Filmkritik  zu "It Follows"

  

Die eigene Sexualität (und die anderer) ist für pubertierende Jugendliche bisweilen schon eine unheimliche Sache. David Robert Mitchell hat sich mit diesem Thema bereits in seinem ersten Film „The Myth of the American Sleepover“ auseinandergesetzt. In seinem neuen Film „It Follows“ spielt Sex zwischen Teenagern ebenfalls eine wichtige Rolle. Allerdings auf eine Art, die einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Mit „It Follows“ kommt diesen Sommer sicherlich einer der gruseligsten Filme auf die Leinwände. Einer, der, ähnlich wie „Der Babadook“, seinem Hype voll und ganz gerecht wird.

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„Do you feel any diffrent?“ „No, do you?“

Die Erwartungshaltung an das erste Mal ist groß. Irgendwie scheint sich das Gerücht zu halten, danach würde sich großartig etwas ändern. Man könnte also durchaus behaupten, dass dieser ungeschickte Versuch unter furchtbar aufgebauschtem Marketing leidet. Einem, das immer wieder durch die nicht minder aufgeblasenen Geschichten seiner „Teilnehmer“ von Neuem befeuert wird. Versteht mich nicht falsch, Sex ist eine großartige und und schöne Angelegenheit. Aber dafür muss Mann und Frau auch wissen, was sie da tun. Allerdings diese ersten, ungeschickten Schritte sind es, um die es sich bei „It Follows“ dreht. Unter anderem. Denn der Rest ist eine der besten und vor allen Dingen besterzähltesten Geistergeschichten der letzten Zeit. Wobei nie wirklich klar ist, ob es denn überhaupt eine Geistergeschichte ist.

Denn „It Follows“ lässt einen nicht nur in weiten Teilen lange Zeit im Dunkeln, der Film baut zudem extrem auf Atmosphäre und Immersion. Die Grenzen zwischen Zuschauer und Protagonistin verschwimmen immer wieder und erstrecken sich teilweise auch auf die anderen Charaktere. Der Grund dafür liegt zum einen natürlich im Verständnis. Jeder, der „It Follows“ sehen wird, hat sich entweder in einem ähnlichen Alter befunden oder befindet sich in diesem. Zum anderen befindet sich die Kamera oft entweder sehr nah an der Hauptperson Jay (Maika Monroe) oder fordert einen förmlich dazu auf, genau wie sie die Umgebung abzusuchen. Abzusuchen nach etwas (besser: jemandem), der auf sie (oder eben den Zuschauer) zu geht. Welches Aussehen dieser jemand hat, wird Jay nach ihrem ersten Mal zwar deutlich von Hugh (Jake Weary) erklärt, aber diese Erklärung macht zu dem Zeitpunkt weder für Jay noch eben den Zuschauer sonderlich viel Sinn. Und diese Erklärung ist symptomatisch für „It Follows“. Auch wenn der Film eigentlich immer wieder alle nötigen Informationen liefert um die Ereignisse zumindest wahrzunehmen, ist die Zusammensetzung der Informationen eine, die man selbst im Film nicht immer ganz wahrhaben möchte. Oft scheinen sie sich nur darin zu offenbaren, dass kurzzeitig etwas im Hintergrund fokussiert wird — oder sich im Gesichtsausdruck von Jay ankündigt. Obendrein liefert die Kamera andauernd falsche Informationen. Ganz so, wie es eine paranoide Person vermutlich auch sehen und erklären würde. Nur, wie heißt es doch so schön: Nur weil man paranoid ist, heißt das noch lange nicht, dass man nicht verfolgt wird.

I met a man who wasn't there (…) I wish, I wish he'd go away

Wenn das alles verwirrend klingt, dann hab ich es richtig ausgedrückt. Wer jetzt aber anmerkt, sonderlich gruslig würde dies nicht klingen, den wird „It Follows“ eines besseren belehren. Der Film kommt dabei in weiten Teilen ohne die klassischen Jump-Scares aus. Auch wenn solche vorhanden sind — und diese sind wirklich gut. Sie sind auf dem Niveau, dass man sich selber, sobald sie vorbei sind, ausatmen hört und man feststellt, dass man grade die Luft angehalten hat. Sicherlich hat der Film auch seine Kritikpunkte. Der massivste davon wäre sicherlich derjenige, dass die, allesamt pubertierende Teenager, Charaktere ziemlich auf ihre Suche nach Sex, sexueller Anerkennung und körperlicher Nähe reduziert werden. Aber sind wir doch einmal ehrlich, haben wir uns als hormongesteuerte Heranwachsende nicht eben genau so gefühlt? Oder zumindest rückblickend so benommen?

Und selbst wenn diese Reduktion als irritierend wahrgenommen wird, in „It Follows“ erfüllt sie ihren Zweck. Denn der Streifen ist weit mehr als nur ein Horrorfilm. Er erinnert irgendwie an Lynch, an Fincher, an Cronenberg, an „Antigonish“ von Mearns und an Kubrick. Es einer der Filme, der über sehr viele miteinander verwobene Ebenen verfügt und eine sehr metaphorische Bildsprache hat. Wie schon in seinem ersten Film hat sich Mitchell erneut eine Vorstadt von Detroit als Schauplatz erwählt. Auch wenn dieser Umstand, zumindest uns Europäern, erst recht spät deutlich werden dürfte. Zunächst scheint es einfach nur eine beliebige Kleinstadt zu sein, in der brave Bürger ihrer harten Arbeit nachgehen. Die Bewohner haben ihr Auskommen, aber der Zustand der Stadt ist nicht der beste. Erwachsene sind so gut wie nie zu sehen. Zur sehr sind sie mit ihrer Arbeit beschäftigt und ihre heranwachsenden Kinder sind sich selber (und irgendwie auch ihren Trieben überlassen). Je mehr aber die Unschuld (aus sehr nachvollziehbarem Grunde) verloren geht, desto verfallener und trostloser wird die Gegend. Dies äußert sich nicht nur in den verfallenden Gebäuden jenseits der 8th Mile, sondern auch in dem Ort, der für Jay (und eben den Zuschauer) zu Beginn als relatives Idyll präsentiert wird. Zumindest bis durch die Folgen von Liebe, die keine war, die Welt auf den Kopf gestellt wird und alles von immer weltlicheren und zugleich unnatürlicheren Verfolgern aus den Angeln gehoben wird.

Fazit

Irgendwie wird der Film hier bloß zur falschen Jahreszeit laufen um die Eindrücke perfekt zu machen. Der September oder vielleicht noch der frühe Oktober scheint bei der vorherrschenden Herbstlichkeit viel passender. Aber im Kinosaal bekommt man vom Wetter ja nun eh nichts mit. Wer sich auf höchstem und anspruchsvollem Niveau ein Gänsehaut verpassen lassen möchte, wer auf Atmosphäre und Stimmung steht, wer sich mal wieder in der Lehne seines (oder ihres) Kinositzes, respektive Unterarms des Sitznachbarn (oder der Sitznachbarin) festkrallen möchte, sollte „It Follows“ unter gar keinen Umständen verpassen. Hier passt seit langer Zeit einmal wieder alles zusammen: großartige Optik, genialer Soundtrack und eine Sounddichte, die den Film in den meisten Momenten noch um zusätzlichen Druck bereichert.

Bewertung: 5 von 5 Sternen (!!) *****

Filmkritik von Julius, 06.05.2015

It Follows - ab dem 09. Juli im Kino

Weitere Informationen zu diesem Film folgen in den nächsten Tagen und Wochen. Einen ausführlichen Datenbankeintrag mit Szenenbildern und dem Trailer präsentieren wir sehr bald hier.