Filmkritik zu Knock Knock

  

Wenn zwei bis auf die Unterwäsche triefend nasse junge Schönheiten (siehe unten) an die Tür eines gutaussehenden, glücklich verheirateten Vaters von zwei Kindern — der zufällig für ein Wochenende alleine daheim ist — dann kann das in einem Eli Roth Film nicht gut enden. Im Falle von „Knock Knock“ kommt irgendwie alles anders als gedacht.

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Knock Knock startet am 10. Dezember in unseren Kinos. Seht hier den Trailer

Exploitation

Eli und Roth in dieser Kombination noch gehauchter Alltagsphantasie machen als warnende Worte deutlich, dass es hier nicht bei ein wenig verbotenem, anzüglichen Spaß, gefolgt von einer Phase des Bedauerns, eventuell einer Sinnkrise, bleiben wird. Allerdings zielt der kreative Kopf hinter „Cabin Fever“, „Hostel“ und „The Green Inferno“ dieses Mal nicht auf das übliche Gemetzel ab. In „Knock Knock“ peilt er eine tiefere Ebene an, er will uns da treffen, wo wir wohnen. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Roth hat sich einen kleinen Horror-Klassiker des Exploitation-Kinos, „Death Game“, zur Vorlage gewählt. Allerdings hat der Misanthrop Roth die Handlung an unsere Zeit mit seinem üblichen Zynismus angepasst. In den Pressenotizen gibt er an, seine Absicht hinter „Knock Knock“ sei es aufzuzeigen, wie viel schneller wir in den Zeiten von Social Media alles erleben. Sowohl Freude als auch Qual und das die Regeln der zivilisierten Gesellschaft schon lange nicht mehr in unserem Alltag gelten.

Leider ist sein Ausdruck in seinen Statements zu „Knock Knock“ sehr viel deutlicher als im eigentlichen Film. Roth baut zunächst die Spannung mit meisterlichem Geschick in sehr hochwertiger Optik auf. Als Zuschauer ahnt man, dass jederzeit die Eskalation kommen kann. Ein wenig wie ein bereits angekündigter Schlag in den Nacken. Aber wenn dann schließlich dieser Moment kommt, ergeht sich „Knock Knock“ in einer stumpfen Wiederholung von sehr schrillen Sequenzen von steigernder Folter und eskalierender Zerstörung bis hin zur letzten Szene, in der endlich der Sinn der grausamen Spiele erklärt wird. Betrachtet man „Knock Knock“ als Sozial-Satire, dann ist der Film leider nicht zur ohne Biss, sondern auch noch völlig antiklimaktisch und schlussendlich enttäuschend.

It Never Rains in California

Als absoluten Pluspunkt kann „Knock Knock“ mit Kenau Reeves (Bild unten) aufwarten. Reeves lässt sich in seiner üblichen Manier voll in seine Rolle fallen und spielt mit Freuden und seinem typischen Charme alle grausamen Spiele mit. Reeves mimt Evan, jenen (un)glücklichen Familienvater, der zwei hilflose erscheinenden jungen Damen mit Topmodelmaßen die Tür zu seinem durchgestylten Haus öffnet. Evan ist Architekt, seine Behausung ist ein offenes, modernistisch-minimalistisches Kunstwerk voller farbenfroher Kunst in den Hügeln vor Los Angeles. Roth setzt die Stimmung in der Eröffnung fast ein wenig zu hoch an, mit einer Kamerafahrt über das Hollywood-Sign hinweg, durch die Canyons von Malibu, über sich windende Straßen bis zu Evans Tür. Hier wohnt ein Mann, der alles erreicht hat. Seine extrem charmante Frau Karen (erneut in einem Eli Roth Streifen: Ignacia Allamand) ist eine erfolgreiche Künstlerin und seine beiden Kinder einfach nur anbetungswürdig. Diese Idylle wirkt erdbebensicher.

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In diesen frühen Szenen scheint Roth mit Absicht immer wieder einen Tick zu weit zu gehen. Viele Stellen wirkten zu perfekt. Es fühlt sich wie ein Leben aus dem IKEA Katalog an. Roth und seine Co-Autoren Nicolas Lopez und Guillermo Amadeo spielen mit diesem heimischen Glücksbild, nur um es später ins grelle Licht zu zerren und zu zertrümmern.

Evan möchte ein langes Wochenende ohne Kind und Kegel — seine Familie erholt sich am Strand — dazu nutzen liegengebliebene Arbeit aufzuholen und mal wieder entspannt zu kiffen. Ach, vielleicht noch ein Gläschen guten Rotwein und endlich mal wieder Vinyl auflegen. Doch in der einen Nacht, in der es im staubtrockenen Kalifornien mal regnet, stören plötzlich Genesis (Eli Roth Ehefrau Lorenza Izzo) und Bel (Ana de Armas), scheinbar hilflos und klitschnass, die Ruhe.

Die beiden wurden vom Taxi an der falschen Ecke raus gelassen, das smarte Phone wurde vom Regen ertränkt. Sie wollen wirklich nur kurz reinkommen, vielleicht kurz die nassen Klamotten ausziehen und diese trocknen. Um es mit den Worten von Julianne Moore und Jeff Bridges beim Vorführen von „Logjammin“ in „The Big Lebowski zu sagen: „Was denken Sie, passiert als nächstes?“ - „Er repariert das Kabel?“

But When It Rains, It Pours

Aber nicht so schnell mit den jungen Pferden. Zunächst einmal wird sich über 45 Minuten in flauschige Bademäntel gekuschelt und Evans Heim Stück für Stück erobert. Diese Uber-Fahrer brauchen einfach extrem lange, bis sie in den Hills sind. Bel und Genesis werden immer anzüglicher, flirten von Minute zu Minute härter. Evan bewahrt die Ruhe, wie es sich für einen unfreiwilligen Gastgeber gehört, nimmt aber mehr und mehr der Komplimente an. Diese erste Hälfte von „Knock Knock“ ist sehr hochwertig gestaltet und erzählt. Sie ist vor allem aber trotz der Absurdität glaubhaft. Roth hält uns nicht nur mit Evans Versuchen die Situation charmant zu kontrollieren am Geschehen, er will uns auch mit Bel und Genesis und deren Motiven fesseln.

Doch dann — und dies ist kein wirklicher Spoiler, denn wenn irgendetwas passieren soll — passiert es. Roth präsentiert uns plötzlich einen erstaunlich geschmackvoll und zurückhaltend gedrehten Dreier in Evans Sauna. Aber dies ist der letzte zurückhaltende Moment, den Roth uns gönnt. Am nächsten Morgen enthüllen die zwei jungen Damen ihre wahren Gesichter und „Knock Knock“ wird zu einer im gleichen Maße überdrehten wie harmlosen Version von „Funny Games“. Selbst wenn wir ein wenig mit dem Verhalten der Antagonistinnen an der Nase herumgeführt werden, so ist dieser Wechsel so krass und so abrupt, dass er nicht wirklich gut zu verarbeiten ist und genau deswegen nicht zündet. Bel und Genesis sind furchtbar, wie große gemeine Kinder, sie machen Evans Leben zur Hölle, aber dies geschieht alles so schrill, es macht einen sprachlos und schockt nicht. Die Sprachlosigkeit entsteht durch den plötzlichen Tonfall von „Knock Knock“ und nicht mehr durch das Geschehen. Bel und Gensis sind auf einmal nicht mehr zwei Femme Fatales, sondern pubertierende Nervensägen auf Koks und Koffein.

Fazit

Erst wenn Kenau Reeves mit seinen letzten Worten in „Knock Knock“ eine waschechte Nicolas Cage Performance im Stile von LaButes „Wicker Man“ hinlegt, wird kurz deutlich, welches Potential der B-Film verschenkt hat. Denn auch das Ende ist eher ernüchternd als erhellend. Wirklich schade um eine sehr gut inszenierte erste Hälfte. Kenau Reeves immerhin macht durchgehend eine gute Figur.

Bewertung: 2 von 5 Sternen.**

Filmkritik von Julius, 24.10.2015