Filmkritik zu John Wick

  

Hollywood's erste Garde beweist bisweilen erstaunlich wenig Talent, sich gute Filme für ihr Handwerk auszusuchen. Keanu Reeves gehört sicherlich dazu. Insbesondere in Frage „Actionstreifen“ hat das Multitalent nicht immer das beste Auge für die Auswahl seiner Projekte bewiesen. Mit „John Wick“ aber zeigt er deutlich, dass es eben auch anders geht.

Schuster bleib bei deinen Leisten

hauptplakat john wickManchmal sind es die einfachen Dinge, die zu echten Glanzstücken werden. „John Wick“ macht es vor. Das Regie-Team Chad Stahelski und David Leitch (in den Credits als Regisseur unerwähnt) hält sich in großen Teilen an das, was sie am besten können: schnelle, harte Szenen abliefern. Dazwischen spinnen sie ein Geschichte, die, irgendwo zwischen Comic und Film Noir, in einem finsteren Paralleluniversum von New York angesiedelt zu sein scheint. Wem der Name „Chad Stahelski“ nichts sagt, sollte einmal einen Blick ins DVD Regal werfen. Der Kickboxer und MMA-Fan gehört zu den beliebtesten Stuntmen, Stunt Koordinatoren und Kampf-Choerographen des US-Kinos und hat schon in „Gefährliche Brandung“ für Kenau Reeves das Stunt-Double gemimt und Brandon Lee in „The Crow“ in den Re-Shoots nach dessen Ableben ersetzt. Den beiden Regie-Neulingen merkt man deutlich an, dass sie die letzten 20 Jahre aufgepasst haben. All zu oft versuchen uns actionlastige Filme mit hektischen Schnitten und noch hektischerer Kamera ins Geschehen zu ziehen. Derartige Szenen aber machen es schwer dem Geschehen auf der Leinwand folgen zu können. Auch die x-te Zeitlupe einer Sequenz hilft dann wenig für das filmische Gesamtverständnis. „John Wick“ wählt einen anderen Ansatz. Die rasanten Momente des Films sind nah am Ablauf gehalten, aber während auf der Leinwand Knochen brechen und Kugeln fliegen bleibt die Kamera stoisch und ruhig wie der namensgebende Protagonist des Films. Jedes Detail der Choreographien ist sichtbar und verständlich. Auch wenn der übermenschliche Killer John Wick Scherge nach Scherge um die Ecke bringt wirkt nichts davon überzogen oder zu unrealistisch. Der ein oder andere Antagonist hat höchstens einmal Glück zwischen sich und dem Lauf von John Wick's Pistolen ein daumendicke Schicht Glas zu haben.

When the man comes around

Die in „John Wick“ erzählte Geschichte ist keine neue. Sie handelt von Verlust, Rache und Ehre. John Wick hat gerade erst seine Frau verloren, da brechen in seine schicke Behausung drei russische Gangster, angeführt Verbrecher-Prinz Iosef Tarasov (Alfie Allen, bekannt als Theon Greyjoy aus „Game of Thrones“) und klauen seinen 69er Ford Mustang. Anstatt sich aber mit dem Diebstahl zu begnügen bringt der laufende Unsympath Iosef auch noch Johns Hundewelpe um und damit das letzte lebende Erinnerungsstück in Johns unterkühlter Bleibe, was den Protagonisten an seine Frau erinnert. Bis dahin wissen wir so gut wie nichts über John Wick. Aber die darauf folgenden Minuten machen mit wenig Worten deutlich, dass mit John nicht zu spaßen ist. Als Isoefs Vater Viggo Tarasov (Michael Nyqvist) von Chop-Shop Leiter Aurelio (John Leguizamo) erfährt, wem sein missratener Sohn den Wagen klaute, fällt seine Reaktion kurz aber bedeutungsschwanger mit einem „Oh.“ aus. Jedem, außer Iosef, ist der Name John Wick ein Begriff und jeder verbindet mit John den Gedanken an ein abruptes Lebensende. So erstaunt es auch wenig, dass John Wick mit einem Vorschlaghammer bewaffnet in den Keller seines Hauses spaziert, den Boden aufbricht und aus dem Fundament einen Koffer voller Goldmünzen, Granaten und Handfeuerwaffen hervorholt um seiner Wut Ausdruck zu verleihen und damit seinem Leben einen neuen Sinn zu geben.

Die Leitmotive des Films und Beweggründe der Charaktere sind deutlich am asiatischen Kino orientiert. Alle verbindet ein Ehrenkodes, der, wenn auch bisweilen eher dehnbare Richtlinie, wenn er gebrochen wird gnadenlose Bestrafung nach sich zieht. Ähnlich wie in asiatischen Gangsterfilmen tragen diejenigen, die sich dem Kodex verpflichtet sehen Anzüge, während diejenigen, die auf die vorherrschenden Grundsätze pfeifen eine relaxtere Bekleidung bevorzugen.

Worte werden dabei allgemein nur wenig verloren. Textlich beschränkt sich die Erzählung auf das Wesentliche. Aber das ist auch völlig ausreichend, Look und Choreographie übernehmen die Unterhaltung. Dieser ist getragen von Schwarz und Grautönen und entwickelt sich ein wenig wie die Level eines Computerspiels. Was bei Filmen wie dem Remake von „Total Recall“ schnell ins Lächerliche abgleitet, wahrt bei „John Wick“ allerdings durchgehend die Fassung, hält sich an die im Film aufgestellten Regeln und wirkt, trotz der aufgesetzten Parallelwelt, völlig schlüssig und verständlich.

Im Sog des Verbrechens

„John Wick“ ist klar anzumerken, dass die Macher von Filmen der jüngeren Vergangeheit wie „The Raid“, aber auch von Klassikern wie „Stirb Langsam“ und „Zwei glorreiche Halunken“ inspiriert wurde. Zwar sind die Antagonisten fast alle Mitglieder der russischen „vor v zakone“ Bande, aber sie würden sich sicherlich auf leicht gegen einen Yakuza-Clan austauschen lassen. Ebenfalls austauschbar scheint der Hintergrund. Dieser aber gibt dem Film zusätzliche Würze. Als Kulisse dient New York (insbesondere Brooklyn), aber auch wenn viele Orte des Film einem bekannt vorkommen mögen, so verbirgt sich hinter den Fassaden und der unterkühlten Optik ein feines Gespinst an Verbrechen und verschworenen Killerbruderschaften.

Die harte und grausame Welt, in der „John Wick“ angesiedelt ist, ist bis auf wenige Ausnahmen, nichts für Frauen. Nur die ehrgeizige Meuchlerin Miss Perkins (Adrianne Palicki) bekommt einige Sequenzen gewidmet. Die wirklich wichtige Fraurollen existiert nur in John Wicks Erinnerung und als Video auf seinem Smartphone. Wenn auf Johns verstorbene Frau zurück geblendet wird wechselt das Farbschema zu deutlich wärmeren Momenten. Immer wieder versucht sich der geplagte Hauptcharakter an diesen Zustand zurück zu erinnern und auch seine Berufsgenossen Winston (Ian McShane) und Marcus (Willem Dafoe) sagen ihm, in dem Film anhaftender, geringer Wortwahl: „Wenn du bei uns wieder mitmischt, wirst du sicherlich nicht noch einmal aussteigen können“.

Fazit

„John Wick“ ist in den deutschen Kino offiziell erst ab dem 29. Januar 2015 zu sehen. Dann aber ist er in jedem Fall einen Besuch wert. Nur wen brechende Knochen, fliegende Geschosse und markige Gestalten abschrecken sollte diesem Film fernbleiben. Jedem anderen Kinobesucher wird „John Wick“ durchgehend Freude bereiten und eine absolut hochwertig designte Tour de Force, gespickt mit augenzwinkernden Momenten und schwarzem Humor, vorführen. Von dem Regie und Produzentenduo Chad Stahelski und David Leitch wird sicherlich in den kommenden Jahren noch mehr zu sehen sein. Hoffentlich auf ähnlich hohem Niveau wie bei „John Wick“ vorgelegt.

John Wick bekommt vier von fünf möglichen Sternen. ****

Filmriktik von Julius, 28.11.2014