Filmkritik zu "Baymax — Riesiges Robowabohu"

  

Im ewigen Wettstreit zwischen Marvel und DC Comics scheint derzeit, zumindest auf der Leinwand, Marvel die Nase vorn zu haben. Eine Position, die Marvel in Zusammenarbeit mit Besitzer Disney, sicher nicht aufgeben wollen wird. Auch wenn DC mit Partner Warner ab 2016 zunächst mit dem „Man of Steel“ Nachfolger „Batman v Superman: Dawn of Justice“ bereits die Messer wetzt.

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Kein Cluster bleibt unbeachtet

Eine, gerade für Disney und dem dort üblichen Franchise-Verhalten, interessante Konsumentengruppe bleibt dem Superheldengenre aber allein auf Grund der doch meist vorkommenden Gewalt und Ernsthaftigkeit verschlossen: Die (in Deutschland zumindest) Unter-12-jährigen. Besonders dieses Zuschauersegment befindet sich zudem noch immer gern im Kino in Begleitung der Eltern und bringt diese (ebenfalls noch immer) dazu, zum Kinofilm gehörende Konsolenspielen, Figuren und vieles weitere zu kaufen. Eine wahre Goldgrube für Disney's dagobert-ducksche Geldspeicheranlagen. Somit lag vermutlich auch der Gedanke nicht fern ein prä-pubertär (und jünger) passendes Werk hervorzusuchen und es gewinnbringend umzusetzen. Dass dieser gewinnsuchende Gedanke im Endeffekt für den Kinozuschauer nichts schlechtes sein muss, zeigt „Baymax — Riesiges Robowabohu“.

Kampfroboter oder Kuschelwesen

Der Titel mag etwas zu kindgerecht klingen, wirkt aber vermutlich auf deutsche Eltern weit weniger abschreckend als der nüchterne Originaltitel „Big Hero 6“. Der US-Titel verrät allerdings direkt, im Gegensatz zu „Baymax“, dem halbwegs Eingeweihten, dass man es hier mit einer Comicverfilmung zu tun hat. Um aus dem Titel „Baymax“ ohne Google diese Information zu ziehen, muss man schon wirklich gut informiert sein oder eben die Comics rund um Team „Big Hero 6“ und Anführer Hiro Takachiho kennen. Dann allerdings würde sich auch ohne weitere Umschweife die erste Sorge um den Erzählansatz von Disney's „Baymax — Riesiges Robowabohu“ breit machen. Im Gegensatz zu der Disney und Pixar Verfilmung ist Baymax nämlich in der Comicvorlage süß-tollpatischiges, künstliches Aufblaswesen, sondern Hiro's Butler, Leibwächter und Chauffeur, der sich dank technischem Know-How in drei unterschiedliche Formen verwandeln kann um Hiro bei allerlei Kampfeinsätzen, Überwachungsmissionen und eben unverdächtig im Alltag zu unterstützen.

Im Film „Baymax — Riesiges Robowabohu“ allerdings ist Baymax eben jenes weiße, knuffige, an einen Marshmellow erinnernde Wesen, dass mit seinem Namensvetter allerhöchstens noch die künstliche Intelligenz gemeinsam hat. Schlussendlich liegt die von Don Hall und Chris Williams (Bolt, Frozen) erzählte Geschichte auch ähnlich fern der Vorlage. Dies allerdings tut dem Spaßfaktor und dem Unterhaltungsniveau von „Baymax — Riesiges Robowabohu“ keinen Abbruch und stellt eine der größten Stärken des Films dar.

Konsequente Motivwahl

Vordergründig bietet „Baymax — Riesiges Robowabohu“ nämlich alles, was ein Superheldenfilm eben bieten muss. Kein Klischee des Genres wird ausgelassen, sogar auf Trainingsmontagen wird nicht verzichtet. Gleichfalls typisch wird in den ersten Minuten den Films eine Ursprungsgeschichte für Hauptheld Hiro geschaffen. Diese muss sich zum einen nicht vor den Ursprüngen anderer Helden verstecken, sondern sollte für kommenden Geschichten um Superhelden als Beispiel dienen, denn sie dient zum anderen als das wichtigste Leitmotiv des folgenden Films. Bis zu letzten Minute. In vielen anderen Filmen des Genres wird ein solches Motiv wie auf einer Checkliste im Verlauf des Films abgehakt und zu den Akten gelegt, wenn es seinen Zweck erfüllt hat. Im Falle von „Baymax — Riesiges Robowabohu“ allerdings wird es dem Zuschauer immer wieder in Erinnerung gerufen und ist ein extrem wichtiges Element, nicht nur für den Plot, sondern insbesondere für Hiro.

Aller Anfang ist schwer

Um auf Spoiler weitestgehend zu verzichten sei zur eigentlichen Handlung nur wenig verraten. „Baymax — Riesiges Robowabohu“ ist in einer Welt angesiedelt, die wie der Film an sich, eine Fusion darstellt. In diesem Fall aus westlich-amerikanischer und fernöstlich-japanischer Kultur und Lebensart, gepaart mit einem ordentlichen Schuss alltagstauglicher Science-Fiction. In dieser Welt lebt Hiro Hamada. Genauer gesagt lebt Hiro in San Fransokyo, einem Ort, der seinem Namen alle Ehre macht. Schon hier zeigt sich erneut das Auge fürs Detail vom Team um Don Hall und Chris Williams. Jedes Mal, wenn die Erzählung zu einer rasanten Rundreise durch die fiktive Metropole einlädt, lassen sich neue Einzelheiten entdecken, die, alle für sich, augenzwinkernde Anleihen an eben Tokio und San Francisco darstellen. Statt sich allerdings für diese Details seiner Heimat zu interessieren, oder sonst etwas „vernünftiges“ mit seinem Leben anzustellen, widmet sich der 14-jährige Hiro lieber illegalen „Bot“ Kämpfen in San Fransokyos Halbwelt. Sein älterer Bruder Tadashi, wenig von dieser Verschwendung an Potential beeindruckt, nimmt Hiro zu seiner technischen-Universität mit und zeigt Hiro dort sein Labor. Hier lernt Hiro dann auch Tadashis Freunde kennen: Gogo Tomago ,Wasabi, Honey Lemon und Fred sowie auch den Roboter Baymax, ein persönlicher Gesundheitsbegleiter, den Tadashi entwickelt hat. Und natürlich Tadashi's Mentor Professor Callaghan. Wenn dann Hiro, um es seinem Bruder nachzutun, Fachkreisen der angewandten Robotik sein neues Werk, die „Micorbots“ auf eine Messe präsentiert, erlangt er nicht nur ein Stipendium an der Universität, sondern bringt auf dramatische Art und Weise die Handlung erst richtig ins Rollen.

Ziemlich weit vorne

Wenn auch „Baymax — Riesiges Robowabohu“ in Sachen Überraschungen und Erzählstruktur nicht mit „Die Unglaubliches — The Incredibles“ mithalten kann und deutlich vorhersehbarer ist, unterhält der Film noch immer auf sehr hohem Niveau. Wie San Fransokyo ist der Film eben eine sehr gut gewählte Fusion. Er ist lustig, aber nicht albern, er enthält Witze, die sowohl von Kindern, Heranwachsenden als auch Erwachsenen verstanden werden, dabei aber nicht bemüht wirken und für jeden Altersbereich auch seinen ganz eigenen Humor bereithält.

Die Animationen bewegen sich zudem auf einem technisch sehr hohen Level. Auch wenn die Modelle der einzelnen Charaktere einfach gehalten sind und an Comicfiguren erinnern sollen, sind sie doch in vielen, kleinen Details den Sprechern (in der Originalvertonung) auf den Leib geschneidert und allein diese Entdeckung bereitet schon wieder Freude. Im Gesamtpaket ist „Baymax — Riesiges Robowabohu“ ein Film, den man einfach nicht verpassen sollte, ob nun Comicfan oder nicht.

Fazit

Grade eben als Freund von unbemühter und hochwertiger Unterhaltung, die es einem Zuschauer einfach macht sich auf einen Film einzulassen, wird man mit „Baymax — Riesiges Robowabohu“ sehr glücklich werden. Aber als auch Film für die ganze Familie, als augenzwinkernde Unterhaltung für Blockbusterfans oder eben als Lehrstück für manchen anderen Superheldenfilm kann sich „Baymax — Riesiges Robowabohu“ sehen lassen. Apropos Superheldenverfilmung: Wer vorher noch nie in einer Marvel-Disney Produktion war, sollte sich nicht wundern, warum zum Ende des Films noch so viele Zuschauer die Credits abwarten. Geduld lohnt sich.

Bewertung: 4 von möglichen 5 Sternen.****

Filmkritik von Julius, 19.01.2015

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Der Film ist ab dem 22.01.2015 in den Kinos zu sehen.