kinder der Nacht. Ja, die Rede ist von Vampiren. Auch Post-Twilight zeigt sich: Blutsauger sind nicht tot zu kriegen. Die Faszination der Menschheit, also auch von Filmemachern und Filmbesuchern an Dracula und Co ist ungebrochen. Mit „A Girl Walks Home Alone At Night“ tanzt sich ein kleiner, aber wunderschöner Film in den Reigen irgendwo zwischen Begierde und Furcht und entpuppt sich als einer der verträumtesten und romantischsten Filme der letzten Zeit.

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Im Rausch der Nacht

Schon recht früh werden durch „A Girl Walks Home Alone At Night“ Erinnerungen an einen weiteren Vampirfilm geweckt. Jim Jarmusch brachte mit „Only Lovers Left Alive“ ebenfalls einen Vampirfilm heraus. Und auch dieser entpuppte sich mehr und mehr als Traumreise in die finstersten Stunden der Nacht. Und grade deswegen nicht minder verträumt und auch nicht weniger romantisch als das vampirische (und allgemeine) Erstlingswerk von Ana Lily Amirpour um eine durstige Umhangträgerin. Wo es in „Only Lover Left Alive“ sich um Liebe, biblisches (im wahrsten Sinne des Wortes) Alter, Musik, Überleben und dem wieder und Wiederbegegnen zweier unsterblicher Seelen am endlosen Abgrund der Zeit geht, da macht in „A Girl Walks Home Alone At Night“ zunächst eine chadortragende Vampirin die Straßen einer fiktiven iranischen Stadt namens „Bad Town“ unsicher. Und irgendwie beschleicht einem der Eindruck, dass dieser Film dem Werk von Jim Jarmusch einiges schuldet. Auch die Beziehung der beiden Hauptcharaktere in Amirpours Film wirkt in vielen Phasen wie die jüngere Version von Adam und Evas Beziehung aus „Only Lover Left Alive“. Allerdings würde man dies, wären diese beiden Filme in umgekehrter Reihenfolge erschienen, auch über Jarmusch Film sagen.

Denn wie dieser ist auch „A Girl Walks Home Alone At Night“ extrem reich an liebevoll installierten Referenzen. Von Spagetthiwestern, über jugendliche Rebellen aus den 50er Jahren, romantischen Komödien für und um Teenager bis hin zur iranischen New Wave Welle ist in den traumhaften Schwarz-weiß Bildern einiges zu entdecken. Den Film umgibt dann stellenweise zudem irgendwie dann noch dieser Grunge Geist der 90er. Komplett mit dem bedrückenden Gefühl alleine zu sein und unverstanden. Durch die Kulisse der industriellen Einöde, vor der der Film spielt, wird dieser Eindruck nur noch deutlich unterstrichen. Anstatt sich aber in der Menge der Einflüsse zu verlieren und die xte Parodie zu werden oder eine unverständliche Übung in Sachen Stil, katapultiert sich „A Girl Walks Home Alone At Night“ in eine ganze eigene Traumwelt mit einem einzigartigen Sog. Die Bilder des Films sind durchgehend suggestiv und symbolisch, stark an Emotionen und bedeutungsschwanger. Aber nie wird etwas wirklich ausgesprochen oder extra betont. Einige dieser Bilder sind tatsächlich Bilder. In ihnen hält der Film einfach an und verharrt in bewegungsloser Statis. Genau dieser Stillstand hilft stark den Eindruck von Spannung am Rand des Zerreißens zu erzeugen. Ein quälender Raum zwischen zwei Menschen, auch wenn diese so nah aneinander stehen, dass eigentlich kaum mehr Platz zwischen ihnen existiert. „A Girl Walks Home Alone At Night“ wirkt in Kombination dieser tragenden Kräfte sehr intensiv und sehr persönlich. Schnell wird einem Zuschauer klar, Ana Lily Amirpour hat jede Sequenz aus ihren eigenen Seelen- und Traumleben auf die Leinwand gezaubert.

People Are Strange

Die Dreharbeiten zu „A Girl Walks Home At Night“ fanden allesamt in Wüste Kaliforniens statt und die Rollen sind annähernd komplett mit exilierten Landsleuten von Amirpour besetzt. Sie alle sind die Bewohner von „Bad Town“, einer Stadt im Iran, angefüllt von wirklich schlechten Schwingungen, umgeben von Erdölförderstationen, die wie prähistorische Monster die Erde leersaugen. Gleich die Eröffnungssequenz zeigt klar die adaptierte Bildsprache im Genremix auf. Die Buchstaben in Titeltext sind klar die eines Italowesterns und treffen hier auf einen Stil á la James Dean mit einem jungen Mann in weißem T-Shirt, Jeans und 50er-Tolle am Rande der Wüstenstadt. Er fährt dann auch einen waschechten Ford Thunderbird und mit dem all die Versprechen der Americana, der von uns Europäern oft und zu Unrecht verschmähten Kultur der vereinigten Stadten mit ihrem Versprechen auf Freiheit und Mobilität, so du nur 4 Reifen unter dir weißt. Eine Freiheit, die dem jungen Mann schnell wieder genommen wird.

Wie er sind alle Charaktere in „When A Girl Walks Home Alone At Night“ Archetypen, die im Dienste von Amirpours einzigartiger Vision ins merkwürdige verzerrt werden. Da trifft der Zuschauer auf Arash (Arash Marandi), die jungen Mann mit dem Thunderbird. Dieser wohnt zusammen mit seinem Vater, dem Junkie Hossein (Marshall Manesh). Um ihr Leben zu finanzieren handelt Arash mit Drogen und nimmt allerlei merkwürdige und unstädnige Jobs an. Dominic Rains spielt Hosseins Dealer, einen Zuhälter, der das Wort SEX über der Kehle tätowiert trägt. Er bringt Arash um sein geliebtes Automobil, quält und misshandelt eine seiner Prostituierten. Das alles wird immer wieder von einem kleinen Jungen beobachtet, einem stummen und unschuldigen Zeugen von all den korrumpierten und schreckliches Ereignissen in Bad Town.

Und natürlich gibt es einen Vampir, denn um diesen dreht es sich ja. Dieser Charakter ist namenlos nur als „Girl“ (Sheila Vandt) bekannt. Dank der immensen Schatten im schwarz-weißen Bad Town kann sie in ihrem Chador fast mit den Hintergründen verschmelzen und unerkannt ihre Beute aufsuchen. Keiner scheint sie zu verstehen oder zu begreifen, bis es eben zu spät ist.

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Fazit

Wie bei „Only Lover Left Alive“ wird vieles in „A Girl Walks Home Alone At Night“ von der Musik getragen. Im Zusammenspiel mit der schwarz-weiß Optik des Films und der liebevollen Erzählung ergibt dies ein wirklich beeindruckendes und wunderbares Schauspiel. Eine frische Neuinterpretation eines vermeidliches ausgelutschten Genres. Ein absolutes Muss nicht nur für Freunde von Blutsaugern.

Bewertung: 5 von 5 Sternen! *****

Filmkritik von Julius, 10.04.2015

A Girl Walks Home Alone At Night ist ab dem 23.04.2015 in den Kinos zu sehen.