Filmkritik zu The Forest

  

Als Kinobesucher sind wir sie hinlänglich gewohnt, die Abläufe von Schrecksequenzen. Erst ist es die gruselige Musik, zu der einer der Charaktere durch eine schaurige Örtlichkeit irrt. Dann steigert sich die Musik hin zu diesem unausweichlichen Augenblick und ist dieser schließlich eingetreten, dann gesellt sich zu dem Heulen, dem Kreischen, dem Schreien oder dem Zähneklappern des Erschreckenden meist ein dissonanter, fast ein wenig ohrenbetäubender Stich aufseiten des Soundtracks. Ob nun Monster, maskierter Mörder, bleiches, dämonisches Kleinkind, sie alle gehen nach dem selben Schema vor. „The Forest“ stemmt sich, für eine Weile, gegen dieses Vorgehen.

szenebild the forest

The Forest könnt ihr ab dem 04.02.2016 im Kino anschauen.

Erdrückende Stille in „The Forest“

Für sein Leinwand-Debüt hat sich Regisseur Jason Zada nicht die übliche Route ausgesucht. Sicher, unsere Protagonistin spaziert durch eine Aneinanderreihung dunkler und vermutlich finster beseelter Orte, aber die musikalische Untermalung ist daheim geblieben. Stimmung wird nur durch den Rhythmus des Schnitts und die Geräusche des gegebenen Hintergrunds aufgebaut. In der Theorie ein sehr erfrischender Ansatz. Wenn es zum Scare kommt, dann fehlt der misstönende Hinweis durch die Musik. An Knurren, Schreien, Quietschen, Heulen, Kreischen, Kettengerassel natürlich mangelt es nicht, denn die Reflexe und Lebenszeichen der Zuschauer wollen getestet werden. Zada hat offensichtlich begriffen, dass die bekannten Vorgehensweisen des Horrorkinos ein wenig schal und vorhersehbar geworden sind. Klugerweise versucht er nicht das Rad neu zu erfinden, sondern diesem lediglich ein wenig der auralen Traktion zu nehmen.

Sich zu wünschen, dass dies den kompletten Ablauf von „The Forest“ durchgezogen würde, wäre wohl zu viel des Guten in einer Zeit, in der beinah jeder Horrorfilm für das breite Publikum mit der identischen, letzten Einstellung endet: Fokus auf die Fratze einer vermeintlich erschreckenden Entität, die zum Dank für diese finale Aufmerksamkeit auf die Kamera zueilt. Wiedersehen im nächsten Teil. „The Forest“ stellt sich eben nicht gegen jeden Trend und alle anderen, bekannten und billigen Tricks finden reichliche Anwendung. Es keimt im Verlauf mehr und mehr der Eindruck auf, als würde Zada in „The Forest“ die angenehme Abwesenheit der einen Schreckenstaktik mit allen anderen kompensieren müssen.

Bitte nicht die Grünflächen abseits der Wege betreten

Der Verlauf wovon eigentlich? Nachdem Gus Van Sant mit einem Besuch im Aokigahara, dem Selbstmörderwald Japans unter dem Titel „The Sea of Trees“ einiges, nur keinen Applaus eingefahren hat, schickt Zada nun die wunderschöne Natalie Dormer („The Hunger Games“, „Game of Thrones“) zu dem fluchbeladenen Ort. Sie spielt Sara Price (nicht verwandt oder verschwägert mit Vincent). Sara hat es nach Tokio verschlagen, da sie einen Anruf der örtlichen Behörden erhielt, dass ihre Zwillingsschwester (hach, ebenfalls gespielt von der wunderschönen Dormer) vermisst wird. Zuletzt wurde sie dabei gesehen, wie sie in den Aokigahara marschierte, einem nur vermeintlich harmlosen Wald am Fuße des Fuji, der als DER Selbstmörderwald in moderne Legenden Einzug gehalten hat. Grund dafür ist eine unbestreitbar hohe Anzahl an Personen, die ihrem Leben in diesem Wald ein Ende gesetzt hat. Allerdings müsste dann, rein der Fairness halber, die Golden-Gate-Bridge ebenfalls ein zu meidender Ort sein. Ist sie aber nicht. Der Grund dafür sind in „The Forest“ die Geister des Waldes, die sich von der Traurigkeit menschlicher Waldbesucher ernähren und diese im Verlangen auf mehr in den Suizid treiben. Und natürlich haben die eineiigen Schwestern derlei tief in ihrer Vergangenheit vergraben.

Auch wenn jeder sie warnt, Sara lässt sich durch nichts davon abbringen nach der Person in diesem Wald zu suchen, die gemäß ihrer eigenen Worte genau so aussieht wie sie, nur mit schwarzen Haaren. Dabei bekommt sie irgendwann Gesellschaft von Aiden (Taylor Kinney), einem reisenden Journalisten, der glaubt einer heißen Story in Form der traurigen (und sagte ich schon wunderschönen?) Sara auf der Spur zu sein und Michi (Yukiyoshi Ozawa), der dem Aokigahara auch Abseits der Handlung von „The Forest“ Besuche abstattet um Verschwundene, respektive deren Überreste, einzusammeln.

Das Drehbuch aus der Feder von Nick Antosca, Sarah Cornwell und Ben Ketai hat es eilig wie ein hormongelenkter 16jähriger auf seinem ersten Date in Fahrt zu kommen und spult einfach die Exposition in Form von Rückblenden ab, während Sara in Tokio eintrifft, braucht dann aber Ewigkeiten um an den Punkt zu gelangen, ab dem es leidlich interessant werden könnte. Sara deckt mehr und mehr Details über ihre Zwillingsschwester Jess und die Umstände auf, die zu deren Verschwinden führten. Zur Belohnung gibt es Szene um Szene in der sie durch dunkle Örtlichkeiten irrt, nur um zu erkennen, dass alles nur ein Traum war. Dies ist leider kein Spoiler, denn dieses düstere Karnickel zaubert Zada so oft aus seinem Hut, dass so die meiste Spannung der ersten Szenen sich auflöst wie das Sexappeal jenes 16jährigen auf Grund von Ungeschicklichkeit. Und schnell wird erkennbar: was immer sich Zada von seinem gutgemeinten, minimalistischen Ansatz in Sachen Score erhoffte, er macht alles durch den erdrückenden Einsatz von repetitiver Routine und Vorverdauung zunichte.

Im Wald, da sind die Räuber

Die zentrale Örtlichkeit der Handlung, ein realer Ort mit einer realen und traurigen Statistik, gibt ein großes Versprechen ab und hat Potential (auch wenn man es durchaus kritisch betrachten sollte, ob ein solcher Ort wirklich für filmische Ausbeutung herhalten muss). Jenes Versprechen versucht Zada durch flüchtige Eindrücke, Nebel und Absperrungen am Wegesrand einzulösen. Zwar kann hier noch der Ansatz erkannt werden, dass Sara längst den Unterschied zwischen Realität und Traum nicht mehr ausmachen kann, aber im finalen Akt von „The Forest“ hat sich die Handlung bereits heillos in sich selbst verrannt und scheint ebenfalls den Freitod anstreben zu wollen in Form der üblichen, wenig beeindruckenden Wendung am Schluss. Zum Glück ist Natalie Dormer da und kann einfach 95 Minuten angehimmelt werden.

Fazit

Die Bewunderung für all das, was Zada zu Beginn von „The Forest“ richtig macht, hält nicht lang, denn alles endet in Wiederholungen des selben Trommelschlags. Hat es sich erst einmal ausgewaldet bleibt nur ein Achselzucken für das, was lange vorhersehbar war.

Bewertung: 1 von 5 Sternen.*

Filmkritik von Julius, 20.01.2016