Filmkritik zu "American Sniper"

  

Kriegsfilme, im Fall von „American Sniper“ allerdings eher „Filme im Krieg“, aus den USA sind in Europa, insbesondere in Deutschland, kein leichtes Thema. Um allerdings einen Film wie „American Sniper“ zu verstehen und seine Tiefen und Höhen wirklich zu begreifen, muss man sich als Zuschauer zumindest ein wenig in die us-amerikanische Sicht der Dinge begeben. Nicht immer muss diese übrigens eine unkritische sein. Seth Rogan (zuletzt in „The Interview“ zusehen) verglich in einem Review Clint Eastwoods neustes Drama mit „Stolz der Nation“, dem Film über den Scharfschützen Zoller aus Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“.

american sniper Szene 1

Aufgestanden, Krone gerichtet

Der ein oder andere Kinogänger wird sicherlich schon im Vorfeld kurz schmerzverzerrte mit dem Gesicht gezuckt haben, als der den Namen Clint Eastwood erblickte. Zu frisch sind die Wunden, die „Jersey Boys“ geschlagen hat. Aber Clint Eastwood wäre irgendwie nicht Clint Eastwood, würde er sich nicht aus dem Staub erheben, kurz ausspucken und den Stetson richten. „American Sniper“ unterstreicht diese Haltung wunderbar. Einen echten Kämpfer zählt man eben nicht nach einem Tiefschlag aus. Nur sechs Monate nach „Jersey Boys“ bringt der alte Haudegen eine seiner stärksten Arbeiten in die Kinos — zumindest seit dem 2009 völlig untergegangenen und unterschätzten „Invictus“. Aus dramaturgischer Sicht ein wirkliches Glanzstück. Eines der wenigen, die nicht versucht eine Geschichte möglichst spektakulär zu erzählen, sondern die bei den Fakten bleiben will — ohne allerdings auf Spannung und Drama zu verzichten.

So wirft „American Sniper“ den Zuschauer gleich in eine grausam spannende Sequenz in der Scharfschütze Chris Kyle (Bradley Cooper) sich mit einer extremen Entscheidung konfrontiert sieht. Schon in diesen frühen Minuten macht „American Sniper“ klar, worum es sich in den folgenden 130 Minuten drehen wird. Und worum nicht.

Eingeprägtes Verhalten

Denn „American Sniper“ basiert auf wahren Begebenheiten, die schon an sich kompliziert und verwirrend genug sind, allerdings noch deutlich mehr Tiefe dadurch erlangen, dass sie von dem Hauptcharakter Chris Kyle in der dem Film gleichnamigen Autobiographie „American Sniper“ erzählt werden. Diese Vorlage wiederum wurde für die Verfilmung durch Jason Dean Hall (einst Schauspieler in US-TV, inzwischen Drehbuchautor, zuletzt „Paranioa — Riskantes Spiel“) als Drehbuch adaptiert. Nach der fesselnden Eröffnungssequenz im Irak versetzt der Film den Zuschauer in die Kindheit und Jugend von Chris Kyle zurück. Nach einer Schulhofprügelei hält dessen Vater, mit bedrohlichen Zügen am Essenstisch eine flammende Rede darüber, dass die Kyles „ihre Leute schützen“, dass es ihre Aufgabe ist den Bullys da draußen zu zeigen, wer wirklich das Sagen hat. Man spürt förmlich wie dieser Erwartungsdruck hinter den markigen Worten des Vaters Chris und seinen Bruder herabdrückt und schweres Gewicht auf ihre Schultern legt. Ein Gewicht, dass sie erst einmal erdrückt und in ein eher zielloses Leben als Rodeo-Cowboys treibt.

All das aber ändert sich ab dem Punkt, an dem Chris über Nacht die Entscheidung fällt, sich bei der U.S. Navy für die Spezialeinheiten zu bewerben, obwohl er noch nie wirklich viel für Wasser über hatte. Zumindest wird derlei im Gespräch mit dem Offizier im örtlichen Rekrutierungsbüro der Streitkräfte deutlich. Auslöser für diese abrupte Entscheidung sind die Anschläge auf US-Botschaften in Kenia und Tansania 1998. Bereits hier wird die Gradlinigkeit und das Selbstbewusstsein von Chris Kyle sehr deutlich herausgearbeitet. Plötzlich hat sein Leben einen neuen Sinn und verleiht im einen fast übermenschlichen Durchhaltewillen. In der Phase dieser neugewonnenen Stärke lernt er dann auch während des Trainings bei den Navy S.E.A.L.s seine zukünftige Frau Taya (Sienna Miller) kennen. Nach den Anschlägen des 11. September schließlich wird Kyle als Scharfschütze mit beängstigendem Talent eingesetzt.

Ein Film im Krieg

Klingt zunächst irgendwie nicht besonders. Das ganze wird allerdings allein schon durch den wirklichen Chris Kyle wieder in Fokus gerückt. Mit 160 bestätigten Tötungen ist er bis dato der „erfolgreichste“ Scharfschütze der US Navy. Bei der langen Liste der US Konflikte in den letzten 100 Jahren ein grusliger Rekord. Die Sequenzen, in den Chris Kyle seinem blutigen Handwerk nachgeht, in denen er gezwungen ist Frauen und Kinder zu töten, werden von Clint Eastwood in seiner typischen Art erzählt. Grimmig, fesselnd und entschlossen. Gewalt und die Beziehung von Gewalt zur us-amerikanischen Geschichte, ob nun der Gegenwart oder Vergangenheit, im Irak oder den USA selber sind sehr gewichte Themen in allen Arbeiten von Clint Eastwood, als Schauspieler und als Filmemacher. Allerdings ist die Gewalt bei Eastwood häufig „nur“ existent. Gleiches gilt für „American Sniper“. Eastwood versucht den Krieg mit seinen Grausamkeiten nicht zu rechtfertigen. Er ist eben einfach da. Auch wenn die irakischen Antagonisten bisweilen als grausam dargestellt werden, so geschieht dies stets aus Chris Kyle Blickwinkel. Und Kyle ist in diesem Krieg „nur“ ein Akteur. Auf gleiche Art wie ein liebender Ehemann und Vater versucht zu sein. Allerdings ist er ein Akteur im Krieg, der an ein Ideal glaubt und hinter dem steht, was er tut. Auf eine Art, die nach und nach beginnt in seine Beziehung zu Hause zu bluten und diese zu vergiften. Dies wirkt beeindruckend beängstigend. Nachdem während eines Einsatzes einer seiner Männer getötet wird, begleitet er dessen Leichnam zurück in die USA.

Glanzleistungen und voller Körpereinsatz bei den Hauptdarstellern

Am Grab seines Mitstreiters ließt einer dessen Angehöriger aus seinem letzten Brief vor. In diesem drückt Kyles Kamerad Zweifel an dem Krieg, sogar Enttäuschung über das Handeln der USA und deren Soldaten aus. Später im Wagen gibt Kyle Taya gegenüber diesem einen Brief die Schuld, dass der Soldat gefallen ist. Taya reagiert darauf mit verständlichem Unverständnis. Sienna Miller spielt dabei Kyles Ehefrau so gut, dass vergangene Fehltritte vergessen scheinen. Mit ihrer Leistung in „American Sniper“ und „Foxcatcher“ dürfte sie sich in Hollywood sehr weit nach vorne katapultiert haben. Anstatt nur die sich beklagende und unverständige Frau eines Soldaten zu mimen, schafft sie es ihrem Charakter wirklich Tiefe zu verleihen. Auf der einen Seite vergöttert sie die Qualitäten ihres Mannes, seine Zielstrebigkeit, seine Treue und seinen Einsatzwillen. Auf der anderen Seite weiß sie aber auch, dass diese Eigenschaften ihn zu dem Soldaten machen, der er ist. Und das diese Eigenschaften ihren Mann auf die Dauer zerstören werden. Während sich dessen „Erfolge“ im Krieg ansammeln, werden diese auch immer schmutziger und immer weniger glanzvoll. Als Zuschauer hat man guten Grund sich vor dem Typen Chris Kyle mehr als nur ein wenig zu fürchten. Aber Taya scheint eben keine Angst zu haben. Ihre Beziehung wird erst durch etwas beendet, was schockierende Realität ist und kein bisschen Hollywood.

Bradley Cooper als Chris Kyle an ihrer Seite und eben als männlich Hauptrolle macht im wahrsten Sinne eine beeindruckende Figur. Extrem muskulös, um dem realen Chris Kyle zu gleichen, wirkt er wie ein Schrank. Er unterdrückt seine üblichen Markenzeichen und verleiht seinem Charakter eine erstaunliche Leichtgläubigkeit mit sehr deutlichen Kanten. Der ganze Typ macht einfach einen verdammt gefährlichen Eindruck. Gefährlich, aber nicht bösartig. Selbst sein offensichtlicher Mangel an gesunden Selbstzweifeln gepaart mit seiner Beharrlichkeit kommt nicht befremdlich an. Sogar dann nicht, wenn es absolut fehl am Platz wirkt, wie in dem Moment, in dem er zum allerletzten Male erkennen muss, dass er seinen Bruder nicht schützen kann. Augenblicke wie dieser, und davon gibt es eine ganze Reihe über den Film verteilt, machen „American Sniper“ zu einem wirklich guten Film und eben zu einem extrem guten Film im Krieg und um Menschen im Krieg des us-amerikanischen Kinos.

Fazit

„American Sniper“ weiß geschickt seine Stärken auszuspielen und hat, natürlich, seine patriotischen Momente. Diese wirken allerdings nur dann pathetisch, wenn sie es auch sein wollen. Das äußert sich auch im Hauptcharakter des Films. Wer Eastwood mag, wird auch von „American Sniper“ nicht enttäuscht werden, auch wenn der Film für entmilitarisierte Mitteleuropäer stellenweise ohne ein wenig Vorwissen oder Reflektieren nach dem Film kleines ein Rätsel bleibt. Genau wie die Menschen jenseits des großen Teichs.

Bewertung: 4 von 5 Sternen.****

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mehr Informationen zu American Sniper findet ihr hier. Der Film ist ab dem 26. Februar in unseren Kinos zu sehen.