Filmkritik zur Bestellerverfilmung: Er ist wieder da

  

Wenn in einem Hinterhof in Berlin jemand eines Morgens bar seiner Erinnerung erwacht, so möchte man direkt ein bis zwei durchfeierten Nächten im Berghain die Schuld geben. In „Er ist wieder da“ jedoch ist es nicht ein Besucher des ehemaligen Heizkraftwerks am Ostbahnhof, der von den Toten zurückkehrt, sondern der vermutlich berühmteste aller Zugezogenen. Denn in unmittelbarer Nähe des Hinterhofs, auf dem der Protagonist der Bestseller-Verfilmung erwacht, liegt, sicher zugemauert und einbetoniert, seine alte Bleibe: Der Führerbunker.

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Er ist wieder da startet am 08.10.2015 in den deutschen Kinos. Mehr Informationen Trailer und Bilder gibt es in unserer Filmdatenbank.

Hitler ist, wenn man trotzdem lacht

Manch einer würde Adolf Hitler lieber sicher genau dort unten eingemauert sehen. Aber was auch immer mit dem gescheiterten Maler aus Wien und größten Verbrecher der Menschheitsgeschichte geschah, ob er unweit seiner letzten Bastion verbrannt wurde oder ob seine Gebeine in Moskau endeten, sein Geist und geistiges Erbe sind sehr wach. Nun aber haben die Bewohner der Landstriche zwischen Westfalen und dem wilden Osten Sachsens schon immer ein Humorproblem. Eigentlich muss eine Sache wirklich verstanden worden sein um sich über sie lustig zu machen. Es verlangt Reflexion für einen guten Witz. Das Dritte Reich ist für jeden Schulbesucher kein Fremdwort, wirklich hängen bleibt bei dieser Repetition in Unmenschlichkeit aber allem Anschein wenig. Dahingehend stellen die Bewohner Deutschlands bei weitem keine Ausnahme dar. Rund um die Führungsriege Nazideutschlands bilden sich nach wie vor Mythen, Halbwahrheiten und schlichte Unsinnigkeiten. Norman Ohlers Buch „Der totale Rausch“ hat erst kürzlich gewagt einen Bereich der Aufarbeitung und Geschichtsforschung zu betreten, vor dem bisher die meisten deutschen Historiker zurückgeschreckt sind.

Zurückgeschreckt, ob nun aus mangelnder Reflexion oder falschem Pietätsverständnis, sind lange auch die deutschen Filmschaffenden vor der Person Adolf Hitler abseits grimmiger Geschichtsstudien. Und selbst auf letzte Art musste 10 Jahre bis nach Kriegsende gewartet werden. Spätestens jedoch seit Dani Levys „Mein Führer“ mit Helge Schneider als Adolf Hitler darf auch ganz offiziell über Hitler gelacht werden.

Geschickte Inszenierung

Dabei ist Hitler im Verständnis vieler Menschen längst zu einer Karikatur seiner selbst irgendwo zwischen Walter Moers, Bruno Ganz und der Eröffnungssequenz von „Schtonk!“ geworden. Von anderen, meist us-amerikanischen filmischen Auseinandersetzungen seit „Der Große Diktator“ einmal völlig abgesehen. „Er ist wieder da“ zeigt aber anschaulich und geschickt zwischen Dokumentation und Inszenierung, dass das Gelächter über den Mann aus Braunau am Inn schneller im Hals stecken bleiben könnte, als es dem achso toleranten deutschen Michel lieb wäre. Jener entdeckt seinen Führer nämlich ganz neu nachdem dieser aus seinem 69 Jahre währenden Dornröschenschlaf erwacht und vom TV-Reporter Sawatzki (Fabian Busch) der breiten Öffentlichkeit präsentiert wird. Schnell wird dem Zuschauer deutlich, dass viele der Charaktere, ob nun Chefredakteur (Christoph Maria Herbst) oder Eva Brau... Entschuldigung, Senderchefin (Katja Riemann, immerhin zum dritten Mal in ihrer Schauspielkarriere an des Führers Seite), sich ebenfalls nicht so ganz sicher sind, wie sie dem Mann mit dem Charlie-Chaplin-Gedächtnisbart gegenüber treten sollen.

In Timur Vermes Romanvorlage finden die Ereignisse um den wieder auferstandenen Hitler auf einer recht hohen Ebene statt. Es dreht sich um Parteien, Empfänge, Theater und YouTube. David Wnendt aber bringt den Führer auf die Straßen zurück. Dahin, wo seine politische Karriere begann und dort, wo er auch abseits von Kinoleinwänden noch immer sein geistiges Unwesen treibt. Anstatt den einfachen Weg zu gehen, etwas von medialer Inszenierung zu erzählen oder auf pure Comedy zu setzen, hat sich Wnendt (mit dem Thema Rechtsradikalismus wie in „Die Kriegerin“ belegt sehr vertraut) einen Weg gewählt, wie wir ihn am ehesten von Sacha Baron Cohen kennen. Mehr und mehr wird der durch den Wiener Theaterdarsteller Oliver Masucci dargestellte Hitler zu einer öffentlichen Projektionsfläche, die den hässlichen Deutschen aus seiner Umgebung herauskitzelt. Stets im Ungewissen lässt uns Wnendt dabei allerdings, ob wir es nun mit Inszenierung oder Dokumentation zu tun haben. Viele der „Straßenszenen“ sind offensichtlich nicht anhand eines Drehbuchs entstanden, beteiligte Akteure keine Schauspieler. Aber Eskalationen, ob nun im kleinen in Form von zum Gruß erhobener Rechten durch Passanten jeglicher Herkunft und Hautfarbe oder eines Lynchmobs gegen Volksverräter sehen sich in direkter Nachbarschaft wie komplett künstlich, aber dennoch auf real gemacht Stürmungen der NPD-Zentrale in Berlin durch den Führer persönlich.

Hitler — Ein Sommermärchen

Wnendts „Er ist wieder da“ wird durch diese Mischung zu einem sehr merkwürdigen, aber auch denkwürdigen und seltenen Erlebnis. Der dokumentarische Rahmen und die Nähe zur alltäglichen Realität zwischen Dügida, Pegida, Hogesa und NSU berauben den Zuschauer um die Möglichkeit sich hinter eine Leinwand zurückzuziehen. Wem schon das Ansehen einer Folge Stromberg weh tat, der oder die wird in „Er ist wieder da“ richtig leiden müssen. Sicherlich gibt es immer wieder komische Elemente. Wenn Hitler sich beim Bewundern des Alpenpanoramas einen Stromschlag holt, haben wir es wieder mit dem Witz namens Hitler zu tun. Der armen Wurst, die es nicht zum Künstler brachte und deswegen Millionen von Unschuldigen in Gaskammern ermorden ließ. Oliver Masucci als Hilter bleibt in jedem dieser Momente seiner Rolle treu. Er ist trocken und humorlos und führt damit „Er ist wieder da“ und Adolf Hitler ein weiteres Mal in sich ad absurdum. Er schafft es den medialen Hitler, der mit der Faust auf den Tisch schlägt und auf YouTube mit „Nein, Nein, Nein“ in der Dauerschleife läuft mit dem Party-Patriotismus von Fan-Meilen und dem zwanghaften Nicht-Ernst-Nehmen-Wollen der Bestie in Menschengestalt zu vereinen.

Fazit

Viele der komischen Passagen von „Er ist wieder da“ wurden bereits im Trailer ausgeschlachtet. Einige weitere sind den Lesern und Hörern des Buches bekannt. Wirklich sehenswert aber sind all die Stellen, die von Wnendt hinzugedichtet wurden und deutlich machen, warum er zu den besseren deutschen Filmschaffenden der letzten Jahre gehört. Wer „Borat“ zu schätzen weiß, wer einen Blick, zwischen Satire und Alltag, in die Seele des Mannes und der Frau von der Straße im Bezug auf finsterste deutsche Vergangenheit werfen möchte und wer an sich selber erfahren mag, wie wenig wir doch ernst nehmen wollen, der oder die ist in „Er ist wieder da“ sehr gut aufgehoben.

Bewertung: 4 von 5 Sternen.****

Filmkritik von Julius, 07.10.2015