Filmkritik zu "Criminal"

  

Irgendwie scheint „Criminal“ ein Film zu sein, der zu uns durch kosmische Kanäle gelangt ist und eigentlich vom Hollywood einer parallelen Welt produziert wurde. Eine, in der es klug erscheint aus der Kurzgeschichte „Blumen für Algernon“ von Daniel Keyes einen Actionstreifen im Stile von „Taken“ zu machen. Mit viel Gewalt natürlich. Gut, zugegeben, das würde auch hier funktionieren. Aber dann stehen da noch immer die Namen Gary Oldman, Tommy Lee Jones, Ryan Reynolds, Gal Gadot und ganz vorne Kevin Kostner. Letzterer wurde obendrein für eine Rolle gecastet, die Nicolas Cage wie auf den Leib geschrieben scheint. Und das wirklich nicht auf die beste Weise.

criminal szenebild

In unseren Kinos ist "Criminal" erst am 07. Juli 2016 zu sehen.

Im Körper eines Fremden

Trotz dieser vordergründigen Starpower, die den Cast umschmeichelt, wird „Criminal“ auf dem US-Markt wohl kläglich versagen. Grund dafür ist gar nicht mal die kreuzdumme, dennoch recht unterhaltsame Handlung, sondern einfach der generische Mix. Hierzulande und auf dem VOD Markt hingegen könnte die scheinbare Kultigkeit einiges auffangen und einen kleinen Erfolg bescheren. Der Grundtenor lädt nämlich bereits zum Schmunzeln ein. In Ariel Vromens „Criminal“ spielt Kevin Costner einen Hillbilly-Schwerverbrecher und Vollzeit-Soziopathen, dem die Erinnerungen eines toten CIA Agenten eingepflanzt werden. Drei Tage hat diese nun Zeit eine Verschwörung von internationalen Ausmaßen aufzulösen, die Bedeutung von Liebe und Verantwortung zu lernen. Danach ist der Schatten des Fremden im Körper dahin. Leider endet der Film Laterne unten. Dort, wo es sauer ist und komisch riecht. Die Geschichte entpuppt sich als mürrisch und schwergängig ohne wirklichen Witz. Spannung entsteht kaum und sonderlich viel Mühe gibt sich „Criminal“ an kaum einer Stelle. Einzig die Hochkaräter im Cast versuchen „Criminal“ Wertigkeit zu verpassen.

Neben Costner in der Hauptrolle ist zunächst einmal Platz für Reynolds als Bill Pope, einem Agenten an vorderster Front. Der ist eigentlich in eine äußerst delikate Mission in London verwickelt, die von seinem Chef Quaker Wells (Gary Oldman) daheim in Langley mit Argusaugen überwacht wird. Aber der anarchistische Industriekapitän Xavier Heimdahl durchkreuzt mit technischen Spielereien den Plan, alles geht schief und Pope bezahlt dies mit dem Leben.

Gute Planung ist alles

Schnell stellt sich heraus, dass Popes Mission darin bestehen sollte einem wieseligen Hacker aus Holland Lösegeld zu überbringen. Dieser Hacker (Michael Pitt) ist ein extrem schwitziger Typ mit keinem Händchen für die Wahl seines Spitznamen. Dieser lautet nämlich einfach nur „Der Holländer“. Dummerweise kennt einzig Pope seinen Aufenthaltsort, da ja Heimdahl die Verbindung zu Wells unterbrochen hat. Wells nun schaltet den super-experimentellen und noch experimentierfreudigeren Dr. Franks (Tommy Lee Jones) ein. Franks, im Gegensatz zum Holländer ist kein Schweißtröpfchen zu entlocken. Dabei hätte er allen Grund dazu. Immerhin hat er zwar eine extrem tolle Methode entwickelt, wie sich Erinnerungen vom einem menschlichen Gehirn auf ein anderes übertragen lassen, aber er und „Criminal“ vergessen völlig mit hinreichenden Details begründen, warum für die Übertragung von Popes Erinnerungen und den darin enthaltenden Geheiminformationen nur der Brutalinski und Berufsverbrecher Jerico Steward (Kevin Costner) in Frage kommt. Das macht aber nichts, es fragt nämlich auch keiner nach, denn die Zeit ist knapp in „Criminal“. Und so darf Costner einen Typen spielen, dessen Kopfverletzung aus Kindertagen es unmöglich macht Empathie zu empfinden. Costner versucht dieser Rollen, Hut ab, Tiefgang zu verleihen, aber Cage wäre perfekt gewesen und hätte auch umgekehrte Erfahrung mitgebracht.

Die komplizierte OP läuft flott ab und hätte eventuell auch vom Pförtner mit einem Löffel erledigt werden können. Aber Jerico scheint sich zunächst an nichts Popeskes erinnern zu können, Wells hat eh keine Lust und befiehlt den Rezipienten der streng geheimen und einmaligen Information entsorgen zu lassen. Doch Frank mogelt seiner Kreation ein leckeres Pillchen zu, in Jerico erwachen die Superagententalente und es zieht in mordend in die Straßen der britischen Hauptstadt.

Nur knallen muss es

Hier entdeckt „Criminal“ dann kurz seine komische Ader. In Jericos Körper prallen der Superagent Pope und der Straßenschäger aufeinander. Plötzlich bestellt Jerico ein Frühstück in lupenreinem Französisch, aber schlägt dafür kurz darauf wieder aufs Brutalste britische Passanten zusammen. Obendrein fällt im Popes alte Adresse ein (und der dazugehörige Sicherheitscode). Dort angekommen will Jerico eigentlich Popes Witwe Jill (Gal Gadot) vergewaltigen, stellt aber fest, dass eine Flut von ihm völlig unbekannten Emotionen verhindern Jill und ihrer Tochter Emma (Lara Decaro) etwas anzutun.

Der Rest von „Criminal“ besteht aus einer Reihe von Sets, in denen Jerico sowohl dem CIA als auch einer Reihe von völlig überzeichneten europäischen Handlangern entkommt und versucht die verwirrenden Hinweise und Emotionen in seinem Kopf zu verstehen. Regisseur Vromen versucht dabei eindeutig Paul Greengrass „Bourne“ zu imitieren, lässt immer wieder zwischen eigentlicher Action und Überwachungskameras hin und her schneiden, setzt auf Handkamera und passantischer Wahrnehmung, aber sorgt leider für mehr Verwirrung beim Zuschauer als für Spannung. Immerhin versteht man so den armen Jerico ein wenig besser. Vromen versucht sich und „Criminal“ dann mit einem sensorischen Bombardement zu retten. In den Schießereien donnert jeder Schuss wie ein Kanonenschlag und Blut spritzt in jede Ecke und jeden Winkel.

Die diversen Schusswechsel immerhin sind schon flott und schmissig. Actionaffiniados kommen in diesen Momenten auf ihre Kosten. Leider will „Criminal“ aber unbedingt mehr und so endet alles weit außerhalb der Möglichkeiten und versucht sich plump im Schwimmerbecken philosophischer Tiefen. Leider ohne Schwimmflossen und Rettungsring. Jerico erfährt Empathie und Hingabe zu Popes Familie, begreift aber zugleich, dass er bald wieder ganz der alte Soziopath, unfähig für diese Gefühle, werden wird. Gadot und Costner geben einiges um diese merkwürdigen Szenen zu transportieren, aber die Drehbuchautoren Douglas Cook und David Weisberg haben ihnen einfach nicht genug Material und Raum gelassen. Ihr Fokus liegt eben auf typischer 90er Action. Leider haben sie aber den charmanten Humor von Genreklassikern wie Michael Bays Glanzleistung „The Rock“ vergessen.

Fazit

Hätte, könnte, wollte. „Criminal“ hat davon eine ganze Menge. Wären nicht die recht kreativen Schusswechsel und Darsteller, die versuchen aus nichts zumindest etwas zu machen, „Criminal“ wäre keine Beachtung wert. So werden zumindest Actioneerbegeisterte etwas glücklich werden.

Bewertung: 2 von 5 Sternen.**

Filmkritik von Julius, 11.04.2016