Filmkritik zu "Big Game"

  

Finnland ist ein verdammt gefährlicher Ort. Das liegt nicht an etwaigen, bis an die Zähne bewaffneten Rockerbanden, schwer alkoholisierten und depressiven Ermittlern oder der über die längst nicht mehr so schwer kontrollierte Grenzen Menschen schmuggelnde Verbrechersyndikate aus dem Osten Europas. In erster Linie ist, zumindest wenn es nach seinen Filmen geht, dafür Jalmari Helander verantwortlich.

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This is finnish but not the end

Helander ist seit Ende der 90er in Filmgeschäft aktiv und konnte in seiner bisherigen Laufbahn einige Preise abräumen. Internationale Anerkennung hat er erstmalig mit einem Kurzfilm erhalten, der vielleicht dem ein oder anderen aus den Weiten des Internets bekannt ist: „Rare Exports Inc.“. Dieser geniale Werbestreifen erhielt mit „The Official Rare Exports Inc. Safety Instructions“ 2005 einen kleinen und 2010 schließlich mit „Rare Exports: A Christmas Tale“ einen großen Nachfolger. Letzterer war es schließlich, der Helander die internationale Aufmerksamkeit und Anerkennung einbrachte, die der finnische Filmemacher auch verdient. Hier konnte er sich voll und ganz austoben, vermischte nicht nur die eisige Landschaft seiner Heimat mit einem ironischen und zugleich zynischen Augenzwinkern auf die Gier der Menschheit, sondern verpasste niemand anderem als dem allseits beliebten Weihnachtsmann noch gleich einen sehr düsteren und blutigen Ursprung, der aus Sicht von hochkarätigen Kritikern wie Roger Ebert einen Vergleich mit dem Horrorklassiker „The Thing“ nicht scheuen muss. Obendrein schafften Helander und sein Bruder einen großen, finanziellen Erfolg für das finnische Kino. Trotz des großen Budgets von fast 2 Millionen Dollar konnte der Film, bisher, mehr als das doppelte wieder erwirtschaften. Viel davon über Verkäufe von DVDs und BluRays.

Nun aber läuft mit „Big Game“ der zweite große Film von Helander an. Dieses Mal noch eine ganze Ecke größer als in „Rare Exports: A Christmas Tale“. Denn neben einen, außerhalb Finnlands völlig unbekannten Hauptdarsteller (Onni Tommila) stehen in „Big Game“ niemand anderes als Samuel L. Jackson, Victor Garber und Ray Stevenson vor der Kamera. Erwartungsgemäß liegt dann auch das Budget deutlich höher. Mit 8,5 Millionen Dollar erreicht dieses noch nie dagewesene Höhen für den finnischen Film.

Aber eben einer, der sich nicht zu verstecken braucht.

Finnisch Dynamite

Ganz im Gegenteil. Natürlich bewegt sich „Big Game“ auf dem finanziellen Niveau eines B-Films. Schon zu Beginn des Films kann die Sorge aufkommen, dass genau dieses Budget komplett in der Eröffnungsszene verbrannt wurde. Denn in dieser wird mal eben die Air-Force One über dem finnischen Luftraum zum Absturz gebracht — und zwar so wie es sich für einen amtlichen Actionstreifen gehört. Zum Glück für die freie Welt wird dieser spektakuläre Abschuss vom Präsidenten der Vereinigten Staaten (Samuel L. Jackson) so eben überlebt. Dieser aber sitzt dann auf einmal fest inmitten der extrem ansehnlichen, aber dennoch bitter kalten finnischen Einöde. Zu seinem Glück hängt in dieser grade zumindest eine ihm wohlgesonnene Seele fest. Diese kommt in der wohl unerwartetsten Form, nämlich der eines 13jährigen Jungens (Onni Tommila) daher. Oskari sollte eigentlich seiner Verwandtschaft in Form eines üblichen Ritus beweisen, dass er bald ein Mann wird und hatten vor einfach nur ein Reh zu schießen, stößt aber statt dessen auf die Rettungskapsel des Präsidenten. Aus den beiden formt sich eine explosive, pfeilschießende und sprücheklopfende Allianz, die miesen Terroristen und ihren Handlangern das Fürchten lehrt, sowie den tatenlos zusehenden Regierungsvertretern im Pentagon Respekt abzollt.

Wem das jetzt immer noch zu sehr nach B-Film klingt, dem ist wirklich nicht zu helfen. Helander bezieht natürlich genau daher seine Schaffenskraft und ist deutlich am Actionkino der 80er und frühen 90er Jahre inspiriert. Und natürlich haut Samuel L. Jackson einen Spruch nach dem nächsten raus. Auch mit Logik hat alles nicht viel zu tun. Aber es macht einfach sehr viel Spaß zu sehen, was ein, vergleichsweise kleiner Film leisten kann, so man seinen Regisseur und dessen Team einfach mal machen lässt. Zwar werden die Motive aller Charaktere irgendwie an den Seiten des Spielfelds positioniert, aber hier machen die großen Geschwister dieser Art von Film nun auch keine Gefangenen. „Big Game“ aber schafft es, nicht nur mit einem extrem beeindruckenden Start aufzuwarten, sondern diesem auch noch in Finale einen obendrauf zu setzen. In Sachen absurder Sprengkraft weiß Helander scheinbar sehr genau, was er seinem Publikum bieten muss. Bis auf die Momente, die sich um den Krisenstab des Pentagons drehen, sind alle anderen Szenen vor der beeindruckenden, finnischen Winterlandshaft geschossen und unterstreichen, wie gekonnt Helander mit dem kleinen Budget von „Big Game“ jongliert hat. Oskari und der Präsident spazieren durch jene, erledigen ein ums andere Mal Hindernisse und Handlanger und tauschen sich dabei, ganz nebenbei, über ihre eigenen Probleme zwischen Angst vor dem Erwachsenwerden und den Widrigkeiten des Präsidentenseins aus. In einem solchen Film ist es dann auch völlig in Ordnung, dass der Oberböse einfach nur ein echt mieser Typ ist — Gründe müssen hier wirklich nicht genannt werden. „Big Game“ versucht halt erst gar nicht eine komplexe und meist ja eh nicht sonderlich glaubwürdige Hintergrundgeschichte zu installieren, sondern gibt den Zuschauern eben, was diese wollen. Im Falle von „Big Game“ eben Action feinster Manier im Schnee, einen fluchenden Präsidenten, Kommentatoren, die alles nur trocken und hilflos von ihren bequemen Sesseln aus beobachten können und einen kleinen jungen, der dem internationalen Terror mit Pfeil und Bogen zeigt, wo in Finnland der Frosch die Locken hat.

Fazit

Es wäre überzogen zu sagen, dass sich Fluchen, Schießen und Prügeln nicht im Laufe des Films ein wenig an den Rand der Erschöpfung rennt. Aber Helander schafft es in „Big Game“ die an ihn und seinen Film gerichteten Erwartungen zu erfüllen, ohne sich dabei an auch nur einer Stelle zu übernehmen. Den Darstellern sieht man an, dass alle, durch die Bank Spaß daran hatten sich in einem Film wie „Big Game“ austoben zu können. Hiervon kann sich Hollywood eine gewaltige Scheibe abschneiden. Wer den Tagen der absurden Schießereien und sinnbefreiter, dennoch endlos unterhaltsamer und lustiger Actionunterhaltung nachtrauert, dürfte mit „Big Game“ einen Film gefunden haben, der sein (oder ihr) Herz höher schlagen lässt. Big Game startet am 18. Juni in unseren Kinos.

Bewertung: 4 von 5 Sternen.****

Filmkritik von Julius, 13.05.2015