"Das Leben meiner Tochter" Filmkritik — Von Organhandel und Moral

Obwohl die Leidenschaft der deutschsprachigen Bevölkerung in Sachen Kino jedes Jahr deutlich abnimmt, hat sich an der Art und Weise, wie in unserer Heimat Filme gedreht werden, nicht viel geändert. Hier geht man noch immer auf Nummer sicher, vor allen Dingen im Bereich des Dramas. Aufgezwungener Herzschmerz regiert, die Szenerien driften öfter mal ins Klischeehafte ab und Figuren im Mittelpunkt der Geschichte geben sich gerne stur und begriffsstutzig, nur damit Reibung entstehen kann.

Und obwohl "Das Leben meiner Tochter" von Steffen Weinert ("Finn und der Weg zum Himmel") einer der besseren Filme dieses Genre ist, macht er die gleichen Fehler wie viele seiner Konkurrenten. Dadurch wirkt das fertige Werk oftmals unnötig kitschig, der Handlungsverlauf zu sehr auf ein möglichst breites Publikum abgestimmt. Was besonders schade ist, denn das Thema ist nicht nur höchst aktuell, sondern in seinen Grundfesten ein zudem äußerst spannendes.

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Wie weit würdest du gehen?

Die Eltern Micha und Natalie Faber haben große Angst um das Leben ihrer Tochter Jana ("Maggie Valentina Salomon), welche schwer am Herzen erkrankt ist und dringend ein Spenderorgan benötigt. Während die Mutter darauf hofft und vertraut, dass ihr Nachwuchs im Krankenhaus gut aufgehoben ist und ihr alsbald geholfen werden kann, sinkt die Zuversicht des Vaters immer weiter in den Keller. Als die durchschnittlichen acht Monate Wartezeit längst verstrichen sind, sucht er nach anderen Möglichkeiten, sein Kind zu retten.

Vom deutschen Gesundheitssystem enttäuscht nimmt er Kontakt zu einer Organisation auf, die ihm Hilfe verspricht. Über illegale Wege soll im Ausland ein Herz besorgt und für Jana bereitgestellt werden. Obwohl Mutter Natalie dagegen ist und ihm die zuständige Ärztin im Krankenhaus rigoros davon abrät, sieht Micha in dieser Vorgehensweise die einzige Chance, sein Kind zu retten. Die immense finanzielle Belastung, die ein solcher Weg mit sich bringt, nimmt er dabei genauso in Kauf wie die drohende Gefängnisstrafe.

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In der Ruhe ...

Die Aufmachung von "Das Leben meiner Tochter" bietet für den geneigten Kinogänger kaum bis keine Überraschungen, folgt der Film doch dem typischen Aufbau und der entsprechenden Abfolge von Ereignissen, die ähnliche Titel in den letzten Jahrzehnten zur Genüge durchgekaut haben. Die einzigen Ausnahmen bilden hier a) die offene und erschreckend ehrliche Aufarbeitung, mit welcher das Thema des illegalen Organhandels behandelt wird und b) die traurig-bezaubernde Art, wie Patientin Jana mit dem drohenden Tod umgeht.

Abseits davon besteht Weinerts Film vor allen Dingen aus Gründen, die zum jeweils nachfolgenden Handlungsverlauf führen, ungeachtet, ob diese stimmig sind oder an den Haaren herbeigezogen wirken. Zwar nimmt sich sein Werk genügend Zeit, der Handlung selbst Luft zum Atmen zu lassen, doch wird gleichsam viel überstürzt, was zu einem unangenehmen Widerspruch in der Darstellung führt. Als würde jemand äußerst gehetzt durch die Straßen laufen, aber gleichzeitig kaum vorankommen.

Das Finale des Films überrascht schließlich in zweierlei Hinsicht. Zum einen driftet "Das Leben meiner Tochter" plötzlich in Bereiche eines Thrillers ab und zum anderen traut sich das Werk dann noch etwas, was selbst für konsequentere Dramen unerwartet wäre. Schwer einzuschätzen, ob dies jeweils als clevere Idee bezeichnet werden kann, dem Endprodukt tut es nur bedingt gut. Für solch ruckelige Richtungsänderungen nimmt sich der knapp eineinhalbstündige Streifen einfach zu wenig Zeit, um sie realistisch darstellen zu können.

Doch will ich nicht zu viel negatives Gedankengut in diese Kritik einfließen lassen. Trotz seiner Formelhaftigkeit und dem fehlenden Mut, ein bisschen mehr zu machen als unbedingt notwendig, ist "Das Leben meiner Tochter" ein zumindest in groben Zügen stimmiger Film mit manch gefühlvoller Szene und passend platzierten Figuren, die allesamt mindestens durchschnittlich gut verkörpert werden. Zusätzlich birgt die Handlung genügend Potenzial für die eine oder auch andere Diskussion über Moral und Ethik.

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... liegt die Kraft

Ob Christoph Bach ("Charité", "Fenster zum Sommer", "Carlos - Der Schakal"), welcher mit Micha Faber quasi die Hauptfigur spielt, einen guten Job macht oder nicht, kann ich schwer beantworten. Es ist kaum möglich sich in einen Vater in dieser Situation hineinzuversetzen, entsprechend unsinnig ist es darüber zu diskutieren, ob Michas Art als realistisch einzuschätzen ist. Vor allen Dingen, da jeder Mensch anders mit Problemen umgeht.

Ich bin jedoch einfach so dreist zu behaupten, dass er seine Sache ziemlich gut macht, denn sein Charakter nagte bereits nach wenigen Szenen an meinen Nerven und wurde mir im Handumdrehen unsympathisch. Diese Reaktion bei einem Kritiker auszulösen, der über die Jahre hinweg ein dickes Fell gegenüber irritierenden Figuren aufgebaut hat, ist keine schlechte Leistung. Ähnlich, wenn auch nicht ganz so beeindruckend, ist es bei Marc Zwinz ("Tatort: Im Schmerz geboren", "Stromberg - Der Film"), der den Organhändler Thomas Brandstätter verkörpert.

Ohne Frage umwerfend war jedoch die Darbietung der Schauspieldebütantin Maggie Valentina Salomon, welche in die Rolle des todkranken Töchterchens geschlüpft ist. Das Mädchen hat für ihr Alter nicht nur überdurchschnittlich gut geschauspielert, sondern es zudem geschafft, unnötig schmalzige, kitschige Aussagen so darzubieten, dass sie beinahe rührend wirkten.

Wo das Drehbuch zu dick aufgetragen hat, fand Maggie einen Weg, einfach nur ein verunsichertes Mädchen mit einem großen Haufen Courage zu sein, der man trotzdem die Angst und Unsicherheit anmerkt. Das ist eine Leistung, die manch professioneller Schauspieler im Erwachsenenalter nicht zustande bekommt. In diesem Sinne ziehe ich meinen Hut vor einem Nachwuchstalent, von dem wir hoffentlich noch mehr zu sehen bekommen.

Fazit

"Das Leben meiner Tochter" kann als schöner Film mit einem wichtigen Thema bezeichnet werden, ist trotz dessen aber auch eine klischeehafte 08/15-Produktion, wie sie hauptsächlich die Deutschen auf den Markt werfen können. Das formelhafte Drama macht leider wenig aus seinen Möglichkeiten und beeindruckt in erster Linie durch das Schauspieltalent einer Achtjährigen. Hierbei handelt es sich nicht um ein schlechtes Werk per se, sondern einfach nur um vergeudetes Potenzial. Die Wertung ist entsprechend mit Vorsicht zu genießen, bewegt sich die Wahrheit doch eher zwischen zwei und drei Sternen.

Bewertung: 3/5***

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 04.06.2019