Filmkritik zu Regression

  

Nach einiger Zeit der Abwesenheit kehrt Alejandro Amenabar wieder zum Genre-Film zurück. Mit seiner zu vorsichtigen Erzählung um Satanismus in einer kleinen Stadt unter dem Titel „Regression“ bewegt er sich zwar wieder auf dem gewohnten Terrain düsterer Psychothriller, aber präsentiert leider einen Film der mehr ankündigt als er zu bieten hat.

014_regression

Regression startet am 01. Oktober 2015 in den deutschen Kinos. Mehr Informationen zum Film in unserer Filmdatenbank. (Trailer, Bilder, Kurzinhalt...)

Bekannte Gewässer

Eines vorne weg: Dies liegt nicht an den beiden Hauptdarstellern. Emma Watson und Ethan Hawke liefern, stellenweise im Schweiße ihres Angesichts, gute Darstellungen als geständiges Opfer von Missbrauch durch finstere Kultisten und als agnostischer Bulle, der in diesem Fall ermittelt, ab. „Regression“ aber ist dabei leider nie ungemütlich genug um ernst genommen zu werden und nicht ausreichend reißerisch um als Schocker durchzugehen. Im Vergleich zum schwergängigen „Agora“ dürfte Amenabar zwar mit seinem neuen Werk ein gewisser Erfolg an den Kinokassen ins Haus stehen, aus filmischer Sicht jedoch betritt er einen ungewohnten Tiefpunkt.

Für Ethan Hawke liegt „Regression“ genau in dem Genre, dass ihm sicherlich derzeit die meisten Dollars auf sein Konto spielt. Nach „Sinister“ und „The Purge“ springt er direkt wieder in einen Charakter, der sehr überzeugend mehr und mehr von seine Welt erschütternder Angst erfüllt ist. Emma Watson streckt vorsichtig die Zehen in die kalten Wasser von Filmen für ein rein erwachsenes Publikum aus und kann die sie umgebende Verletzlichkeit effektiv einsetzen. Amenabar aber liefert dagegen ein ziemlich blasses Bild ab. Nach Ausflügen in andere Genres, das schwermütige Historiendrama um religiöse Streitigkeiten im frühchristlichen Ägypten lief 2009, sein oscarprämiertes Drama „Das Meer in mir“ 2003, steht „Regression“ wieder irgendwo in der Nachbarschaft von realitätserschütternder Geschichten wie „Thesis“, „Open Your Eyes“ und „The Others“. Die Nachbarschaft aber ist keine direkte. „Regression“ zieht eher am Stadtrand ein, für ein Penthouse reicht es einfach nicht, denn aufmerksamen Zuschauern liefert die Narrative zu viele offensichtliche Hinweise, als das ein Mitfiebern möglich ist. Der Verlust zwischen bewusster und unbewusster Wahrnehmung fehlt völlig. Dies aber will „Regression“ eigentlich als Vehikel nutzen.

Trügerische Erinnerungen

Der Titel bezieht sich nämlich auf eine noch immer kontrovers behandelte Therapieform der Psychotherapie. Regression bedeutet die Anwendung von Hypnose um Patienten Erlebnisse aus ihrer Vergangenheit erneut durchleben zu lassen um im Therapieverlauf die Gründe für ein Trauma aufzudecken. In den 90er Jahren brach in Fachkreise die Debatte aus, dass diese Behandlung nicht nur Verdrängtes hervorbringen kann, sondern tatsächlich vermeintlich Erlebtes selbst erschafft und in der Erinnerung von Patienten verankert. Erinnerungen werden kreiert und nicht aufgedeckt. „Regression“ ist dann auch brav in dieser Zeit angesiedelt, wenn auch nicht immer akkurat präsentiert wie Bruce Kenners (Hawke) Online-Nachforschungen deutlich zeigen, und spielt wie offensichtlich titelgebend diverse Erinnerungen gegeneinander aus, während die Polizei versucht zu ermitteln wer die 17jährige Angela (Watson) rituell misshandelte und traumatisierte.

In der Eröffnungssequenz gesteht deren Vater John (David Dencik) das Verbrechen, gibt aber zugleich zu Protokoll, dass er sich an die Tat nicht erinnern kann. Hier ist dann schon die tonall abgedämpfte und verschleierte First-Person-Sicht für den intuitiven Kenner genug, um diesen an der Glaubwürdigkeit des Geständigen zweifeln zu lassen. Dr. Kenneth Raines wird hinzugezogen. Dargestellt von David Thewlis (den meisten sicher noch immer als Remus Lupin aus der „Harry Potter“Reihe bekannt) mangelt es dem Charakter nicht an ironischer Panasch, murmelt der Brite doch meist und lässt sich bezahlen. Der britische Experte für Psychoanalyse Raines scheint im verschlafenen Minnesota zu viel Zeit zu haben und wendete Regression sowohl auf Vater als auch Tochter an. Durch die vermeintlich hervortretenden Erinnerungen rutschen dann neue Verdächtige in den Fokus der Ermittlungen, darunter Kenners junger Kollege Nesbitt (Aaron Ashmore) und Angelas einsiedlerische Großmutter Rose (Dale Dickey).

Die Beweise scheinen alle auf die Existenz eines stark verbreiteten satanischen Kults in der Kleinstadt hinzudeuten, der sich Kapuze tragend zu Schwarzen Messen und rituellen Menschenopfern zusammenfindet. Kenner, zunächst skeptisch, rutsch mehr und mehr in die waschechte Paranoia, die Hawke so überzeugend darstellen kann. Amenabar jedoch hält sich mit den versprochenen Twists viel zu sehr zurück und präsentiert offensichtliche Beweise für den Täter mindestens einen Akt zu früh. Zu seiner Ehrenrettung gibt es dann zumindest noch ein paar kitschige Scares in Form von jaulenden Katzen und Kapuzenträgern in vollem Mephisto-Outfit — alles in eine passend ungemütliche stählernd-bläuliche Optik durch Kameramann Daniel Aranyo getaucht.

Formschwäche

Amenabar weiß um den anhaltenden Wert von lebhaften Genre-Klischees. Und dies macht „Regression“ zu einer kleinen Enttäuschung. Denn anstatt sich auf Grotesken und Fieberträume zur Unterstützung einzulassen verfällt „Regression“ immer wieder in Offensichtlichkeiten. Die subtile Verwebung aus dem nun wenig spektakulären Plot um vermeintlich wahre Begebenheit bleibt aus. Zwar gibt es all die nötigen Einwürfe auf die starke Verbreitung solcher kultischer Verbrechen, aber all die reicht hinten und vorne nicht um den unsinnigen Plot aufzuwerten. Auch der Cast scheint gespalten. Hawke und Watson liefern solide und gut investierte Darstellungen ab, Nebendarsteller (besonders Dickey) werden jedoch völlig verheizt. Gleiches gilt für die Optik des Films. Als irritierendes Gegenstück zu Aranyos hochkontrastierter Darstellung gibt es immer wieder schäbige 90er VHS Sequenzen. Diese wollen zwar die Ära betonen, wirken jedoch eher störend. Auf der Plus-Seite bewegt definitiv der Soundtrack von Roque Banos (zuletzt in den Remakes von „Old Boy“ und „Evil Dead“ zu hören.

Fazit

„Regression“ wird sicherlich Zuschauer befriedigen, die „casual“ ins Kino gehen und weniger kritisch mit Filmen umgehen (keine negative Wertung an dieser Stelle). Genrefans und Freunde des Mitfieberns aber dürfte das neue Werk Amenabar als wenig erinnerungswürdig und schlussendlich enttäuschend aufnehmen.

Bewertung: 3 von 5 Sternen.***

Filmkritik von Julius, 25.09.2015