Filmkritik zu "Into the Woods"

  

Musicals sind Geschmackssache. Keine Frage. Aber wer ganz tief in sich geht, der wird feststellen, dass auch er oder sie in sich den Durst verspürt, hin und wieder die musikalische Seele mit einem Stück Hollywood zu benetzen, in dem ein großer Teil der vorgetragenen Handlung mit Gesangseinlagen gespickt wurde. All jenen Filmfans, die dieses Stück Musicaldurst in sich wissen, dürfte es wie ein halbe Ewigkeit vorgekommen sein, dass „Les Miserables“ die Kinoleinwände eroberte. Aber ein Ende ist in Sicht!

into the woods szenebild 7

Ein Wald für große Kinder

In zwar in Form von „Into the Woods“. Schon auf Seiten des Casts strotzt diese Broadway-Adaption nur so vor geballter Strahlkraft. Meryl Streep, Emily Blunt, Anna Kendrick, James Cordon, Chris Pine, Johnny Depp und noch eine ganze Reihe weiterer Stars und Sternchen dürfen in Rollen von Gestalten aus den Märchen der Gebrüder Grimm schlüpfen und ihren Ton zu Chor beisteuern. Dass es in dem von Rob Marshall (Chicago, Pirates of the Carribbean — Fremde Gezeiten) gedrehten Film durchaus sehr schräg zugehen wird, darf als unverrückbares Fakt betrachtet werden. Genau wie Rob Marschall selber, wenn auch nicht so lange zurückliegend, konnte „Into the Woods“ den ein oder anderen Tony (Broadways Oscar) abstauben und würde von der Hälfte des hinter dem Original stehenden Autorengespanns für die große Leinwand umgeschrieben.

In dieser gesangsträchtigen Disneyproduktion wendet sich der einstige Fachlieferant für alljährlich Familienunterhaltung und nun größte Filmmagnet der Welt (mit wieder und wieder hallendem Echo) erneut an ein deutlich größeres Publikum als man als Musical-Laie vielleicht hinter einem Musical um Märchen erwarten würde. Allerdings dann wieder doch nicht so gefährdend für einen (us-amerikanische) Altersbeschränkung wie die Broadway-Vorlage. Denn in dieser muss man wirklich, spätestens ab der Hälfte der Handlung nicht mehr zwingend mit einem „...und sie lebten glücklich bis an das Ende ihrer Tage“ nach dem einleitenden „Es war einmal rechnen...“.

Auch wenn der größte Teil der Gewalt nur erwähnt wird, statt gezeigt zu werden und das Ende nicht ganz so finster erscheint wie in der Vorlage, „Der König der Löwen“ oder „Die Schöne und das Biest“ ist „Into the Woods“ aber auch mit einer leichten Abmilderung noch lange nicht.

Grund dafür dürfte auch im fast fehlerfreien Cast liegen, die alle eine wirklich gute Performance hinlegen. Sogar der inzwischen auf Pressekonferenzen (wie kürzlich in Japan zu „Mortdecai“) einem Nervenzusammenbruch nicht mehr weit entfernt erscheinende Johnny Depp. Der Gesang ist vortrefflich, der Humor ist geschickt in die Handlung und Dialoge gestrickt. In der schwungvollen Geschichte kommt so nicht der Eindruck auf, statische Momenten aus einem für eine jüngere Zielgruppe herabgeschraubtes Musical zu sehen (obwohl dies ja eigentlich doch irgendwo der Fall ist).

Besonders laut aus der wirren Mischung sticht vor allem eine Botschaft hervor: Eltern, die an ihre Kinder unrealistische Ansprüche stellen, müssen sich nicht wundern, wenn sie es am Ende mit unerwünschten und unvorhersehbaren Konsequenzen zu tun bekommen.

Überfällige Gnadengesuche

Alles in allem zeigt Rob Marschall in dieser Stephen Sondheim Adaption also genau den Einsatz, der ihm bei „Nine“ gefehlt hat und der auch bei „Pirates of the Carribbean — Fremde Gezeiten“ nur sehr bedingt zu Tage trat. An „Chicago“ kommt „Into the Woods“ zwar nicht im Ansatz heran, aber die Integrität der Vorlage bleibt gewahrt und all jene Kinogänger, die sich über nichts mehr freuen, als wenn große Ansammlungen von Stars gemeinsam singen und die die bezaubernde Erzählung über die Entzauberung des Lebens und was es zu bieten hat (oder auch eben nicht) aus Gründen des eigenen Alters (oder dem der Begleitungen) nicht schreckt, werden in „Into the Woods“ voll auf ihre Kosten kommen.

Vorsicht, was ihr wünscht!

Die clever strukturierte Handlung kombiniert und verflechtet bekannte Märchen und Märchengestalten, weil ein Bäcker und seine Frau (im Zusammenspiel sehr gut: James Corden und Emily Blunt) zu übernatürlichen Mitteln greifen müssen, um den unerfüllten Kinderwunsch endlich zu erfüllen. Denn leiden nicht an genetischen Schwierigkeiten auf der ein oder anderen Seite, nein, die beiden wurden von einer Hexe (Merly Streep, die offensichtlich so viel Spaß wie lange nicht an ihrer Rolle hat) verflucht. Dies erklärt die Hexe auch den beiden, tragen sie doch eigentlich gar keine Schuld daran, sondern der Vater des Bäckers. Um den Fluch zu lösen aber braucht die Hexe eine besondere Kuh, ein rotes Umhänglein, eine Menge blondes Haar und Damenschuhe aus purem Gold.

Und schon nimmt das Chaos seinen Lauf. Denn zum Glück treiben sich im Wald genug Gestalten rum, die genau das bei sich tragen, was das unglückliche Pärchen zur Befriedigung des Hexenwunsches benötigt. Die Kuh gehört so Jack (Daniel Huttlestone), dem Typen, der eher für seine Bohnen als für seine Kühe bekannt ist, der Umhang natürlich Rotkäppchen (Lilla Campbell), das Haar hängt fest an Rapunzels (MacKenzie Mauzy) Haupt und der Schuh an Aschenputtels (die wunderbare Anna Kendrick) Fuß.

Die Wege der Hauptakteure kreuzen sich immer wieder in den namengebenden Wäldern. Diese sind, wie immer bei den Gebrüdern Grimm, ein finsterer Ort. Hier werden Eigentümer um ihren Besitz und moralische und ethische Grundfesten zu Einsturz gebracht. Gefahr scheint hier an jeder Ecke zu lauern — und die größte aller Gefahren kommt in Gestalt des Wolfs (Johnny Depp). Dies liegt, ausnahmsweise nicht an seinem Schauspiel. Denn alles singender Wolf macht der Mann eine wirklich gute Mine. Sein wölfisches Verlangen nach Rotkäppchen (die wohlgenährt nach betrügerischem Handeln seinen Weg kreuzt) ist einfach nur wunderbar anzusehen, sein Gesangstalent wirklich beachtlich, nur sein Mantel und Anzug wissen ihn noch selber zu übertreffen.

Echte Sterntaler und andere Überraschungen

Aber sein Auftritt ist nur ein kurzer von vielen. In „Into the Woods“ dürfen noch ganz andere Akteure absurde und schräge (Gesangs)Einlagen präsentieren, alle angeführt von Mery Streep. Diese hässliche weiß wie man auftritt und wieder abtritt. Ganz wie „The Wicked Witch of the West“ eben wie eine uneingeladene Kaltwetterfront auf einer sommerlichen Märchenhochzeit. Das emotionale Feuer, was sie in viele ihrer Solos speit, macht jeden ihrer Auftritte sehr sehens- und hörenswert.

Als echte Überraschung entpuppt sich übrigens Chris Pine. Seine Erfahrungen als Frauenheld Captain Kirk in bisher zwei intergalaktischen Abenteuern helfen sicherlich bei der Wahrnehmung in seiner Rolle als Aschenputtels Prinz. Sein Duett mit Rapunzels Prinz (Billy Magnussen) um deren Frauenproblem allerdings ist wirklich so brillant, dass es echten Applaus verdient.

Fazit

Alles in allem ist „Into the Woods“ ein Film für Menschen, die sich für Gesang in einer sehr witzigen und spitzen Geschichte zu begeistern wissen. Wem „Les Misberables“ oder „Chicago“ überhaupt nicht lag, der wird hier sicher nicht glücklich werden. Alle anderen, sollten einen Besuch von „Into the Woods“ nicht scheuen.

Bewertung: 4 von 5 Sternen. ****

Filmkritik von Julius, 19.02.2015

Mehr zu Into the Woods

Wir haben weitere Informationen, Bilder und den Trailer zu "Into the Woods" für euch. Schaut doch mal hier. "Into the Woods ist ab heute (19.02.) überall im Kino zu sehen.