The Nice Guys Filmkritik

  

In „The Nice Guys” lässt Regisseur Shane Black nicht nur Comedy und Crime, Russell Crowe und Ryan Gosling, sondern auch moralischen Trash und hohe Erzählkunst kollidieren. Filmisch ein Spagat zwischen den 80ern und unserer Gegenwart, verschiebt er ein klassische Noirgeschichte um Plattfüße in Los Angeles in ein anachronistisches Abbild der 70er. Zwei absolute Galgenvögel werden zu Helden stilisiert, die sie so nie sein würden, deren Taten allerdings filmisch auf so sattelfestem, moralischem Grund fußen, dass sich der Zuschauer vor Lachen den Bauch halten muss.

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The Nice Guys sollte man sich vormerken. Ab 02. Juni im Kino!

Lasst Fäuste sprechen

Crowe spielt in dieser hervorragend Mixtur einen freiberuflichen Schläger. Einen Typen, der verhindert, dass die Tochter den Drogendealer datet, indem er letzterem einen Besuch abstattet und seine Schlagringe die Überzeugungsarbeit leisten lässt. Ihm an die Seite gestellt wird in „The Nice Guys“ ein freundlicher Tollpatsch und Privatdetektiv, gespielt von Ryan Gossling. Jener ist zu unbeholfen und ehrlich, wie ersterer schroff und gewalttätig ist. Gemeinsam machen sie im Jahr 1977 Los Angeles unsicher. Boogie-Nights, Polyesterhosen, dazu eingeschlagene Schädel, zerstörte Partys, flüchtige Killer und eine Verschwörung, der es irgendwo gelingt sich zwischen den unterweltlichen Machenschaften der Pornoindustrie und den Bestrebungen der drei großen Autohersteller den Katalysator zu verhindern einfindet. Dahingehend ist „The Nice Guy“ albtraumhafte Political Correctness. Mühelos stürzt Shane Black aber den moralischen Unterbau mit einer außerordentlich brutalen Revue um. Es ist eben diese Art von Buddy-Ballerei, die seit den 80ern ihr Unwesen treibt. Mit dem wichtigen Unterschied, dass „The Nice Guys“ mit einer einzigartigen Cleverness sich der eigenen Trivialität annimmt und zwei Hauptdarsteller ins Feld führt, die ihre eigene Gravitas mit viel Style und Spielfreude herabdrehen. Unterm Strich: Popcornkino von Leuten, die wissen, was sie tun.

Denn auch wenn die moderne Buddy-Action eigentlich mit „Zwei Banditen“ Ende der 60er seine Anfänge nahm, so war es Shane Black, der mit „Lethal Weapon“ 1987 das Maß der Dinge festlegte. So, wie er als Drehbuchator in „Lethal Weapon“ hochexplosive Action, politisch unkorrekten Humor und absoluten Wahnsinn zusammenrührte, ist dies der direkteste Vergleich der mit „The Nice Guys“ anzustreben ist. Mit einem wichtigen Unterschied. In „Lethal Weapon“ hat Black selber nicht hoch gezielt, danach den zweiten Teil geschrieben (und einige weiter Klassiker des Buddy Kinos). 2005 nahm er erstmals selber auf dem Regiestuhl platz und lieferte mit „Kiss Kiss Bang Bang“ ein smarte Krimikomödie ab, die vielleicht etwas zu schlau im Humor sein wollte, aber Robert Downey Juniors Stern wieder steigen ließ. 8 Jahre später lieferte er mit „Iron Man 3“ einen der besten Marvelfilme bisher ab. In „The Nice Guys“ nun erleben wir Shane Black als den Kindskopf, der „Lethal Weapon“ erdachte, aber mit der Schläue und dem Geschick des Mannes, der „Iron Man 3“ drehte, erzählt. Genau wie das Tony Stark Abenteuer überrascht „The Nice Guys“ von Minute Eins an und auch bei vollem Bewusstsein darüber, dass man sich grade einen extrem flachen Film anschaut, kommt man nicht umhin verblüfft zu werden.

Charakterkollision

Apropos verblüffen: Russell Crowe hat über die Jahre so oft den Typen gespielt, den das Leben ein wenig in die Breite getrieben, Hängebacken ins Gesicht gepresst und rund herum abgenutzt hat. Mimt man eine Rolle zu oft, beginnt sie einen selbst zu definieren, sie wird Teil des Schauspielers, er nutzt sie selber. Genau diese Aura umgibt Crowe. In „The Nice Guys“ stellt er Jackson Healy dar, zusammengekniffene Augen, rundlich, in schmutzig-blauer Lederjacke, die Haare tollig zurückgekämmt. Optisch irgendwo zwischen Gebrauchtwagenhändler und Kredithai. Nur arbeitet er nicht für eine Bande, sondern für jeden, der ein paar Kröten springen lässt. Es bereit besonders viel Freude ihn dabei zu beobachten, wie er die barbarische Seite seines Jobs so nebensächlich handhabt, als würde er sich ein Pausenbrot schmieren. Crowe spielt mit viel Ironie die Titelvorgabe von „The Nice Guys“ aus und macht aus Jackson einen höflichen Schläger, einen Typen der aus jedem die wortwörtliche Scheiße rausprügeln würde, aber nur wenn es auch dem Ergebnis zuträglich ist. Der Umstand, dass Jackson diesen Teil seines Jobs sehr genießt, ist tief im Subtext des Films vergraben.

Weit zu Beginn des Films wird er dafür bezahlt Holland March (Gosling) einen Besuch abzustatten und ihn zur Niederlegung eines Falls zu überreden. Er bricht ihm dafür das Handgelenk, was in „The Nice Guys“ das Äquivalent eines Handschlags ist. Schnell jedoch finden sich die beiden auf derselben Seite wieder, mit der Aufgabe betraut Amelia (Margaret Qualley), eine barfüßige Brünette in gelbem Kleid, die immer wieder wie eine geisterhafte Erscheinung auftaucht. Sie ist der Star eines experimentellen Filmchens ihres Freundes, dessen Haus abgefackelt wurde. Das erotische Machwerk, ihn dem sie die Hauptrolle spielt wiederum will unbedingt der bösartige Rohling John Boy (Matt Bomer) in die Finger bekommen. Die große Frage ist nur das Warum.

Holland betrachtet seinen neuen Partner zunächst mit einer Art possenhaftem Terror. Gosling, neben seinen unzähligen Talenten, erblüht in „The Nice Guys“ zu einem inspirierten, physischen Komödianten. Eine besondere Freude ist es ihn (wie schon aus dem Trailer zu Teilen bekannt) beim Gespräch mit Crowe auf dem Klo zu betrachten. Ungeschickt versucht er die Türe aufzustoßen, während der zeitgleich mit seiner Pistole zielt und mit einem Magazin seine edelsten Teile zu verdecken versucht. Er ist von Natur aus verpeilt, meist betrunken, auf eine unvorsichtige Weise ehrlich. Ein beachtlicher Volltreffer verbaler Natur ist es kritisch einem Polizisten gegenüber zu äußern: „Wissen sie wer ebenfalls immer nur Befehle ausgeführt hat? Hitler!“ Jeder weiß, was Holland sagen möchte, aber es ist einfach nur schön absurd.

Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt

Genau die Absurdität zieht „The Nice Guys“ sehr konsequent durch. Wie schon „Hail, Caesar!“ spielt Shane Blacks Kumpel-Chaos in einer anachronistischen Version der 70er. Es glitzert und die Atmosphäre von Los Angeles ist in romantischen Smog getaucht. Kameramann Philippe Rousselot verleiht der Stadt ein nächtliches Glühen. Hier treten Earth, Wind & Fire auf der Party eines Pornoproduzenten auf, haben aber kurz zuvor mit ihrem Hit „Boogie Wonderland“ einen Anteil am Soundtrack, mit einem Song, der erst zwei Jahre später erscheinen wird. Immer wieder finden sich in „The Nice Guys“ Referenzen zu Dingen und Ereignissen, die schön in eine pulpige Version des Jahres 1977 passen, dort aber eigentlich nichts zu suchen haben.

Neben all der Lockerheit, den dieses 70er Flair dem Vibe des Films beisteuert, macht die nebensächliche, unbarmherzige Feindlichkeit besonders viel Spaß. Sie tritt in den Sprüchen und der slapstickartigen Gewalt, der ständigen Brutalität zu Tage und reflektiert den gnadenlosen Geist unserer Gegenwart. Genau diese Bereitschaft zu Grausamkeiten diverser Charaktere führt jedoch immer wieder zu komischen Szenen, die seit „Lethal Weapon“ immer wieder kopiert werden wollte, doch nie wirklich erreicht wurde. In „The Nice Guys“ funktioniert der „Wir brauchen das jetzt aber wirklich nicht“ Gesichtsausdruck bei den Helden wieder. Es ist eine Komödie voller resignierter Gewalt, in der jeder jeden auf die Schippe nimmt.

Fazit

Nicht nur wer den goldenen Zeiten der Buddy-Action, vor Slow-Motion Sequenzen und irrren Schnittmassakern, nachtrauert, sollte sich „The Nice Guys“ nicht entgehen lassen. Mit diesem Streifen ist Shane Black ein absolutes Juwel gelungen. Anguckbefehl.

Bewertung: 5 von 5 Sternen.*****

Filmkritik von Julius, 19.05.2016