Filmkritik zu Jurassic World

  

Schlafende Hunde soll man nicht wecken. Was für des Menschen besten Freund gilt, gilt sicher auch für 65 Millionen Jahre tote Echsen. Oder Vögel. Je nach Lehrmeinung. Streng genommen sind die einstigen Herren der Erde mit langen Klauen und teilweise noch längeren Hälsen auch nun keine 65 Millionen Jahre weg vom Fenster. 14 Jahren ist es her, da wurden die Dinos gnadenlos (und dennoch völlig zu Recht) weggesperrt. Der Grund waren nicht verspeiste Parkbesucher, sondern ein 3. Teil, der sowohl den Dinos als auch den Kinos besser erspart geblieben wäre. 

Bild unten: Szene aus Jurassic World. Trailer, mehr Bilder & viele Poster findet ihr hier.

jurassic World szene 7

„Bin da-ha, wer noch?“

Jurassic Park „drei-Klauen-Kratzer“ scheint ein tiefes Trauma bei Universal Pictures ausgelöst zu haben. Während andere Franchises in den letzten Jahren nur so aus dem Boden schossen, wie die berühmten Pilze nach dem noch berühmteren Regen, mit Augenschminke, Entermessern, Umhängen, Hammern, Schilden und sonstigen Objekten mit hohem Wiedererkennungswert von sich reden machten und die Taschen der Kinobesucher um mühsam zusammengekratze Euros erleichterten, hatten unsere beschuppten Vorgänger Hausarrest. In Anbetracht des Hangs von Studiobossen dazu aus wirklich allem Geld machen zu wollen schon ein wenig beeindruckend. Aber hey, gut Ding will ja angeblich Weile haben. Auf der anderen Seite war „Jurassic Park“ einst auch eine solche Franchise und hat vor eben jenen 14 Jahren vorgemacht, wie man ausstirbt. Nun erscheint der Echsen-Zoo vermeintlich etwas spät zur allgemeinen Franchise-Party.

Colin Trevorrow will dafür aber, in einer Mücke in einem Stück Bernstein vermutlich, genau den genetischen Funken gefunden haben, der einst den ersten „Jurassic Park“ zu dem machte, was er war. Nüchtern betrachtet ist es gar nicht so schwer mit „Jurassic World“ einen Film abzuliefern, der seine Vorgänger übertreffen kann. Bis auf den ersten natürlich, denn Spielbergs Echsenrevue ist halt unübertrefflich. „Vergessene Welt: Jurassic Park“ hatte es einst versucht und bot spektakuläre Einstellungen und Kulissen, aber auch halbwüchsige Mädchen, die Raptoren zeigen, wer Chefin im Park ist. Davon völlig eingeschüchtert hat „Jurassic Park III“ dann wohl einfach gar nichts geboten außer mehr Dinos. „Jurassic World“ nun reiht sich ganz knapp unter der spielbergschen Meisterleistung ein. In dem er frisch zu Werke geht, sich an seine genetischen Wurzeln erinnert aber dennoch einiges neuwertiges zum Parkspaziergang mit prähistorischen Zoobewohnern beisteuert.

Alte Teile, neue Bausteine munter zusammengefügt

Zunächst aber bleibt alles beim alten. Trevorrow lässt sich nicht zum „Hollywood-Opener“ mit spektakulärem Einstieg noch vor den eigentlichen Credits hinreißen, wie er in den letzten Jahren so oft zu sehen war, sondern setzt auf ein ruhigen Aufbau im Stile des großen Echsendompteurs hinter dem originalen „Jurassic Park“. Von einem niedlichen Babyraptor einmal abgesehen vergehen 20 Minuten bis endlich die ersehnten Herren (und Damen) der Urzeit auf der Leinwand auftreten. Die erscheinen dann aber auch gleich mal als Gruppe zusammen mit Chris Pratt. Denn cooler als dressierte Raptoren ist halt nur der derzeitige Spitzenkandidat für männliche Hauptrollen, die cool, aber nicht zu cool wirken sollen. Indiana Jones...ähm, entschuldigt, Owen Grady ist genau so ein Typ. Der muss auch keine Entwicklung im Film durchlaufen, denn bei ihm ist alles so wie es sein muss. Im Vorfeld von „Jurassic World“ waren einigen Unkenrufe zu hören, die meinten im den zig Trailern hätte Universal Pictures bereits alle coolen Chris-Pratt-Momente verschossen. Diesen Zweiflern tritt Pratt mit seiner quietschenden Raptor-Gang entgegen und setzt munter noch einen obendrauf. Genau dies hatte Trevorrow nun auch sowohl als Drehbuchautor als auch als Regisseur vor sich. Dafür gibt er seiner „Jurassic World“ etwas, das allen Vorgängern völlig abging: einen echsischen Bösewicht.

Blut spritzt, Knochen knacken

Der heißt Indominus Rex und ist mal wirklich eine schreckliche Echse. Entsprungen ist er Dr. Henry Wus (BD Wong) genetischer Bastelstube, benannt von einer sicherlich mindestens genau so fürchterlichen Fokus-Gruppe. Er ist der Dinosaurier, hätte Mutter Natur ihn geschaffen, der dem Kometen zu vor gekommen wäre und eigenklauig all seine Artgenossen zum Aussterben in die ewigen Jagdgründe geschickt hätte. Das Biest ist nicht nur riesengroß, es ist obendrein noch schlau und hat eine ganze Menge Tricks im schuppigen Ärmel. Indominus Rex ist einfach ein böses Miststück und, im Gegensatz zu allen anderen Dinos in allen Jurassic Parks, macht halt eben nicht nur das, was Dinos so machen würden, wenn sie aus ihren Gehegen ausbrechen. Somit ist es auch völlig in Ordnung, wenn Chris Pratts Owen Grady die Bestie mit allen Mitteln in die Echsen-Hölle schicke will. In Indominus Rex vereint sich auch sehr anschaulich, was Trevorrow mit dem Konzept „Jurassic Park“ angestellt hat. Die Killerechse ist eine Neuerung, sie bedeutet aber auch eine Rückbesinnung auf Michael Crichtons eigentliche Botschaft. Indominus Rex ist ein Wesen in dem sich alles Können von genetischen Vorzeigebastlern vereint. Über all dem Können aber wurde das Sollen (beziehungsweise Nicht-Sollen) schlichtweg vergessen. Warum auch ethisch handeln und nicht Gott spielen, wenn man Killerechsen bauen kann? Alle Bio-Thriller des Parkpaten Crichton behandeln genau dieses Thema. Mit diesem völlig wahnsinnigen und blutgierigen Parkbewohner richtet Trevorrow dann auch voller Freude das größte Gemetzel an, das die Franchise um zooologische Gärten mit ausgestorbenen Attraktionen je gesehen hat.

Dieses Blutbad findet natürlich nicht nur unter Indominus eigenen Artgenossen statt, sondern auch unter den menschlichen Inselbesuchern. Da Chris Pratts Grady ziemlich fest steht und eben keine Wandlung durchläuft, bleibt er etwas hinter Star Lord zurück. Deutlich mehr Entwicklung bekommen dann schon Nick Robinson und Ty Simpkins als ins Chaos gesogenes Brüderpaar ab. Gleiches gilt für Bryce Dallas Howard als unterkühlte Parkleitung Clare Daering. Erst kann sie sich nicht einmal an das Alter ihrer Neffen erinnern, mausert sich dann aber im Angesicht der schuppigen Todesgefahr zur Bengalo-schwingenden Beschützerin. Viel zu kurz in dem ganzen Spektakel kommt leider Daredevil Vincent D'Onofrio als passionierter Oberlippenbartträger und Vollblut-Bösewicht Vic Hoskins. Aber das ist dann auch, neben ein wenig zu offensichtlichen Andeutungen für kommende Teile und kleinerer Logiklücken, der einzige Kritikpunkt.

Fazit

Es macht Spaß Trevorrow bei der Arbeit zuzusehen und wer Chris Pratt mag (und wer mag den nicht), wird seine helle Freude haben. Natürlich ist „Jurassic Park“ kein Geniestreich, aber er bringt frischen Wind in die eingeschlafene Filmreihe. Trevorrow weiß was sein Publikum sehen will, er weiß aber auch, dass er die großen Momente des ersten Jurassic Parks nicht übertreffen kann. Nach reichlicher Überlegung habe ich mich dazu durchgerungen, Ihren Park zu befürworten!

Jurassic World ist ab heute überall in den Kinos zu sehen.

Bewertung: 4 von 5 Sternen****

Filmkritik von Julius, 11.06.2015