„Avengers 3: Infinity War“ - Die spoilerfreie Filmkritik

  

Einen Film wie „Infinity War“ zu beschreiben, ist keine leichte Aufgabe. Dieses Werk in die Kritik zu führen, ohne Details der Handlung zu verraten, beinahe unmöglich. Zumindest nicht, wenn das Zielpublikum geneigte Kinogänger sind, die mit dem Marvel Cinematic Universe bisher keine oder nur wenige Berührungen hatten. Doch dies sind letztendlich auch nicht diejenigen, die sich angesprochen fühlen sollten, nein, sie werden sogar weitgehend vernachlässigt.

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Kein Film für MCU-Einsteiger

Das neue Werk von Joe und Anthony Russo richtet sich zielstrebig an solche, die dem MCU bisher ihre Aufmerksamkeit gewidmet haben und zumindest mit den meisten Filmen dieser Reihe vertraut sind. Alle anderen haben das Nachsehen, baut der Film doch auf seine Vorgänger auf, bedeutet für viele Helden erst einmal das bisher geplante Finale ihrer Reise. Wer also ganz neu einsteigen will, hat sich mit „Avengers 3“ den falschen cineastischen Ausflug ausgesucht.

Zur Handlung

Der einst in der Comicvorlage noch so irre Titan Thanos, gespielt von Josh Brolin, macht seine Drohungen der letzten Jahre endlich wahr und beginnt, sich einen Infinity-Stein nach dem anderen unter den Nagel zu reißen. Mächtige Artefakte mit welchen der Träger gottgleiche Kräfte erhält. Sollte es dem Eroberer gelingen alle sechs Steine in seine großen, lila Finger zu bekommen, könnte er jegliches Leben im Universum auslöschen, lediglich mit dem Schnipsen seiner Finger.

Doch Thanos will nicht wirklich vernichten. Er will bewahren; das Gleichgewicht im Universum wieder herstellen. Was für ihn nichts anderes bedeutet, als die Hälfte aller Lebensformen in der Galaxie auszulöschen. Um dies zu verhindern stellen sich die Helden der bisherigen MCU-Werke dem Antagonisten entgegen. Mal aus berechneter Absicht heraus, mal, weil sie einfach nur ins Geschehen geschubst wurden.

Die Handlung selbst beschränkt sich dabei weitgehend auf den Versuch von Thanos und seinen Kindern, die Steine zu finden. Beziehungsweise auf die Taten der Helden, dies zu verhindern. Im Klartext bedeutet dies vor allen Dingen eine Menge Action. Um genügend Screentime für alle relevanten Figuren zu garantieren, schweift das erzählerische Konzept von diesem Pfad nur selten ab, konzentriert sich stattdessen auf möglichst viele und gut inszenierte Kämpfe.

Der Fokus liegt jedoch allgemein auf dem Gegenspieler selbst. Statt die Figuren der bisherigen Filme in den Mittelpunkt zu stellen — welche ja alle bereits ihre Zeit auf der großen Leinwand hatten — ist es nun der Bösewicht, der unter die Lupe genommen wird. Sein Charakter, seine Beweggründe, sind dabei primär Dreh- und Angelpunkt dieses Abenteuers. Ein Akt, welcher den Machern äußerst gut gelungen ist.

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Die Umsetzung

Im Gegensatz zu den letzten Filmen des Marvel Cinematic Universe ist der Ton in „Infinity War“ deutlich düsterer. Der Prämisse entsprechend gibt es nur wenig zu lachen, dafür um so mehr Action. Mit lediglich einer handvoll Leerläufen, beziehungsweise besser als ruhigere Parts bezeichnet, vergehen die über zweieinhalb Stunden erschreckend schnell. Dabei gelingt es den Brüdern Russo kontinuierlich Spannung aufzubauen, zu halten, und bis zum Ende zu maximieren.

Was jedoch nicht bedeuten soll, dass es überhaupt keine Komik zu bewundern gibt. Den Regisseuren gelingt stattdessen ein guter Spagat zwischen aufwühlender Dramatik und

humoristischen Einlagen. Dies funktioniert deswegen so gut, weil Joe und Anthony Russo die Figuren der Handlung verstanden haben.

Statt ihre Charakteristiken so anzupassen, dass sie in der Storyline besser zur Geltung kommen, beziehungsweise die Handlung vorantreiben, wurde darauf geachtet, die richtigen Personen zusammenzuführen und interagieren zu lassen. Thor (Chris Hemswoth), welcher mit den Guardians of the Galaxy unterwegs ist oder auch Doctor Strange, welcher sich mit Tony Stark um den Platz des Alpha-Hirschs streitet.

Doch allen voran geht es in dieser Geschichte tatsächlich um den Antagonisten, der mehr Screentime bekommt, als wir es aus anderen Filmen des MCU und ihrer Herangehensweise in Sachen Bösewicht gewöhnt sind. Obwohl Thanos sich nicht allzu sehr von anderen Feinden unterscheidet, welche wir aus tausend und einem Fantasyfilm bereits kennen, überrascht die Figur doch mit einer komplexen Persönlichkeit und vielschichtigen Charakteristika.

Was jedoch viel wichtiger ist als seine Beweggründe ist der Grad der Gefahr, welchen er für die Helden darstellt. Schon nach wenigen Minuten wird klar, dass Thanos der mit weitem Abstand gefährlichste Gegner ist, den die Avengers je hatten. Dies darzustellen gelingt den Machern mal durch subtile Ausarbeitung der Figur und ihrer Präsentation. Und mal dadurch, dass Thanos brachiale Gewalt als besten Beweis seiner Macht nutzt.

Infinity War — Teil 1

Doch seid noch einmal gewarnt: so gut der Film auch gelungen sein mag, so schön ausgearbeitet die Figuren auch sind und so viel Spaß die Action einem Fan des MCU auch bereiten kann … ohne Vorkenntnisse steht ihr auf ziemlich verlorenen Posten. „Infinity War“ baut nicht nur auf seinen Vorgängern auf, sondern macht die Ereignisse aus diesen Filmen zum Pflichtprogramm um der Handlung überhaupt folgen zu können.

Zwar werden Eckpunkte der Handlung für solche, die ein/zwei Filme verpasst haben oder gar nicht erst sehen wollten, zwar wieder aufgefrischt und das sogar auf sehr geschickte Art und Weise, doch nützen diese Informationen nur denen etwas, die auch die entsprechenden Zusammenhänge kennen. Zusätzlich solltet ihr euch darüber im Klaren sein, dass „Infinity War“ nur der erste von zwei Filmen ist.

Die Handlung bricht entsprechend mittendrin ab und lässt den Zuschauer in gleichem Maßen zufrieden wie unbefriedigt zurück. So sind auch einige merkwürdig anmutenden Entscheidungen der Figuren, gleichsam der eine oder auch andere scheinbare Logikfehler eine Frage für die Fortsetzung. Erst hier wird sich entscheiden, worauf die Herren Regisseure wirklich hinaus wollten … Oder ob sie sich tatsächlich ein paar wenige Fehler erlaubt haben.

Abseits davon ist „Avengers: Infinity War“ äußerst gut gelungene Action-Unterhaltung, welche „Age of Ultron“ ziemlich bemitleidenswert und „Civil War“ wie eine Fernsehproduktion wirken lässt. Von der gelungen Grafik und dem atemberaubenden Einsatz von CGI will ich gar nicht erst anfangen, sind dies doch mittlerweile Selbstverständlichkeiten für Filme des MCU. Trotzdem sei vielleicht erwähnt, dass in größeren Schlachten durchaus der eine oder auch andere Kontrapunkt auffällig wird, jedoch nie wirklich ins Auge sticht.

Separat erwähnt werden sollte hier lediglich noch die Arbeit an Thanos selbst. Josh Brolin ist zwar durch und durch mehr CGI als Lebensform, nichtsdestoweniger schaffen es Schauspieler und Technikkünstler gemeinsam, den Antagonisten so gefühlsecht wie nur möglich erscheinen zu lassen. Trotz seiner eingeschränkten Fähigkeit, die Mimik für sich sprechen zu lassen, ist ein Blick in seine Gefühlswelt durchaus möglich.

Fazit

Kein Film, der für sich allein stehen kann, dafür jedoch ein wirklich großartiges Spektakel und gelungene Pyramidenspitze dessen, was in den letzten 18 MCU-Filmen aufgebaut wurde. „Avengers: Infinity War“ sieht großartig aus, ist mutig, anders und äußerst unterhaltsam. Ohne den zweiten Teil unfertig, beinahe unbefriedigend, jedoch auch unglaublich reizend. Und wahrscheinlich mit einem der übelsten Cliffhanger der Filmgeschichte versehen ...

Bewertung: 4/5****

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 25.04.2018