Filmkritik zu "Ex Machina"

  

Das, was Science-Fiction im tiefsten Kern ausmacht, ist etwas, das es nur sehr selten schafft auf die Leinwand gebracht zu werden. Zu sehr ist diese kommerzielle Projektionsfläche mit Sensation und Spektakel beschäftigt. Und das Innerste von Science-Fiction ist für derartiges Getöse von viel zu flüchtiger Substanz. Denn bei Science-Fiction dreht es sich eigentlich um Ideen.

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Mit Irren allein im Gebirge

Und so ist das, was wir normalerweise zu sehen bekommen maximal ein Produkt mit Science-Fiction-Geschmack. In Normalfall bedeutet diese einige futuristische Gimmicks, ein ultramodernes Produktdesign und einige meist satirische oder soziologische Beobachtungen und Betrachtungsweisen der Menschheit. Der Rest schlussendlich hat nichts mit Wissenschaft zu tun, sondern ist schlichtweg ausgedacht, suggeriert allerdings ebenfalls dazu zu gehören. Bevor jedoch sich in Filmen genauer mit den echten Science-Fiction-Elementen beschäftigt werden kann, werden diese links liegen gelassen. Aus Angst den Zuschauer zu sehr zu befremden oder schlicht und ergreifend zu langweilen. Dann wird wieder Action, Horror oder Drama der Vorzug gegeben und alle Beteiligten haben schnell vergessen, was denn noch gleich dieses „Ungewöhnliche“ war, in dem es gehen sollte.

„Ex Machina“, das Regie-Debüt von (Dreh- und Buchautor) Alexander Garland (28 Days Later, Sunshine), ist eine erfrischende Ausnahme zu dieser Norm. Alles beginnt zwar wie ein Thriller um einen jungen Programmierer (Domhnall Gleesoon) und einen charismatischen, frankensteinschen Entwickler (Oscar Isaac), sowie der Erkenntnis des ersteren, dass das Trachten nach der Erschaffung wahrer künstlicher Intelligenz einen besorgniserregende und sogar krankhaften persönlichen Beweggrund hat. Aber selbst während sich die Beziehungen im Film immer komplizierter auftürmen, wenn sich die Schrauben enger ziehen und man meint Schrecken und Gewalt wären die nächste, logische Konsequenz der Handlung, selbst dann verliert „Ex Machina“ nie aus den Augen, um was es eigentlich geht. „Ex Machina“ ist einer der wenigen komplett kommerziellen Filme, die in jeder Szene, in jeder Sequenz und in jeder Komposition die Themen des Drehbuchs stützen und weiter vertiefen — was zu der letzten Konsequenz führt, dass am Ende alles deutlich weniger vorhersehbar erscheint. Der gerechte und unausweichliche Charakter von Mythen, Legenden, der Bibel und eben Kino sieht anders aus.

Im Trubel der Ereignisse

Zur Handlung wollen nun nicht zu viele Details verraten werden. Der Wissenschaftler Nathan hast den jungen Programmierer Caleb in sein entlegenes Labor/Haus in ein bewaldetes Berggebiet gebracht und den jungen Mann beauftragt sich mit dem Prototypen des „weiblichen“ Roboters Ava (Alicia Vikander) zu beschäftigen um herauszufinden, ob sie wirklich über Selbsterkenntnis verfügt oder ob dies alles nur eine besonders clevere Simulation ist. Dieser gesamte Handlungskomplex ist bereits sehr intim. Die Charaktere können nirgends so einfach hin und sind einander in gewissen Maße ausgeliefert. Bisweilen so sehr, dass es sie zu ersticken droht was sich alles so in und um Nathans bunkerhafte Heimstatt abspielt. Diese modernistische Festung mit dem Charakter eine Junggesellenbude ist komplett von der Außenwelt abgeschnitten und viele seiner Räume lassen sich mit Calebs Keykarte gar nicht erst öffnen.

Der Aufbau von dem, was die Handlung dann im hohen Maße bestimmt, ist mit extremer Präzision beschrieben. Die Gespräche von Caleb und Ava werden diskret als eine Art Buchkapitel vorgeführt. In Kombination mit der klaustrophobischen Stimmung in dem Zementklotz in Mitten von Bergen erinnert dies nicht von ungefähr an „The Shining“. Diese Sektionen werden dann immer wieder durchsetzt mit Szenen zwischen Caleb, Nathan und Nathans Freundin/Konkubine Kyoko (Sonoya Mizono), einen beinah stummen und zerbrechlich wirkendem Wesen, welches die beiden Männern wie ein Geist zu umkreisen scheint.

Die Gesellschaft und was wir draus machen

Da fast alles weitere innerhalb der Handlung rückblickend Sinn ergibt, während der ersten Wahrnehmung aber voller Überraschungen steckt und an jeder Ecke zu verblüffen weiß, soll hier nichts weiteres verraten werden. Zu gut ist „Ex Machina“. Aber „Ex Machina“ reiht sich nahtlos als wunderschöne Erweiterung in Garlands bisherige Arbeit als Filmschaffender ein. Von seinen Arbeiten mit Danny Boyle, also „The Beach“, „28 Days Later“ und „Sunshine“ bis hin zu dem Remake von „Judge Dredd“, Garland hat immer großes Interesse an dem Aufbau von Gesellschaft, der Reibung und Spannung zwischen der Notwendigkeit von Regeln und dem Missbrauch von Autorität, sowie der Art, wie Geschlechterrollen über Generationen weitergegeben entweder Beziehungen vergiften oder heilen können. Erinnert man sich unter diesen Gesichtspunkten beispielsweise an das Ende von „28 Days Later“, in dessen Verlauf die Helden in die vermeintlich rettenden Arme von tapferen Soldaten geraten, nur um festzustellen, dass diese Männer einzig an den Frauen interessiert sind um sie zu missbrauchen und sich aus angeblich „menschheiterhaltenden“ Gründen fortzupflanzen, dann ist schnell klar, wer die wahren Zombies in „28 Days Later“ sind.

„Ex Machina“ bildet zu diesem Ansatz keine Ausnahme. Auch hier dreht es sich um missverstandene und missbräuchliche männliche Autorität. Nathan, wenn auch ganz offensichtlich nicht so männlich wie er gerne wäre, versucht sich in allen Situationen als Alphamännchen zu präsentieren. Von Sprache über Gestik bis Habitus erinnert er eher an einen „Fratboy“ als an einen ernstzunehmenden Wissenschaftler, der mehr und mehr zu einer Art misshandelnder Ehemann zur KI Ava wird, je weiter sich der Film entwickelt. Wie im Film Noir erscheint Caleb dadurch mehr und mehr als der etwas einfältige Streuner, der im Spiel zwischen zwei Fronten aufgerieben wird. Denn Ava scheint bisweilen auch mehr Femme Fatale als nur hilflose Elektronik zu sein. Gepaart mit einigen der besten und bestplaziertesten Spezialeffekte des Genres (jenen die die Handlung stützen, statt sie zu dominieren), besonders was das Design von Ava anbelangt und der bedingungslosen Hingabe zur Handlung ergibt „Ex Machina“ einen Film, der sicher zu einem echten Klassiker der Science-Fiction werden wird.

Fazit

Garlands Film und Drehbuch sind schlichtweg beeindruckend und funktionieren auf so vielen Ebenen, wie es nur sehr wenige Filme schaffen. Man merkt, dass bei „Ex Machina“ ein Mensch am Ruder sitzt, der Ahnung hat von dem, was er darstellt, keine Mühe hat in extrem komplizierte Sachverhalte vorzudringen, sie aber auch in verständlicher Sprache ausdrücken kann. Anstatt also den „Durchschnittskinobesucher“ zu befremden, zieht er ihn in den Film. Sogar wenn Calbe und Nathan über Pollocks „Automatic Painting“ diskutieren. Obendrein sind die Darsteller nicht nur hervorragend gecastet, sie leisten auch noch großartige Arbeit. Wer allerdings zu Depressionen neigt, der oder die sollte im Anschluss unbedingt etwas fröhliches und aufbauendes unternehmen.

Bewertung: 5 von 5 Sternen! *****

Filmkritik von Julius, 14.04.2015

Mehr Ex Machina

Weitere Informationen zum SciFi-Film "Ex Machina" gibt es hier für euch. Trailer, Bilder, Poster und mehr gibt es da zu sehen. Kinostart ist am 23.04.2015.