„Ip Man 4: The Finale“ Filmkritik — China vs. USA

  

Über elf Jahre nach der Veröffentlichung von „Ip Man“ kommt nun mit „Ip Man 4“ der höchstwahrscheinlich finale Teil der Hauptreihe in die deutschen Kinos. Erzählt wird eine letzte Geschichte, die im Herbst des Lebens von Wing-Chun-Großmeister Yip Man stattgefunden haben soll, die aber natürlich genauso realistisch sein dürfte, wie ein Boxkampf der Marke Rocky oder jede Filmgeschichte, die sich damit rühmt, teilweise auf echten Ereignissen zu basieren. Die Regie übernahm abermals Wilson Yip, der bereits in den ersten drei Teilen diesen Job inne hatte.

IP Man 4 DonnieYen

Zur Handlung - Willkommen in den USA

Bruce Lee (Danny Chan) ist schon seit Jahren ein Schüler von Ip Man (Donnie Yen) und feiert mittlerweile seine ersten Erfolge in den USA. Dort möchte er ein Wing-Chun-Trainingscenter errichten, doch seine unkonventionellen Trainingsmethoden und die Tatsache, dass er die Kampfkunst für den Westen zugänglich macht, stoßen in der chinesischen Gemeinde auf Unverständnis und Ablehnung. Er erhofft sich Hilfe durch seinen Meister, der einem Besuch in den USA jedoch nichts abgewinnen kann.

Erst als Ip Man sich durch persönliche Umstände dazu gezwungen sieht, für seinen renitenten Sohn eine Schule in Übersee zu finden, entschließt er sich, der Einladung seines Schülers zu folgen. Und gerät damit prompt in zwei zusammenlaufende Auseinandersetzungen, die sich genauso schnell wie ungewollt um ihn zu drehen beginnen. Zum einen ist er den hiesigen Chinesen ein Dorn im Auge, da er sich weigert, seinen Schüler zur Räson zu bringen. Aus Trotz verweigert die Chinese Consolidatet Benevolent Association ihm sogar eine dringend benötigte Empfehlung, was bedeutet, dass keine Schule seinen Sohn akzeptieren würde.

Und zum anderen will einer der Schüler von Bruce Lee, ein Soldat im United States Marine Corps, seine Vorgesetzten davon überzeugen, Wing Chun in der Armee zu unterrichten. Ganz zum Widerwillen von US-Marineoffizier Barton (Scott Adkins), denn der ist absolut davon überzeugt, dass US-amerikanisches Karate allen anderen Kampfsportarten überlegen ist und er ist bereit sehr weit dafür zu gehen, dies auch zu beweisen. Schon bald kommt es zu einer gnadenlosen Konfrontation zwischen den Anhängern Bartons und der chinesischen Gemeinde.

IpMan 4 Szene And+Action

Unterdrückung und Rassismus

„Ip Man 4: The Finale“ wirkt auf mehreren Ebenen wie eine Actionproduktion der US-Amerikaner aus den 1980er Jahren, jedoch mit verdrehten Rollen. Statt die Amis als heroische Krieger darzustellen, die jedes Hindernis überwinden und für das kämpfen, was sie für richtig halten, sind die meisten hier dargestellten Einheimischen Rassisten. Manchmal solche, die sich jedem Ausländer überlegen fühlen und dazu bereit sind, so einige Grenzen zu überschreiten, um dies bestenfalls nachdrücklich unter Beweis zu stellen, und manchmal andere, die lediglich aus Angst handeln, geboren aus Unwissenheit.

Unterdrückung, Demütigung und andere soziale Peinlichkeiten stehen an der Tagesordnung und wagt es einer der chinesischen Zugereisten, sich zur Wehr zu setzen, ist die Antwort der Amerikaner entsprechend hart. Was wie gemeine Propaganda wirken könnte ist, wenn wir mal ehrlich sind, einfach nur die USA der 1960er Jahre, wo Rassismus noch immer ein wirklich großes Problem war. Wundert euch beim Besuch im Kino also nicht, dass Yips Film von Momenten durchzogen ist, in denen die USA nicht sonderlich gut wegkommen und die chinesischen Charaktere sich als Unterdrückte präsentieren.

Es ist wie in „Rocky IV — Der Kampf des Jahrhunderts“, wo die Amerikaner sich gegenüber den bösen Russen beweisen müssen und ein Held in Erscheinung tritt, der keine Angst vor den Aggressoren hat. Nur, dass hier eben ein amerikanischer Offizier die Position des Unterdrückers inne hat und es ein chinesischer Held ist, der sich gegen ihn zur Wehr setzt. Das wirkt in manchen Momenten schon stark anklagend, übertreibt es mit dem erhobenen Zeigefinger aber zum Glück nicht.

Im starken Kontrast dazu stehen einige Momente, die auf ganz andere Weise an die Actionfilme von vor 30 bis 40 Jahren erinnern, nämlich durch ihre völlig überzogene Art. Dadurch wird das Drama an mehreren Stellen durch eine alberne Verspieltheit unterbrochen, die sich nicht wirklich gut in das Gesamtwerk einfügt, ihm gewissermaßen sogar schadet. Zum Glück sind diese Momente selten und lassen sich mit einem zugedrückten Auge und der richtigen Portion Humor leicht verarbeiten.

Der Rest des Films profitiert jedoch durchweg von einem angenehmen Erzählstil, der sich mit der Handlung gut verträgt und nur wenige Leerläufe zu verschulden hat. Hier und dort vielleicht fast schon kitschig, jedoch nie auf einem Niveau, das zu deutlich unangenehm auffällt. Stattdessen werden ruhige Parts geschickt genutzt, um die Spannung auf den nächsten Kampf zu steigern und diesen als eine Art Explosion aus der Ruhe zu nutzen. Dadurch vergeht der knapp 105-minütige Film gefühlt recht schnell und das ohne Fragen offen oder erzählerische Fäden am Ende ausfransen zu lassen.

ip Man 4 Fighting+Style

Karate versus Wing Chun

Abgesehen von dem überaus albernen, aber nichtsdestoweniger auch unterhaltsamen Kampf zwischen Bruce Lee und der rechten Hand von US-Marineoffizier Barton, profitieren die Auseinandersetzungen von exzellenten Schauspielern und bis ins kleinste Detail durchgeplante Choreografien. Obwohl in den drei Hauptteilen und ihren Ablegern schon einige Kämpfe zu sehen waren, gibt es hier immer noch Schlagabtäusche zu bewundern, die mit angenehmen und überraschend einfallsreichen Ideen aufwarten.

Es gibt im ganzen Film nur zwei Momente, in welchen die gezeigten Kampfbewegungen einfach zu unrealistisch wirken, um ernst genommen werden zu können. Ansonsten sind die oftmals schnellen wie auch eindrucksvollen Kampfbewegungen in einem guten Verhältnis zwischen bodenständiger Martial-Arts-Action und dem eindeutigen Hinweis darauf, woher manch ein Anime und Manga seine Ideen her hat. Wirklich befriedigend sind die Kämpfe jedoch selten, denn für den angepeilten Effekt gibt es deutlich mehr Verlierer auf der Seite der 'guten' Chinesen als auf der der 'bösen' Amerikaner.

Der Endkampf ist ebenfalls ein wenig enttäuschend, da er mit keinen eigenen Ideen aufwarten kann die ein eindeutiges Alleinstellungsmerkmal aufweisen. Obwohl die Leistung von Schauspieler Scott Adkins, der den Antagonisten mimt, absolut beeindruckend ist, scheint die Chemie zwischen ihm und Hauptdarsteller Donnie Yen nicht gestimmt zu haben, der Kampf wirkt dadurch langatmig und selten überzeugend.

Fazit

Der Abschluss der Ip-Man-Saga hat einige deftige Momente zu bieten, besitzt viel Herz und hat eine Menge Ideen, die ihn von den anderen Teilen abheben. Wie immer muss man sich erst an die Art des Schauspiels aus China gewöhnen und manch ein Moment ist für den dramatischen Unterton der Handlung eher kontraproduktiv, doch in den meisten Bereichen haben die Verantwortlichen hinter „Ip Man 4: The Finale“ saubere Arbeit geleistet. Ein würdiger und durchaus gelungener Abschluss der Reihe, der die meisten Martial-Arts-Fans glücklich machen sollte.

Bewertung: 3/5***

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 18.02.2020