Filmkritik zu Crimson Peak

  

Ein verfallenes Anwesen, ein altes Geschlecht in dem nicht mehr alle Silberlöffel in den mentalen Schubladen ruhen und eine belesene Heldin. Für Guillermo del Toro perfekte Arbeitsgrundlage. Doch irgendwie will Hollywood grade seine Filme als etwas vermarkten, das sie gar nicht sind noch sein wollen. Für „Crimson Peak“ gilt dies noch mehr als für „Pans Labyrinth“.

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Crimson Peak ist ab heute (15.10.2015) im Kino zu sehen. Trailer, Bilder & Poster findet ihr hier.

Fehlerhaftes Marketing

Manchmal ist der glücklich (oder die), die sich mit einem Produkt, bevor es das Licht der Welt (mit Welt ist natürlich die Kinoleinwand gemeint) erblickte, nicht wirklich beschäftigt hat. In meinem Fall gilt dies für „Crimson Peak“. Im Nachhinein, nach Durchsicht der Trailer und der Vorberichte, lässt sich folgendes zunächst festhalten: Sollte Guillermo del Toros Schauermärchen an den Kassen scheitern, dann ist das Marketing Schuld. Beworben wurde der Augenschmaus als Horror-Film. Tatsächlich ist die eigentliche Handlung eine blutige Geschichte um die Macht der Liebe. Sie kann aus Menschen Engel machen und Dämonen. Del Toro selber sagt über sein jüngstes Werk, es würde auf die Weltsicht von weiblichen Bücherwürmern von rund 14 Jahren anspielen. Inhaltlich findet sich eine deutliche Parallele zu Guillermo del Toros früheren Werken. Zwar mag einem bei der märchenhaften Erzählung direkt „Pans Labyrinth“ einfallen, aber die Ähnlichkeit zu „The Devil’s Backbone“ ist viel deutlicher. Anstatt der Schuld eines Landes stehen hier die Sünden einer Familie im Fokus — und deren Auswirkungen auf ihre Gegenwart. Wenn dies schon mehr tragisch als erschreckend klingt, dann ist der Ton von „Crimson Peak“ gut getroffen. Es herrscht immer wieder eine gruselige Atmosphäre in dem verfallenden Haus auf rotem Lehm erbaut. Aber die erschreckensten Momente finden zu Beginn statt. Aus Sicht eines Horror-Films geht es mit „Crimson Peak“ danach stetig bergab.

House on Haunted Hill

Die Heldin des Films ist Edith Cushing (Mia Wasikowska), eine aufstrebende Autorin aus der Neuen Welt. Wird sie mit Jane Austen verglichen, so rümpft sie die Nase und führt an Mary Shelley sei doch viel angemessener. Die junge und selbstbewusste Heroin trifft nun eines Tages, während sie im Büro ihres überreichen Vaters an ihrer nächsten Geschichte schreibt, auf den angemessen anämischen Adligen Thomas Sharpe. Der verarmte Aristokrat hat kaum mehr als seinen Titel und obwohl sich Edith lieber hinter Büchern als auf Bällen sieht, verfällt sie dem romantischen Baron. Thomas und seine Schwester Lucille finden schnell Aufnahme in den sozialen Kreisen der Cushings. Nur kurze Zeit später hält Thomas um Ediths Hand an und überredet sie mit ihm Allerdale Hall, den Stammsitz seiner Familie aufzusuchen. Hier muss sich unsere Heldin nicht nur mit allerlei Spukgestalten herumschlagen, sondern auch mit dem dünnlippigen Hass von Thomas Schwester. Der Zuschauer aber lernt ab diesem Punkt den wahren Hauptdarsteller kennen: Allerdale Hall.

„But evil things, in robes of sorrow - Assailed the monarch's high estate.“

Dieses Wunderwerk des Setdesigns, ist nicht im Computer geschaffen, sondern wurde von Handwerkern und Kulissenbauer in mühevoller Kleinstarbeit geschaffen. Zu Recht ist es der heimliche Hauptdarsteller von Guillermo del Toros Grusel-Augenschmaus „Crimson Peak“. Laut Angaben des Regisseurs steht im Hintergrund ein Gesamtbudget von knappen 50 Millionen US-Dollar. Ein Summe die bei dieser Qualität erstaunlich gering erscheint. Die viktorianische Ära spricht aus jeder Spitze, das Licht hat eine leicht romantische Juwelfärbung. Fast scheint es, als Mario Bava irgendwo in den 60er Jahren im Auftrag von Disney ein Grusel-Anwesen samt Bewohnern geschaffen und Del Toro hätte es erst jetzt wiedergefunden.

Auch die Kostüme der Akteure betonen nicht nur die Genauigkeit der Designer um Kostümchefin Kate Hawley (ihre Arbeit gab es zuletzt in „Edge of Tomorrow“ zu bewundern und teilweise in der Hobbit-Trilogie), sie unterstützen hervorragend die Züge der Charaktere. Grade bei den weiblichen Hauptcharakteren funktioniert dies exzellent, ob nun Wasikowska im weißen Nachtgewand oder Chastain in üppigem Samt und Seide.

Aber auch hier weiß sich Allerdale Hall wieder in den Vordergrund zu drängen. Denn hier ist wirklich jedes Detail durchdacht und wird für die Dramaturgie eingesetzt. Das verfallende Anwesen ruht auf einem Hügel aus wertvollem roten Lehm. Dieser ist so reichhaltig, dass ein Wanderer auf dem Weg zu Allerdale Hall blutrote Abdrücke im Schnee hinterlässt. Die Blätter, die durch das Loch in der Eingangshalle herabsegeln sind nur eines von vielen weiteren Spielereien. Sie werden perfekt durch den rauchigen Atem der geisterhaften Bewohner des Hauses imitiert.

Schauspielerisch ist es Jessica Chastain als Lucille Sharpe die wirklich zu glänzen vermag. Sie ist eiskalt, blinzelt kaum und tänzelt unablässig am Rande des Wahnsinns. Sie ist ein wirkliches Monster, eine Psychopathin allererster Güte. Wenn sie die wehrlose Edith mit Porridge füttert, dann kratz sie schmerzhaft mit dem Löffel jedes Mal an der Oberfläche der Porzellanschale entlang. Dazu berichtet sie ihrem Opfer von den gewalttätigen Ausbrüchen ihres missbräuchlichen Vaters. Eine schauspielerische und dramaturgische Hochleistung. Leider können weder Mia Wasikowska als Edith noch Tom Hiddleston als Thomas mithalten. Erstere bekommt zwar von Del Toro und seinem Co-Autor Matthew Robbins einiges an Material, aber leider ist dies meist eine Wiederholung des schon sehr präsenten „Jungfrau in Nöten“-Themas. Hiddleston wiederum bietet zwar als einziger nackte Haut, in „Crimson Peak“ fungiert aber ansonsten einzig und allein als Plot-Device.

Fazit

Vermutlich ist es schwer bis unmöglich vor solche einem Hintergrund eine angemessen gute Geschichte zu erzählen. Vielen Zuschauern dürften sich die psychosexuellen Twists von „Crimson Peak“ schon im Vorfeld ankündigen, denn sie werfen wirklich lange Schatten voraus. Aber eigentlich will „Crimson Peak“ auch eben nicht unbedingt überraschen, der Film will mit opulenter Optik unterhalten und ein Märchen für Erwachsene erzählen. Dies gelingt ihm auch recht ansehnlich. Für Fans von viktorianischen Bällen, dezenten Grusel- und Gespenstergeschichten irgendwo zwischen Bram Stoker und Jane Austen oder dem Hauch alter Hammer-Studio Filme bietet „Crimson Peak“ fast alles, was erwünscht sein dürfte.

Bewertung: 4 von 5 Sternen

Filmkritik von Julius, 15.10.2015