Filmkritik zu "A World Beyond"

  

Alles dreht und wendet sich in „A Wold Beyond“, steht Kopf und dann doch wieder auf Füßen. Dieses Jahr will Disney, noch mehr als die Jahre zuvor, mit aller Macht deutlich machen, wer im Kino das Sagen hat. Scheinbar auch in den abgedrehtesten Bereich. Der Filmgigant schreckt dabei nicht vor Experimenten zurück, scheint dem altgedienten Studio doch in der jüngsten Vergangenheit einfach alles zu gelingen. 

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Traum-Realität

Zu Beginn von Brad Birds Science-Fiction Abenteuer „Tomorrowland — A World Beyond“ wirft die Erzählung den Zuschauer und einen ihrer Protagonisten zurück in das Jahr 1964 und zeigt den Helden als Besucher einer Weltausstellung. Alles erinnert, nicht nur auf der Oberfläche, an eine Retroansicht von Walt Disney. Was nicht von ungefähr kommt, denn wie schon bei „Piraten der Karibik“ ist „A World Beyond“ die filmische Umsetzung eines von Disneys eigenen Fahrgeschäften. Die in diesen frühen Momenten von Bird (Die Unglaublichen, Ratatouille, Mission Impossible: Ghost Protocol) geschaffene Illusion ist großartig bis perfekt. Alles ist aufgeregt, fröhlich, voller Erwartung und Begeisterung. Der Held, als kleiner Junge, ist hier, nicht nur um etwas zu erleben, sondern auch um für seine mitgebrachte Erfindung, eine Art Jetpack, einen Preis zu gewinnen. Und plötzlich wird dieser Junge in eine Welt befördert, die so etwas wie eine utopische Zukunft darstellt, wie wir sie am ehesten aus alten Science-Fiction Comics und Filmen kennen. Art Deco Hochhäuser und eine Monorail dominieren das Stadtbild. Ein wenig wie „Metropolis“ gone good. Und inmitten all dessen jener Junge, den es dank seiner Erfindung durch die Wolken schleudert, immer auf und ab. Die Achterbahn in der Achterbahn wird zur Traum-Realität. Die echte Parkattraktion wird zu ihrer eigenen cinematischen Hightech-Variante. Die erste Version ist sanft, irgendwie nostalgisch und voller Charme. Ihre Interpretation ist fiebrig und intensiv, ein Meisterwerk aus Choreografie, Schnitt, Design, Soundeffekten und Musik, gepaart mit ein wenig Adrenalin, gewonnen aus der Logik eines Traums. Des Jungen Jetpack versagt für einen kurzen Moment, Träger und Gefährt werden getrennt und der Junge taumelt wie ein Schwimmer durch luftige Höhen, Arme und Beine wie ein Ertrinkender um sich mit hektischen Schwimmbewegungen schleudernd um seinen flammenspeienden Retter zu erreichen. Und wie ein Träumer, der die Kontrolle über seinen Traum verliert und plötzlich in die Tiefe gerissen wird. „A World Beyond“ verfügt über viele solche Momente, die wie aus einem Traum geboren zu scheinen. Grade sie machen „A World Beyond“ extrem sehenswert. Aber sie machen auch deutlich, das der Film sehr viel mehr eine Art Erfahrung ist, als das er eine Geschichte erzählt oder eine Botschaft vermittelt. Obwohl er dann doch alles auf einmal versucht und sein möchte.

Das Leid der Weisen

So gibt es dann auch etwas, das einen Plot darstellt. In diesem dreht sich vieles (nicht alles) um ein junges Mädchen namens Casey (Britt Robertson), die den ergrauten Wissenschaftler Frank (George Clooney) aufsucht. Denn dieser kennt einen Weg um das eingangs erwähnte Utopia zu betreten. Ein Utopia, welches von genialen Wissenschaftlern und anderen, hochbegabten Individuen erschaffen wurden als Fluchtort, den Tod dieser, unserer Welt vorhersehend. Frank selber, der Junge aus den ersten Minuten (Thomas Robinson), hat Zugang zu dieser Welt durch ein sommersprossiges Mädchen (Raffey Cassidy) erlangt. Diese Welt — und einige andere, mal unklare, mal deutlich stilisierte Warnungen — sind eines von Birds Markenzeichen. Aber auch sein Schreiber Damon Lindelof (Star Trek — Into Darkness) hat sie in „A World Beyond“ nicht zum ersten Mal untergebracht. Sie drehen sich um die Zwangslage, in die wir Normalsterbliche besonders begabte Menschen vermeintlich setzten, weil wir und die gewöhnliche Welt ihre Gaben und Erkenntnisse nicht wahrnehmen (oder zumindest nicht gänzlich begreifen können). Und sie drehen sich um den Preis, den wir eventuell dafür bezahlen müssen, weil wir unsere Umwelt ausbeuten und Wissenschaft dämonisieren. Letztere Botschaft richtet sich offensichtlich eher an das US-Publikum, ist aber auch für uns Europäer deutlich herausgearbeitet. Bird wurde in der Vergangenheit bereits dafür kritisiert, dass er die „Kinderfilme“ „Die Unglaublichen“ und „Ratatouille“ mit simplistischen und bisweilen elitär klingenden Aussagen angereichert hat über und um die Privilegien, die besonders begabten Menschen anfallen sollten. Und „A World Beyond“ bietet hierzu keine Ausnahme, setzt dem ganzen sogar noch die Krone auf. Denn die stark an „Atlas Shrugged“ erinnernde Hintergrundgeschichte ist eigentlich diese: Die größten Denker und Geister der Welt hatten eines Tages keine Lust mehr sich Tag für Tag mit unserer Ignoranz und Apathie auseinanderzusetzen. Da ihnen eh niemand so richtig zugehört hat (außer sie selber) zogen sie sich in ihre eigene Welt, mittels ihrer Gaben geschaffene Welt zurück — irgendwo zwischen Shangri-La und der Emerald Ciyt aus „Der Zauberer von Oz. Diese Welt aber hat einen Zweck, sie ist eigentlich nichts anderes als eine riesige Arche Noah.

Go with the flow, move like a jellyfish

Die Rahmenhandlung selber wirkt (leider) an manchen Stellen etwas schäbig und bekannt. Sie lehnt sich an „Matrix“ an, mit ihren unmenschlichen Antagonisten in Menschenform, gepaart mit dem üblichen „Achtung, jetzt wird’s magisch“ Thema aus Michael Giacchinos Soundtrack-Repertoire, mit dem Bird schon in der Vergangenheit oft zusammengearbeitet hat und der auch den beiden neuen „Star Trek“ Filmen seinen musikalischen Stempel aufdrückte. An den schwächsten Stellen versucht „A World Beyond“ grundlegende kreative Fragestellungen aufzuwerfen, die sich aus den eigenen moralischen und philosophischen Ansätzen ergeben. Nicht wirklich hilfreich ist dabei der nörgelnde Erwachsene im eigenen Hinterkopf. Ist die Heldin denn jetzt besonders, weil sie tatsächlich spezielle Qualitäten hat oder weil diese ganze „Du bist die Auserwählte Nummer“ Bird über zwei Stunden Film erzählt, in denen Casey eigentlich keine herausragenden Merkmale an den Tag legen muss — außer Mumm in den Knochen zu haben? Und ist es eigentlich jetzt schlimm, dass, sowohl inhaltlich als auch von seiner Botschaft her, Franks Nemesis Nix (Hugh Laurie) deutlich mehr Sinn ergibt als alle anderen Charaktere? An diesen Stellen hätten Bird und Kollegen sich besser an Franks Worte zu Casey gehalten: „Muss ich dir wirklich alles erklären? Kannst du nicht einfach beeindruckt sein und weiter machen?“

Wenn man aber diese Momente ausklammert und „A World Beyond“ in erster Linie als einen immensen, cinematischen Themenpark, der alle paar Minuten eine neue Achterbahn auspackt, begreift und hinnimmt, dann sind diese schwachen Momente schnell wieder vergessen. Genau wie „Mission Impossible: Phantom Protocol“ ist auch „A World Beyond“ einfach eine irre Reise, gibt man sich ihr hin. Aus dieser Sicht ist „A World Beyond“ in einer engen Nachbarschaft zu finden mit „Blade Runner“, dem ersten „Tron“, „Dark City“ aber auch Fritz Langs „Metropolis“. Es hat extrem viel fürs Auge und allein dadurch hebt sich „A World Beyond“ schon weit über das, was die großen Studios allzu oft an Science-Fiction und Phantastik uns vor die Füße werfen (heutzutage).

Fazit

Birds „A World Beyond“ ist aufgebaut wie eine Art in Reihe geschaltete Uhrwerke voller Lasergeschosse, Plasmabomben, Geheimtüren, versteckter Bonustunnel, Aufstiegen und Abstürzen, Hoverzügen, Maschinen und Bauten, die sich wieder und wieder auf- und abbauen, Menschen, die mal Menschen sind und mal etwas anderes. Dazu kommt Zeit und Raumreise, die wie bei den „Jetsons“ einfach in eine andere Welt schalten — nur über einen souvenierhaften Anstecker. Es gibt Jetpacks, Monorails, klappernde Roboter, Schwimmbecken mit Zero-Gravity-Technologie (einfach nur schwebendes Wasser). Es gibt Augenblicke, da existieren die Protagonisten in beiden Welten zeitgleich, wie Traumwandler. Manchmal ist alles emotional und mitreißend und manchmal eben irgendwie flach und dümmlich, dennoch ist klar, dass Bird (meist) weiß, was er uns bietet und bieten will. Er erschafft Bilder, die auf ihre Art schwer zu übertreffen sind. Wo Miller mit seinem „Mad Max“ einen eigenen Stil geschaffen hat, so erweckt Bird mit „A World Beyond“ etwas, dass dem sehr nahe kommt. Allerdings ist die Geschichte wohl zu geschlossen um wirklich anhaltendes Kapital herauszuschlagen. Oh, und zu dem Gemecker in Sachen Botschaft: „Metropolis“ (dem Film sind einige Referenzen geschuldet) hatte auch eine. Die ist aber weitestgehend in Vergessenheit geraten und hat damals schon keiner ganz verstanden und verstehen wollen. Geblieben ist dennoch ein optisches Meisterwerk, dessen Nachhall bis heute hält.

Bewertung: 4 von 5 Sternen.****

Filmkritik von Julius, 21.05.2015

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A World Beyond: Kinostart am 21.05.2015

Ab heute könnt ihr "A World Beyond" im Kino anschauen. Wir haben weitere Informationen (Trailer, Bilder, Poster etc) hier für euch bereitgestellt. Die Kinospielzeiten findet ihr auch bei uns  - und zwar hier.