Filmkritik zu Steve Jobs

  

Wenn jemand behauptet, Steve Jobs hätte die meisten von uns „berührt“, dann nötigt das Nicht-Apple-Jüngern oftmals ein gequältes Lächeln ab. Dabei ist es schwer bis unmöglich in der „westlichen Zivilisation“ eine Person zu finden, die nicht schon eines der vielen „i“ Produkte ihr eigen nennt oder zumindest benutzt hat. Im Vergleich zu der jesushaften Stufe, auf die Jobsianer und Appleisten den Miterdenker des Hard- und Softwaregigantens setzen ist diese Behauptung noch eine sehr dezenten. Danny Boyle hat sich nun mit Michael Fassbender als Steve Jobs dessen Geschichte angenommen.

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Steve Jobs ist ab dem 12. November in den deutschen Kinos zu sehen.

Hinter den Kulissen

Wie von Danny Boyle (der unter anderem „Trainspotting“, „28 Days Later“ und „Slumdog Millionär“ in seinem Portfolio anführen kann) zu erwarten geschieht dies auf eine weniger informative als anschauliche Art. Der packende Film spielt hinter den Szenen von drei wichtigen Produktlaunches während der Ägide Jobs. Alles beginnt damit, dass der Mitbegründer von Apple noch Minuten vor der öffentlichen Präsentation des Macintosh 1984 ausrastet, da sein Team den Computer nicht dazu bringen kann „Hallo“ zu sagen. Es erscheint pedantisch und obsessiv. Allerdings sind diese Eigenschaften im Falle von Steven Jobs auch irgendwie Qualitäten. Und er hat damals bereits den Weg dahin geebnet, was heute als Standard erscheint: Technik, die mehr als nur Technik ist, sondern vielmehr unser täglicher und hilfreicher Begleiter in allen Lebenslagen.

Dass dieser Mann, dem Kommunikation und gutes Befinden seiner Kunden so am Herzen liegen, so extrem kalt und ablehnend seinem direkten Umfeld gegenüber war sind faszinierende Widersprüche die im Fokus von „Steve Jobs“ liegen. Regisseur Danny Boyle, Drehbuchautor Aaron Sorkin und Michael Fassbender gehen dieses Thema sehr ambitioniert und mit Elan an.

Steve Jobs und Kollegen

Häufig findet dies Ausdruck darin, dass Jobs jedes Detail seiner Präsentation bis ins allerkleinste micro-managen wollte. Allerdings konnte Jobs schlussendlich nur das kontrollieren, was wirklich in seinen Händen lag. Nicht aber wer mit ihm in Kontakt tritt, wer mit ihm spricht und wie die Öffentlichkeit auf seine Produkte reagiert. Umstände, die für Steve Jobs wie Angriffe auf seine Denkwelt erscheinen mussten um die er eine Fassade von vorsichtig erbauter Coolness und Gelassenheit erschaffen hatte.

Diese Eindringlinge schließen seinen Partner und alten Freund Steve Wozniak (mit sehr viel Intelligenz und Pathos von Seth Rogan gespielt), Apple CEO, Jobs Vaterfigur und der Mann, der Steve Jobs um seinen Job brachte, John Sculley (Jeff Daniels) und Chrisann Brennan (Katherine Waterson) ein. Letztere ist die Mutter von Steve Jobs Tochter Lisa, von der er jahrelang abstritt der Vater zu sein oder sie gar finanziell zu unterstützen. Lisa wird durch drei sehr gute Darstellerinnen an den für „Steve Jobs“ wichtigen Momente dargestellt, durch Makenzie Moss im Alter von fünf Jahren, durch Ripley Sobo im Alter von neun und durch Perla Haney-Jardine im Alter von neunzehn Jahren.

Und natürlich haben wir im Reigen der Schauspieler Michael Fassbender als Jobs persönlich. Er ähnelt Steve Jobs körperlich kaum, aber er bringt den nötigen Druck und die angemessene Ruhelosigkeit mit. Fassbender ist nie davor zurückgeschreckt beschädigte oder schwierige Charaktere zu spielen, ob nun in „Shame“, „12 Years a Slave“ oder gar bei „X-Men“ als der jüngere Magneto. In „Steve Jobs“ aber ist es eine reale, eine extrem bekannte und sehr durchleuchtete Person, die er über den zeitraum von 14 Jahren präsentiert - mit langen Haare und Fliege bis hin zum schwarzen Rollkragen und Brille. Fassbender (derzeit auch mit auch als Macbeth in Justin Kurzels „Macbeth“ im Kino) stellt sich dieser Herausforderung mit Spielfreude. In keinem Moment zögert er die arroganten und widerwärtigen Eigenschaften von Jobs darzustellen. Aber er schafft es im gleichen Maße „seinen“ mit einer Präsenz und Zielstrebigkeit zu versehen, die ihn nicht anziehend, sondern auch als idealen Anführer erscheinen lassen. Diesem Mann war es einfach egal ob er gemocht wurde.

Durch alle Momente steht Fassender/Jobs Kate Winslet als Joanna Hoffman zur Seite. Sie ist seine starke Rechte und dringend benötigte Stimme der Vernunft. Winselt hat in „Steve Jobs“ einige kraftvolle Momente die sie mit überzeugendem Druck routiniert abliefert. Grade ihr Zusammenspiel mit Fassbender gehört zu den Höhepunkten von Boyles Biopic. Es muss alle Beteiligten sehr viel Energie gekostet haben, diese Szenen so abzuliefern, wie es geschieht. Sie wirken trotz des strotzenden Dialogs vom Habitus her extrem natürlich.

Ekel Steve in drei Akten

Aber „Steve Jobs“ ist nicht nur Fassbender und Boyle. „Steve Jobs“ ist auch Aaron Sorkin („The West Wing — Im Zentrum der Macht“, „The Social Network“, „The Newsroom“). Und so ist das Drehbuch angefüllt mit geistreichen Bemerkungen und klugen Wortwechseln wie sie das Leben niemals bietet. Aber dies schaffen Sorkin und der hervorragende Cast mehr als Mittel zur Unterhaltsamkeit zu nutzen als es als Fremdkörper erscheinen zu lassen. Sorkins Drehbuch ist aber auch ein mutiger Ansatz. Anstatt den Weg einer klassischen, filmischen Biographie zu gehen pickt er sich nur wichtige Momente aus Jobs Leben und konstruiert um diese ein Drama in drei Akten. Trotz der Größe und Lebendigkeit in allen Details fällt es nicht schwer sich „Steve Jobs“ als Bühnenstück vorzustellen. Im Vergleich des üblichen Verlaufs von der Wiege bis ins Grab solcher Filme ein extrem erfrischender Ansatz.

Natürlich ähnelt „Steve Jobs“ irgendwie „The Social Network“. Jobs war, genau wie Zuckerberg es ist, ein revolutionäres Genie. Beide haben erkannt wie sie Menschen verbinden und zusammenbringen können. Und dies obwohl sie selber zumindest latent unter sozialen Behinderungen leiden sobald es um ihr eigenes Umfeld geht. Sorkin trägt auch diesem Thema mit viel Gefühl Rechenschaft. In „Steve Jobs“ (genau wie im für Sorkin mit einem Oscar prämierten „The Social Network“) erscheint dies mit der nötigen Ironie und der passenden Bitterkeit, wenn sich die ekelhaften Auswüchse dieser Charakterzüge präsentieren. Der Umstand alleine, dass es Sorkin und Boyle durch Fassbender schaffen Jobs dennoch dem Publikum als sympathisch erscheinen zu lassen ist ein Geniestreich.

Fazit

„Steve Jobs“ ist kein Film, der einem einen umfassenden Überblick über Steve Jobs Leben liefert. Er bringt Auszüge als beispielhafte Episoden auf die Leinwand. Aber dies geschieht auf eine fesselnde und hochwertige Art. Die Erzählung ist tadellos und die Performances mehr als nur sattelfest. Und „Steve Jobs“ ist in allen Belangen einfach ein Film den Mann und Frau gesehen haben sollten.

Bewertung: 5 von 5 Sternen.*****

Filmkritik von Julius, 09.10.2015