Filmkritik zu By the Sea

  

Angelina Jolie und Brad Pitt. In einem Film. Mal wieder. Und Regie führt niemand geringeres als Angelina Jolie persönlich. Inzwischen firmiert sie als Angelina Jolie Pitt. Klingt wie ein filmischer Egotrip, oder?

bye the sea szenebild jolie pitt

Oben: Szene aus By the Sea: Jetzt (10.12.2015) im Kino

Gegen den Trend — Mit dem Trend

Wenn sich Prominente aller erster Güte hinter die Kamera wagen, dann wird, nicht zu Unrecht, oftmals als Resultat ein Werk erwartet, welches einzig dem Ego des Künstlers dient und sicherlich so niemals produziert worden wäre, hätte irgendwer anderes, mit weniger großem Namen, es realisieren wollen. Mit „Unbroken“ und „In the Land of Blood and Honey“ hatte sich Angelina Jolie als Regisseurin angenehm von diesem Trend abgehoben. Weder trat sie in einem ihrer beiden ersten Werke vor der Kamera in Erscheinung, noch wendete sie sich sonderlich „einfachem“ Material um seiner Selbst willen zu. In „Unbroken“ widmete sie sich den Qualen eines us-amerikanischen Kriegsgefangenen im 2. Weltkrieg und „In the Land of Blood and Honey“ dem Bürgerkrieg in Bosnien. Beide Male mit viel Respekt dem Material und historischen Kontext gegenüber und beide Male mit hohen cineastischen Ambitionen. Dies im Hinterkopf versetzt den routinierten Kinobesucher dann doch in Erstaunen, sieht er oder sie sich mit den Fakten auf dem Papier von „By the Sea“ konfrontiert. Unter Regie steht erstmals „Angelina Jolie Pitt“ und sowohl sie als ihr noch berühmterer Ehemann Brad Pitt finden sich in den Hauptrollen wieder. Obendrein entpuppt sich „By the Sea“ innerhalb kürzester Zeit als eine so grenzwertige und kaum ertragbare Studie in Maßlosigkeit alle jene Dinge betreffend, auf die Angelina Jolie in ihren ersten beiden Filmen verzichtete, dass ganz weit hinten im Oberstübchen die Hoffnung verbleibt, es hier mit einer extrem komplizierten Parodie zu tun zu haben.

Musterehen

Angelina Jolie und Brad Pitt mimen in diesem Schauwerk an Vergänglichkeit das Paar Vanessa und Roland. Wenn sich der erste Vorhang für der in den 70er angesiedelten Geschichte lüftet, dann düsen die beiden in schniekem Vehikel über eine kurvige französische Küstenstraße entlang mediterraner Kulisse in ein kleines, entlegenes Küstenstädtchen hinein, um dort einen verlängerten Hotelaufenthalt anzutreten. Die Aussicht, für die es sich zu sterben lohnt, ist selbstverständlich inklusive. Er ist ein Autor mit einst vielversprechender Karriere, der nun aber mehr Zeit damit verbringt seinem Umfeld zu erzählen, er sei Schreiber als tatsächlich zu schreiben. Sie war einst eine Tänzerin, hat sich nun aber aufs Rumliegen, Pillen schmeißen und allgemeines Geringschätzen konzentriert. Roland und Vanessa sind seit 14 Jahren verheiratet. Als Kinozuschauer unmöglich zu glauben, möchte man sie doch schon nach wenigen Minuten von ihrem Leid erlösen und ihnen einfach die beiden edlen Hälse umdrehen. Nichts hält die beiden zusammen, als ihr extrem glamouröser Look und die Erklärung für all ihre Probleme, die sie, oh Wunder, uns bis zur emotionalen Klimax dumm-dreist vorenthalten.

Aber dann tritt endlich Ablenkung in ihre erstarrten Leben, in Form von Lea (Mélanie Laurent) und Francoise (Melvil Poupaud), einem jungen Paar, das im selben Hotel mit traumhaftem Ausblick nur ein Zimmer weiter seine Flitterwochen verbringen will. Vanessa hat, erwartungsgemäß, kein Interesse an den beiden. Doch dann entdeckt sie ein verstecktes Guckloch in der Wand und beginnt das frisch verlobte und schwer verliebte Pärchen beim Vögeln oder anderweitig an einander Herumspielen zu beobachten. Kurze Zeit später entdeckt auch Roland den geheimen Einblick in das benachbarte Zimmer. Vanessa und Roland haben endlich wieder eine Gemeinsamkeit, beobachten beide ihre Nachbarn Stunde um Stunde, Tag um Tag und erhaschen einen Blick auf das Leben, welches sie einst hatten. Als das Eis zwischen Roland und Vanessa zu schmelzen beginnt, treten natürlich Dinge aus der Gefrorenheit in Erscheinung, die besser dort geblieben wären und alles droht ein bitteres Ende zu nehmen — für Roland und Vanessa und Lea und Francoise.

Langweil mich

Das Konzept des Films ist keines, das neu ist. Ein Paar am Ende erlangt seine Anziehung durch Voyeurismus und ein anderes Paar zurück, aber genau dieser wichtige Punkt der Handlung tritt erst sehr spät in Erscheinung und obendrein zeigt Angelina Jolie nur wenig Interesse sich ihm überhaupt zu widmen. Statt dessen präsentiert sie viel lieber Tableau um Tableau von Roland und Vanessa, wie sie in ihrer Langeweile verharren. Für sich genommen sind die beiden sogar irgendwie wunderschön in ihrem traurigen Dasein, es schlagen aber so überhaupt gar keine Funken, wenn sie aufeinander losgehen. Genau wie in „By the Sea“ allgemein dreht es sich nur um Fassade und so können 132 Minuten sich anfühlen wie eine Ewigkeit. Und wenn dann die erlösende Aufklärung aller Leiden kommt, dann ist sie so generisch, sie fühlt sich an wie eines Henkers stumpfestes Beil.

Es ist das erste Mal, dass sich Jolie (Pitt) ihrer Selbst als Regisseurin widmen muss und sie als Schauspielerin tut sich als Regisseurin keinen Gefallen damit. Einen großen Teil ihrer Spielzeit wirkt sie absolut gleichgültig und wenn sie dann endlich wieder auf ihre Hacken findet, dann schlurft sie durch die Produktion, als würde alles Leid der Welt auf ihren Schultern ruhen. Nicht einmal jedoch lässt sich ein Blick auf die Schauspielerin erhaschen, als die sie bekannt ist. Immerhin macht sie deutlich, dass emotionale Qualen keinen Einfluss darauf haben, exquisite Garderobe und feinstes Make-Up in jedem Moment vorzuführen. Brad Pitt kommt nur unwesentlich besser an. Allerdings steckt er auch in einem Charakter fest, der außer ein paar spitzen Noten einfach nicht weiter entwickelt wurde. Laurent und Poupaud hingegen sind ganz ansehnlich im Schauspiel, aber die beiden haben ja auch etwas zu tun bekommen durch das Drehbuch.

Fazit

„By the Sea“ sieht toll aus. Kameramann Christian Berger braucht sich nicht zu verstecken. Aber das schickste Interieur ist kein Ausgleich für flachste Erzählkunst. „By the Sea“ lässt einen kalt und uninteressiert zurück. Eventuell lässt der Film den Wunsch aufkeimen, Frankreich genau dort zu besuchen, wo „By the Sea“ gedreht wurde. Kleiner Tipp: Es ist Malta.

Bewertung: 1 von 5 Sternen.*

Filmkritik von Julius, 10.12.2015