Die glorreichen Sieben Filmkritik — Wild Wild West

  

Wenn ein Stilmittel funktioniert, wird es in den meisten Fällen wieder und wieder kopiert und manchmal — wenn Zeitpunkt und Fingerspitzengefühl stimmen — werden diese Feinheiten zum Eckpfeiler ganzer Genre. Und zwar über viele Jahre hinweg. Was aber auch dazu führt, dass sie einem irgendwann zum Hals raushängen und man sich nach Abwechslung sehnt. Kommt diese, wird sie zu einer neuen Richtung und die alten Wege gelten bald schon als Klischee. Wo die neue Generation aus Kinogängern die Augen rollt, fühlt sich manch alter Kritiker jedoch in nostalgische Gedankenwelten entführt. Vor allem, wenn der Stil kompromisslos und mit Liebe zum Detail beibehalten wird.

Glorreichen-Sieben

Die glorreichen Sieben: Mit Liebe zum Detail

"Die glorreichen Sieben" (Kinostart am 22.09.2016) ist der beste Beweis für solch einen Fall. Der Western von Antoine Fuqua erinnert an eine Zeit, wo Wild-West-Geschichten ihren Zenit erreicht haben und noch nicht durch Italo-Umsetzungen und tausend Komödien verballhornt wurden. Durch das richtige Augenmerk auf das eingeschlagene Ziel wurde hier ein Abenteuerfilm erschaffen, der nicht nur gut unterhält, sondern auch Eindruck hinterlässt. Was gewisse Details angeht, hätte man sich aber vielleicht mehr an dem Original aus dem Jahr 1960 orientieren sollen, oder direkt bei dem Urvater "Die sieben Samurai" (1954).

Die Geschichte rund um sieben Revolverhelden, die einer kleinen Stadt im Kampf gegen einen übermächtigen Feind beistehen, leidet nämlich unter gewissen Problemen im Detail und kreativen Entscheidungen, die lediglich der Moderne geschuldet sein können. Scheinbar ist es heute schwer, einen Film zu drehen, ohne direkt etlichen Gruppierungen auf die Füße zu treten. Darum musste auch alles vertreten sein.

Ein afroamerikanischer (darf man das überhaupt noch sagen?) Cowboy, der in der Zeit und dem Gebiet eher unwahrscheinlich anzutreffen gewesen sein dürfte. Ein Ureinwohner Amerikas, der keinen Grund hat, sich der Truppe anzuschließen und bei welchem man sich auch direkt keinerlei Mühe gegeben hat, eine Erklärung aus dem Hut zu zaubern. Ein Mexikaner, der nur dabei ist, weil der Protagonist so "dicke Eier" in der Hose hat. Und ein Japaner, der irgendwie (ist ja auch egal wie genau) den Weg in den wilden Westen finden konnte.

Das wäre ja auch gar nicht schlimm. Besetzt die Rollen, wie ihr es für richtig haltet, sofern ihr uns einen anständigen Film mit erklärender oder zumindest beschwichtigender Geschichte abliefert. Aber hier wurde mehr Wert auf das Ziel gesetzt, als auf die Antworten zu vielerlei Fragen. Wie die Gruppe zueinander gefunden hat ist entsprechend der größte Kontrapunkt, der gegen dieses Machwerk spricht. Dem Rest kann ich schwerlich etwas entgegen bringen, denn abseits meiner eben vom Stapel gelassenen Beschwerden, macht "Die glorreichen Sieben" kaum etwas falsch.

Der richtige Weg

Am stärksten treten in diesem Western zwei Details zu Tage. Zum einen die bereits angesprochenen Stilmittel, die diesen Film wie aus der Zeit gerissen erscheinen lassen. Und zum anderen die Finesse, sich auf das zu konzentrieren, was wirklich von Bedeutung ist — die Zusammenführung mal außen vor gelassen. Es wird keine unnötige Liebesgeschichte eingepflegt, es gibt keinen großartigen Endkampf gegen das absolute Böse und die Figuren müssen nicht ihre Differenzen beilegen, um zu lernen, dass eine Gruppe aus Freunden von niemandem besiegt werden kann.

Was zählt ist der Auftrag, wie es zu diesem kommt und wie er ausgeführt wird. Der Weg dorthin ist teilweise spannend, ein bisschen actionreich und stets mit ansprechender Situationskomik gewürzt. Die Figuren fallen nicht heraus oder stechen besonders hervor. Sie haben alle ihren Platz, sind nicht zu sehr auf weitläufig bekannte Klischees beschränkt und werden von ihren Akteuren tadellos umgesetzt. Man möchte keine neuen Vorbilder, Superhelden oder Leitfiguren erschaffen, sondern einfach ein dreckiges Grüppchen zeigen, dass tut, was eben getan werden muss.

Ähnlich konsequent läuft die berühmte Verteidigung des Städtchens und das Finale ab. Hier versucht niemand auf Gedeih und Verderb zu gefallen — ganz im Gegensatz zur Rollenbesetzung. Aber hey. Wenigstens heißt der Film nicht "Die wunderschönen Sieben" und präsentiert Melissa McCarthy in der Hauptrolle. Das setze ich definitiv auf die Pro-Seite. Aber genug davon.

"Die glorreichen Sieben" ist ein bodenständiger Western, der modern angepasst wurde, aber seine Wurzeln nicht verleugnet. Er mag nicht alles richtig machen, doch genug, um eine ernst gemeinte Chance zu verdienen. Musikalische Untermalung, schauspielerisches Talent, Kameraeinstellungen und Geschichte. Bei allem war die Gewichtung den Machern durchaus bekannt und wurde entsprechend liebevoll umgesetzt. Es mag nicht jede Szene Gold sein und immer wieder lässt die Logik zu wünschen übrig, dennoch ist dieses Machwerk mehr als reines Popcornkino. Es ist ein Relikt aus vergangenen Zeiten, neu aufgelegt und konsequent genug umgesetzt, um sich seinen Platz unter den Besten zu sichern. Ob es die richtige Zeit für solch ein Werk ist, werden die Kinobesucher wohl selbst entscheiden müssen.

Fazit

"Die glorreichen Sieben" ist ein modern angehauchter Western, der seine Wurzeln nicht verbergen kann und dies auch gar nicht will. Er ist "oldschool", wenn man so will und bedient sich ungehemmt stilistischer Mittel, die heute bereits als Klischee abgestempelt wurden und von anderen Regisseuren bewusst ignoriert werden. Doch wenn das ganze Paket stimmt, dieser Weg konsequent beschritten wird und man sich nicht schämt, der alten Zeit Tribut zu zollen, statt auf Gedeih und Verderb "anders" zu sein, dann kann etwas erschaffen werden, das mehr als nur unterhaltsam ist.

Hier ist es passiert. Dieser Western macht Spaß und vergeht wie im Flug. Es kommt keine Langeweile auf und Leerläufe sind schlichtweg nicht vorhanden. Einer der wenigen Kontrapunkte ist aber auch sein größter. Denn der Weg ist hier nur äußerst eingeschränkt das Ziel und so wurden die gut durchdachten Charaktere ohne große Erklärung zusammengebracht. Gerade bei den fragwürdigen Besetzungen/Rollen (bedenkt man Zeit und Ort des Geschehens) war wohl eher der Gedanke Mutter der Umsetzung und nicht das Denken selbst.

Was die Folge ist: große Fragezeichen in menschlichen Gesichtern. Wer macht da gerade eigentlich warum was? Zum Glück ist dieses Problem nur ein kleiner Part im Ganzen und der Rest ist bei weitem nicht so verdorben und unschmackhaft, wie dieses Stück vom Kuchen. Drückt eure beiden Augen fest zusammen und fragt euch nicht: "warum?", sondern antwortet: "Na, ja. Siehst du doch. Ist halt so.". Der Rest funktioniert ohne Diskussion.

Bewertung: 4/5****

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 20.09.2016