Filmkritik zu Star Wars: Das Erwachen der Macht

  

Star Wars ist ein Phänomen. Eines das sich in den Köpfen von Generationen festgesetzt hat, eines, über welches Doktorarbeiten geschrieben und unzählige Dokumentationen gedreht wurden. Star Wars ist aber auch eine sehr subjektive Erfahrung und „Star Wars — Das Erwachen der Macht“ bildet da keine Ausnahme. Deswegen wird im Unterschied zu sonstigen Filmkritiken zunächst mein ganz persönlicher Eindruck — spoilerfrei — wiedergeben. Ihr könnt also einen Blick auf mein Inneres in Worten während „Das Erwachen der Macht“ erhaschen.

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Mein Erwachen der Macht

Vor 32 Jahren fiel für „Star Wars“ mit den letzten Minuten von „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ der letzte Vorhang. Angeblich sollen in den frühen 2000er (und ganz späten 1990er) Jahren noch drei weitere Filme erschienen sein. Glücklicherweise habe ich in dieser Zeit, zwischen Abi, Zivi und den ersten Semestern recht viel getrunken und andere das Gehirn belastende Substanzen zu mir genommen, so dass ich mir da nicht absolut sicher bin.

Nachdem die versammelte Weltprominenz am Abend des 14.12. im entlegenen Los Angeles der Premiere beiwohnen durfte, hatte Disney für den Morgen des 15.12. zur allgemeinen Pressevorführung geladen, nur etwa anderthalb Tage vor den ersten offiziellen Vorstellungen. Oftmals sind derartig knappe Terminierungen kein gutes Zeichen. Man könnte behaupten, dies schwebte über den kritischen Köpfen der versammelten Journalie wie ein tieffliegender Sternzerstörer. Der ein oder andere meiner Kollegen hatte laut eigener Aussage bereits seit Wochen die Vorangst (oder Vorfreude, je nach Seite der Macht) im Nacken sitzen. Mir als Spät-Star-Warsianer war sie erst am späten Montag in den Nacken gekrochen, was zu einer spontanen Late-Night-Sichtung der Epsioden IV bis VI führte. Allerdings raffte mich dabei die Müdigkeit vor Han Solos Tieffrierung in „Star Wars: Das Imperium schlägt zurück“ dahin.

Pünktlich stand ich mit klugen Kollegen am angepeilten Kinosaal, es gab die genausten Kontrollen, die ich bisher erlebt (oder so wahrgenommen habe) und nach gefühlten 20 Minuten Verspätung und zwei Trailern endlich „Das Erwachen der Macht“.

Der amtliche Hollywood-Opener mit dicker Dramatik, einer Portion Pathos und der Präsentation von drei Hauptcharakteren machte auch direkt die Marschroute deutlich und fügte sich perfekt in das erhoffte Star Wars Erlebnis ein. Und das lies mich erst einmal nicht mehr los. Zwischen dem Überleben auf einem galaktischen Schlachtfeld ohne einen Tropfen Wasser am Rande des Universums, rasanter Verfolgungsjagden,  Beholderfressattacken und den Auftritten fiestester Weltraum-Nazis gab es wenig Zeit Luft zum Luftschnappen. Das erste Drittel von „Das Erwachen der Macht“ war schlicht und ergreifend ein Brett. Im zweiten Drittel ging es dann ein wenig mehr um die Hintergründe, um Charakterspiel um wichtige Entscheidungen, um wichtige Ausblicke und die Zukunft. Die hier installierten Überraschungen empfand ich als etwas zu offensichtlich (aber nicht störend) und der wenige Schlaf drohte sich in meinem Oberstübchen breit zu machen. Zwar konnte mich „Das Erwachen der Macht“ auch hier immer wieder erwecken, aber der anfängliche Schwung schien sich ein wenig zwischen zwei Planeten verabschiedet zu haben. Bis zum dramatischen Höhepunkt zumindest. Der hat mich nicht eiskalt erwischt, aber mich dennoch leidvoll aufstöhnen lassen. Von da ab war es auch gefühlt nur noch ein Ewok-Hopser bis zur letzten Einstellung. Und nein, die Trailer haben nicht zu viel verraten.

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Klare Strukturen

Das „Erwachen der Macht“ bedeutet in Anbetracht der Klonkriege und der Episoden I bis III einen Rückschritt und ein Besinnen auf alte Werte. Es ist nicht die Geschichte von Jedi-Meistern und Handelsimperien. Es ist eine Geschichte von Helden wieder Willen. Eine von alten Männern, die lieber Monster fangen und sich am Ende der Galaxie verkriechen, anstatt sich mit den Früchten ihrer eigenen Vergangenheit zu beschäftigen. Es ist eine voller Vaterkomplexe, voll von Shakespeare und griechischer Tragödie. Und es ist eben nicht die heile Welt, die sich eventuelle dem ein oder anderen mit dem Ende von Episode VI angekündigt hat. Dafür ist es aber endlich wieder eine, in der es auf jedem Planeten nur eine Kultur und ein Ökosystem gibt und alles nur eine rasante Fahrt entfernt liegt. Es gibt kein pseudo-wissenschaftliches Blabla, sondern eigentlich Fantasy. Es bedarf keiner Begründung, wenn ein Stormtrooper des First Order einen dicken Knüppel dabei hat, mit dem sich Lichtschwerter parieren lassen — sofern das eine gute Szene ergibt.

Und genau diese Mischung hilft der recht einfachen Geschichte von „Star Wars — Das Erwachen der Macht“ erheblich. Zwar tauchen im Verlauf des Filmes ein paar Schnitzer und kleinere Ausrutscher auf. Aber im Gesamtbild des Filmes sind diese locker zu verschmerzen.

Junge Helden und Schurken

Schauspielerisch wissen vor allem die Neulinge unter den Hauptcharakteren zu punkten. Ganz vorne steht hier Daisy Ridley als Rey. Das auf sich gestellte und kaum erzogene Schrottplatzkind mit dem goldenen Herzen und einem Händchen für technische Gerätschaften nimmt man ihr in jeder Minute ab. Sie bietet einen so typischen Heldencharakter voller Charisma und Frische, wie ihn die Star Wars Franchise unbedingt zum Durchhalten braucht. Der schon deutlich bekanntere John Boyega („Attack the Block“) liefert ebenfalls eine gute Performance ab, auch wenn er mit seiner Mitstreiterin nicht ganz mithalten kann. Ihnen gegenüber steht Adam Driver als Kylo Ren. J. J. Abrams hätte für die Rolle des innerlich von Hass, Zorn, Angst und dem Drang seiner (nicht ganz) selbstgewählten Vaterfigur nacheifernden Sith-Azubis schwerlich einen besseren Kandidaten wählen können. Auch wenn einiges an Zeit vergeht, bis sich zum ersten Mal sein Helm hebt, so kommt sein Spiel in jeder Einstellung hervorragend rüber. Allerdings muss man ihm zu Gute halten, dass es grade sein Charakter ist, der am schlüssigsten in den noch geltenden Star-Wars-Kanon integriert ist. An seiner Seite steht Domhnall Gleeson als Führer Hi...ähm.. General Hux. Er liegt hin und wieder ein paar Noten über dem, was man von engagierten Mitarbeiter des Imperiums gewohnt ist, allerdings ist der First Order auch eine deutlich radikalere Version des alten Imperiums. Wenn wundert's, denn aus den noch aktiven Resten totalitärer Systeme sind selten weniger krasse Gesellschaften hervorgetreten.

In der ersten Reihe fehlt dann nur noch Harrison Ford als Han Solo. Auch wenn der 75jährige gar nicht so die große Lust hatte in die Rolle des berühmtesten Schmugglers (und General a.d.) zu schlüpfen, so ist es er, der den Film mit der Würde des Alters bereichert. Im Gegensatz zu ein paar Anlehnungen an die originale Trilogie wirkt Ford nicht wie ein Fossil. Eher wie ein nicht ganz in Würde gealterter Millennium Falcon.

Der weitere Cast hingegen ist nicht unbedingt einer Erwähnung wert. Oscar Isaacs hat leider viel zu wenig Platz um wirklich zu spielen, Carrie Fisher als Prinzessin, Pardon, General Leia Organa hat in etwa so viel Dialog und Mimik wie Gwendoline Christie als Captain Phasma. Einzig die Rolle von Andy Serkis als Supreme Leader Snoke wirkt etwas fehl am Platz.

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Fazit

„Star Wars — Das Erwachen der Macht“ nimmt sich angenehm zurück. Hier dürfen Azubi und Praktikantin die Lichtklingen kreuzen und Gefreite über den weiteren Lauf der Geschichte entscheiden. Für den beinharten Star-Wars-Jünger gibt es eine ordentliche Portion an Anlehnungen an die alten Filme und für den jungen Padawan genug zu entdecken — ohne dabei Episoden IV bis VI auswendig gelernt zu haben. Auf eine Sichtung der Episoden I bis III lässt sich sogar, falls bisher nicht durchlitten, komplett verzichten. 3D ist nicht unbedingt notwendig, lohnt sich allerdings in ein paar sehr guten Tiefeneinstellungen und einer rasanten Runde rund um das Wrack eines Sternenzerstörers.

PS: Ich geh nächste Woche wieder rein.

Bewertung: 4 von 5 Sternen.****

Filmkritik von Julius, 16.12.2015 / Bilmaterial (c) Disney/Lucasfilm