Filmkritik zu "Die Augen des Engels"

  

Kreative Schaffensprozesse filmisch darzustellen ist an sich schon nichts leichtes. Viel davon findet ausschließlich im Kopf des Künstlers statt. Schwerer noch als bei Musik oder Malerei wird dies, wenn das eigentliche Werk gar nicht gezeigt werden kann, da sich der Künstler ja noch in der Findungs- oder Recherchephase befindet, also sich erst mit dem Stoff auseinandersetzt. Wenn sich der Künstler, der Zentrum eines Films sein soll, dann nicht nur einen Film als Medium erkoren hat, sondern obendrein sich inhaltlich auch noch mit einer extrem nah an einen realen und aktuellen Mordfall angelegten Angelegenheit beschäftigt, dann kann es schnell unübersichtlich und verworren werden.

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Bild oben: Szene aus "Die Augen des Engels". Mehr Bilder, Trailer, das Filmplakat etc. gibt es hier. Kinostart ist am 21.05.2015.

Die Causa Knox

Dieser verschachtelte Ansatz hinter der Verfilmung des „New Journalism“ oder „True Crime“ Werks „Angel Face“ von Barbie Latza Nadeau klingt unnötig kompliziert. Allerdings wird das grade der Grund gewesen sein, warum Michael Winterbottom das Drehbuch aus der Feder von Paul Viragh (Sex & Drugs & Rock & Roll, Penelope) verfilmen wollte. Winterbottom ist ein großer Freund von unkonventionellen Erzählungen und konnte mit solchen seinen Ruf als einer der besten britischen Filmschaffenden zementieren. Die Erfolge von Filmen wie „Welcome to Sarajevo“, „Wonderland“ und „24 Hour Party People“ geben diesem Ruf auch Recht und Gewicht. Allerdings liegen sie auch alle schon eine ganze Weile zurück. Und „Die Augen des Engels“ sind nicht das erste Mal, dass sich Winterbottom mit einem Film in einem Film beschäftigt. Bereits 2005 tat er dies in „A Cock and Bull Story“. Dort konnte er sich auf das komödiantische Ausnahmetalent Steve Coogan verlassen, mit dem Winterbottom in den vergangenen Jahren sowohl fürs Kino als auch für TV-Produktionen mehrfach zusammengearbeitet hat.

In „Die Augen des Engels“ gibt es nun aber wenig bis gar nichts zu lachen. Immerhin dreht sich alles um den grausamen Mord an einer jungen Studentin. Diese wurde zwar nicht, wie im Fall von Meredith Kercher, in Perugia umgebracht, sondern im benachbarten und optisch bekannteren Sienna und natürlich wurden die Namen aller Beteiligten geändert. Jedoch ist die Vorlage unbestreitbar der Bericht, den die Newsweek und Daily Beast Journalistin ab dem ersten Tag des ersten Prozesses um Amanda Knox und ihren Freund Raffaele Sollectio verfasste. Im Gegensatz zu der Vorlage hat aber „Die Augen des Engels“ mit einer typischen „True Crime“ Geschichte, wenig bis kaum Ähnlichkeit. Und sind wir mal ehrlich, der einzige, der ein solches Ereignis wirklich darstellen konnte, war Truman Capote. Nach „Kaltblütig“ hatte selbiger es nie wieder über sich gebracht auch nur einen Roman zu beenden. Was ein deutliches Zeichen für die Intensität solcher Begebenheiten und all ihrer Tragweite auf die zerbrechliche menschliche Psyche sein sollte.

Schachteln in Schachteln

Nun heißt Amanda Knox in „Die Augen des Engels“ Jessica Fuller (Genevieve Gaunt). Ihr Opfer heißt nicht Meredith Kercher, sondern Elizabeth Pryce (Sai Bennett). Der Film selber aber dreht sich um Thomas Lang (Daniel Brühl). Lang ist Regisseur, seine Karriere ist ins Stocken gekommen und von seiner Familie hat er sich entfremdet. Nur zu seiner Tochter hat er regen Kontakt via Skype. Lang möchte die Geschichte des Mordes erzählen, er möchte die Geschichte hinter dem Mord erzählen. Er möchte mit dem Feuer in der blutigen Tat seine Karriere neu entfachen. Er möchte die Wahrheit zeigen. Aber er sagt auch „Du kannst die Wahrheit nur erzählen, wenn du sie in Fiktion verwandelst“. Und diesen Rat hat sich Winterbottom zu Herzen genommen. Das Ergebnis ist ein Film, der Verwirrung stiftet. Das ist für manche sicherlich interessant und kann als anspruchsvoll verstanden werden, für die meisten ist es aber eben nur eines: verwirrend. Winterbottom liebt solche Erzählungen. Sicherlich auch ein Grund dafür, warum seine Filme an den Kinokassen oft unter den in sie gesetzten finanziellen Erwartungen operieren. In „Das Gesicht des Engels“ verbinden sich nun Wahrheit, Kreativität, Kritik an reißerischem Journalismus und die Angst vor der eigenen Midlife-Crisis. Das klappt meist, geht sogar in wenigen Momenten ziemlich gut, schafft es aber leider nicht, sich über die fast 2 Stunden Filmlänge zu retten.

Was Winterbottom in jedem Fall unbestreitbar gut macht, ist Sienna in Szene zu setzen. Wer jetzt auf Anhieb nichts mit Sienna anfangen kann: Die Stadt habt Ihr sicherlich noch aus dem Anfang von „Ein Quantum Trost“ in lebhafter Erinnerung. Die Aura der toskanischen Stadt mit ihren mittelalterlichen Straßen, den engen Gassen, überhängenden Balkonen und ihren labyrinthischen Aufbau trägt viel zum Gefühl und zum Verständnis des Films bei. Obendrein verleiht sie eine irgendwie gruselige Stimmung.

Was ebenfalls verständlich gelingt, ist es seine Akteure in Szene zu setzen. Eine Gruppe von Journalisten, die mit der Berichterstattung zum Mord betraut sind und mit denen Lang sich verbunden fühlt, mit einer von ihnen, Simone Ford (Kate Beckinsale) beginnt Thomas sogar ein Verhältnis. Dabei ist es ihr Buch, dass er adaptieren soll.

Diese Adaption allerdings wird schwerer und schwerer. Lang ringt mit den Fakten und den Einflüssen, strebt nach höherem und will am liebsten Dante und sein berühmtes Inferno mit einweben. Lang ringt mit sich und seinen Produzenten, die nur einfach das Buch verfilmt haben wollen. Und so ringt „Die Augen des Engels“ auch mit sich. In den schwächsten Momenten ist der Film nicht viel besser als der Medienzirkus, der sich um Amanda Fox und die ermordete Meredith Kercher entwickelte. In den besten kommt er fast an „Don't Look Now“ von Nic Roeg heran.

Fazit

Das der Fall Knox Ende März einen endgültigen Abschluss gefunden hat, hat zumindest in England den Erfolg von „Die Augen des Engels“ beflügelt. Wer sich hierzulande mit dem Fall beschäftigt hat, wird sicher nicht schlecht fahren, einen Blick in „Die Augen des Engels“ zu werfen. An sich ist der Film kein schlechter, es ist aber auch einer, der es einem nicht leicht macht. Und dafür irgendwie erstaunlich wenig Belohnung offeriert.

Bewertung: 3 von 5 Sternen.***

Filmkritik von Julius, 08.05.2015