Filmkritik zu Run All Night

  

Dieser Liam Neeson. Der hat sich ja schon auf einen Typen eingeschossen. Den bewaffneten Rentner mit den besonderen Fähigkeiten, dem „particular set of skills“. Von dem können die jungen Leute noch was lernen! Das dieser Neeson da nicht wirklich alleine hinter steht, sondern, wenn es sich nicht grade um entführte Familienmitglieder dreht, auch immer der selbe Regisseur, dass liegt scheinbar alles andere als im Fokus der Zuschauerschaft. Ist aber auch egal, Hauptsache es unterhält. Nur hatten die beiden letzten Arbeiten zwar Erfolg, aber auch erzählerischer Sicht, doch ihre sehr sichtbaren Schwächen, da sie deutlich mehr auf Stil denn auf die Substanz setzten.

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Flexibilität im Alter

„High Concepts“ nennt man diese Art von Film in Fachkreisen. Doch nach „Unknown“ (Huch, ich habe Amnesie!) und „Non-Stop“ (Nur noch dieser eine Flug!) verlassen der Actionrentner Liam Neeson und sein Regisseur Jaume Collet-Serra diese ausgetretenen Pfade. Sie schaffen stattdessen ihre bisher beste und griffigste Gemeinschaftsarbeit. Und das tatsächlich nur in dem sie sich komplett an Altbewährtes in Sachen Crime-Film halten und aus einem talentierten Cast trotz engerem Budget als sonst wirklich den letzten Tropfen rausholen. „Run All Night“ ist sicherlich nicht perfekt. Aber auf seine eigene Art und Weise sehr zufriedenstellend in vielen Belangen. Viel davon ist dem überdurchschnittlichen Cast geschuldet, aber auch einer messerscharfen Schnittarbeit, die sich Hand in Hand den nörgelnden Fragen in den Weg stellen, die die Handlung von „Run All Night“ aufwirft. Und damit kommt der Film durch. Obendrein spielt Liam Neeson zum ersten Mal einen Charakter mit Tiefgang und nicht bloß den xten Aufguss eines inzwischen als Archetypen zu bezeichnenden Althelden. Hier spielt er endlich mal jemanden, der zwar sicherlich im Laufe seine Lebens öfter von sich behaupten konnte über eine Reihe spezieller Fähigkeiten verfügt zu haben, diese aber in gnadenloser Konsequenz mit einer Mischung aus Alter, Reue und Whiskey weggespült hat. Sicherlich sind in Collet-Serra Filmen schon Grundzüge dieses Charakters aufgetaucht, aber in „Run All Night“ scheint Neeson zum ersten Mal sehr freie Hand beim Spiel zu haben. „Run All Night“ ist der derzeit beste Beweis für die Aussage, dass man nicht das Rad neu erfinden muss, solang man einen Weg findet, wie es sich einfach nur etwas runder dreht.

Im Sog von Alkohol und Verbrechen

Jimmy Conlon heißt eben jener Typ mit Hang zum hochprozentigen. Und Conlon (Liam Neeson) war einmal ein gefürchteter Vollstrecker der Mafia. Einer von den Typen, die man an den Hacken hat, wenn man aus der Reihe tanzte. Wenn der bei dir an die Tür klopfte, dann wusstest du: Scheiße, jetzt bist du dran. Angeblich über ein dutzend Auftragsmorde soll er für Shawn Maguire (Ed Harris) verübt haben. Aber Abseits dieses Lebenslaufes hat Colon nicht viel, was das Leben lebenswert macht. Er ist jetzt der Typ, der am Morgen in der Kneipe erwacht, die er gestern besuchte nur um direkt weiter zu saufen. Geld hat er auch keines mehr, das muss er sich bei dem Sohn seines ehemaligen Chefs, bei Danny Maguire (Boyd Holbrook) schnorren. Der bucht den einst gefürchteten Killer als besoffenen Weihnachtsmann für die Maguiresche Weihnachtsparty. Früher zitterten die Kriminellen der Stadt beim Hören seines Namens, inzwischen wird Colon von einer jüngeren und härteren Generation von Verbrechern öffentlich zum Gespött gemacht. Obendrein hat Colon auch noch jede Verbindung zu seinem Sohn Mike (Joel Kinnaman) verloren. Dieser versucht sich mit seiner Frau Gabrielle (Genesis Rodriguez) eine Existenz als Limousinenfahrer aufzubauen. Er steht auf der ehrlichen Seite der Gesellschaft, mit zwei Kindern und einem dritten in der Mache.

Im ersten Akt überschneiden sich die Lebenswege dieser beiden Söhne. Der eine, der die verbrecherische Vergangenheit seines Vaters möglichst weit hinter sich lassen will und der andere, der so tief eben möglich in sie eintauchen möchte. Als Danny präsentiert der hochgradig talentierte Boyd Holbrook (Ruhet in Frieden, Auge um Auge) sehr überzeugend diese Art von Soziopath mit nervösem Tick und konstanter Unruhe, die bereit sind alles zu tun und damit ist wirklich alles gemeint, von dem sie glauben, dass dies ihren Vater beeindrucken könnte. So leiert Danny dann auch einen Heroin-Deal an. Sein Vater sagt nein, die albanischen Händler dahinter sehen das aber anders. Und so kommt es dann, dass Mike Danny zu einem Treffen mit jenen Albanern fahren muss, welches auf die nur denkbar schlechteste Art abläuft. Am Ende ist Danny tot und alle sind hinter Mike her. Ganz vorne weg ein sehr gut bezahlter Killer mit absoluter Coolness, der mit Common (Selma, Hell On Wheels) nicht nur optisch perfekt besetzt ist, sondern auch noch von diesem komplett ausgefüllt wird. Aus dieser Situation kann Mike einzig durch seinen entfremdeten Vater geholfen werden.

Alte Männer unter sich

Und unbestreitbar spielt Neeson diese Rolle so gut, dass man durchaus sagen kann, hier macht er seinen bisher besten Job als Actiondarsteller. Er spielt Jimmy Conlon eben nicht als die Killermaschine, die einfach von Null auf Hundert anläuft und alles wegfegt. Er spielt hingegen einen Typen, dessen muskuläres Gedächtnis grade so noch über die Erinnerung verfügt, den Job erledigt zu bekommen. Jimmy mag zwar am Ende des Lungenvolumens durch U-Bahn-Tunnel taumeln, er hat aber noch genug Kraft um einen Typen zu erwürgen oder um genug Konzentration zu sammeln um den perfekten Schuss abzuliefern, wenn es drauf ankommt. Als Sahnehäuptchen zu Neeson Performance kommt hinzu, dass diese nicht in das übliche Schema von Läuterung abdriftet. Das typische Melodrama lässt der Schauspieler einfach nicht an seine Rolle heran. Neesons Jimmy Conlon ist ein Typ, der das macht, was eben getan werden muss. Aber nicht um Vergangenes vergessen zu machen, sondern weil er einfach gottverdammtnochmal nichts besseres zu tun hat. Und auch nicht viel mehr zur Lage beitragen kann. Besonders dann, wenn Neeson und Harris aufeinander treffen, gibt dies dem Film noch eine scharfe Note. Neeson ist der Gute, ein Mörder und Killer. Harris ist der Böse, trauert aber nur ernsthaft um sein verlorenes Kind. Mit diesen beiden Schauspielern erlangen die Charaktere ein großartige Komplexität, die eine echte Bereicherung für ein eigentlich abgegrastes Genre.

Fazit

Man könnte sich noch recht umfangreich über die weiteren Vorzüge von „Run All Night“ auslassen. Und natürlich hat er auch seine nicht so gut gelungenen Momente, denn perfekt ist er, wie gesagt nicht. Es gibt einige Lücken und in dem Setting könnte es für einen echten Genrestreifen noch deutlich härter zu gehen. Aber es ist ein weiterer Schritt in die Richtung, die Neeson mit „Ruhet in Frieden“ eingeschlagen hat. Für Fans von Action und Thriller ein gut angelegter Kinobesuch.

Bewertung: 4 von 5 möglichen Sternen.****

Filmkritik von Julius, 13.04.2015

Mehr Informationen zu "Run All Night"

Noch mehr Informationen zu diesem Film findet ihr hier. Euch erwarten, Bilder, Trailer, Poster und mehr. Kinostart für "Run All Night" ist am 16. April 2015.