„Harriet – Der Weg in die Freiheit“ Filmkritik – Die vielleicht größte Fluchthelferin aller Zeiten

  

Ach, ja, Harriet Tubman. Geboren als Araminta Ross in Dorchester County, Maryland. Eine Frau, die sich selbst aus der Sklaverei befreit hat, später unzähligen anderen Sklaven geholfen hat, ihre Freiheit zu erlangen, und danach eine wichtige Rolle im US-amerikanischen Bürgerkrieg spielte. Diese Dame hat eine unglaubliche Menge erreicht und sollte uns allen ein gewaltiges Vorbild sein. Kein Wunder also, dass ihr der eine oder auch andere Film gewidmet wird und wurde, der sich mit ihrem Leben und ihrem Wirken beschäftigt.

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Im Jahr 2020 hört ein solches Werk auf den Namen Harriet – Der Weg in die Freiheit und wird als biografisches Historiendrama bezeichnet. Und auch wenn dieser Film von Regisseurin Kasi Lemmons schon aufgrund der Hauptfigur bedeutend ist und tatsächlich über einige Stärken verfügt, ist er doch nicht die Art Verfilmung, die Frau Tubman verdient hat. Überhaupt mit dem Leben der Freiheitskämpferin in Berührung zu kommen und als Zuschauer einmal von ihr gehört zu haben, ist vielleicht schon Existenzbegründung genug, doch abseits davon spricht herzlich wenig für einen Kinobesuch.

Harriet – Der Weg in die Freiheit – Eine Kritik

Es gibt mehrere Gründe, warum wir euch von dieser Biografie eher abraten würden, doch der Wichtigste vorneweg: Harriet – Der Weg in die Freiheit ist einfach nicht gut erzählt. Das Werk nimmt sich für viele Schlüsselmomente zu wenig Zeit, während andere absolut unnötig in die Länge gezogen werden. Wichtige Abschnitte im Leben der Frau Tubman werden falsch wiedergegeben, andere haben so überhaupt nicht stattgefunden. Und dann wiederum gibt es wirklich relevante Passagen, die komplett weggelassen wurden, obwohl gerade deren Pointe von Bedeutung ist.

Charaktere, die existiert haben und für das Wirken von Harriet Tubman entscheidend waren, werden komplett ignoriert, was nicht nur für Kenner der historischen Ereignisse ein Dorn im Auge ist, sondern ein Umstand, der dem Werk auch einiges an Glaubwürdigkeit kostet. Andere Figuren im Film hat es schlichtweg nie gegeben und doch sind sie da, für die Handlung von keiner bis wenig Bedeutung und ohne konkreten Mehrwert für die Geschichte an sich. Der Punkt, an welchem die Erzählung schließlich in ihrer filmischen Form zu einem Ende findet, ist ebenfalls äußerst fragwürdig.

Gerade einige Eckpunkte in Tubmans Leben nach den gezeigten Ereignissen sind von besonderem Wert, werden in dieser Verfilmung aber schlichtweg ignoriert. Details, die dem Zuschauer ein besseres Verständnis dafür geben könnten und wahrscheinlich auch würden, was es mit gewissen Ereignissen und Szenen auf sich hat, sind ebenfalls in der unendlichen Dunkelheit der Nichtexistenz verschwunden, während auch hier Parts diesen Platz eingenommen haben, die irrelevanter kaum sein könnten. So wirkt die komplette Biografie eher wie der kurze und komplett verzerrte Blick durch gesprungenes Glas.

Und ohne nun zu sehr auf die teilweise lächerlichen Dialoge eingehen zu wollen und die äußerst einseitige Darstellung von Harriet Tubmans Persönlichkeit, ist auch das Schaffen der Regisseurin eher fragwürdig. Kasi Lemmons versucht der Geschichte hier und da ihren persönlichen Stempel aufzudrücken, füllt ihren Film stattdessen jedoch mit unnötigen Details, irrelevanten Darstellungen und äußerst plumper Symbolik. Rein technisch wirkt Harriet – Der Weg in die Freiheit eher wie eine sehr kleine Indie-Produktion, die durch Kulisse, Kostüme und Leistung der Schauspieler aufgeblasen wurde.

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Kein Land für Helden

Zusätzlich gelingt es Frau Lemmons zwar, uns eine hingebungsvolle Geschichte zu präsentieren, doch wenn es darum geht, dem Publikum nahezubringen, wie außergewöhnlich Harriet Tubman war, und es dem geneigten Zuschauer zu ermöglichen, eine Verbindung mit dieser Person aufzubauen, kann das Ergebnis bestenfalls als konventionell bezeichnet werden. Ihr Werk verfällt immer wieder in eine Art selbstgerechten Western-Actionfilm, der dem Wirken und Leiden der Protagonistin nicht annähernd gerecht wird.

Und auch wenn Lemmons hier und dort einige interessante Kniffe angewendet hat, gelingt es ihr doch nicht, das eigentliche Thema wirklich anschaulich umzusetzen. Die Qualen, die die Sklaven damals erdulden mussten, das Leiden, das sich durch ein ganzes Volk gezogen hat, und die ungeheure Ungerechtigkeit, die ein komplettes Land vergiftete, werden ebenso minimalistisch angeschnitten wie die Tatsache, wie groß und aus einem gewissen Blickwinkel enorm der Widerstand war, der sich dieser Abartigkeit menschlichen Handelns einst entgegenstellte.

Hinzu kommt strafend, dass einige wichtige Aspekte im Leben der Frau Tubman lediglich einmalig angerissen werden, während andere Bereiche, die deutlich fragwürdiger sind, ausufernd breitgetreten werden. Dadurch schafft es der Film, diese eigentlich außergewöhnliche Frau auf ein Minimum zu reduzieren und teils eher wie einen gewöhnlichen Superhelden wirken zu lassen, als wie die Ausnahmeperson die sie war. Mit all ihren Stärken und Schwächen.

Cynthia Erivo, Superheld

Wie bereits weiter oben angeschnitten, ist Harriet – Der Weg in die Freiheit zumindest visuell sehr ansprechend. Die Kulissen und die Kostüme sind hervorragend, die Statisten mit Hingebung bei der Sache und die teilweise schonungslose Darstellung erfrischend unangenehm weil realistisch. Nichtsdestoweniger gibt es einige Momente, in denen diese Aussage nicht zutrifft, doch da diese deutlich in der Unterzahl sind, will ich in diesem Fall für den Film von Kasi Lemmons sprechen, statt ihn noch weiter zu verurteilen.

Die schauspielerische Leistung aller Beteiligten ist fast durchgehend überdurchschnittlich, die von Hauptdarstellerin Cynthia Erivo sogar hervorragend. Auch wenn ich der mittlerweile 33-jährigen Schauspielerin weder die anfangs jungen Jahre ihrer Figur rein visuell abkaufe als auch die spätere, in die Jahre gekommene Version von Harriet Tubman, so ist ihre Performance doch ohne Frage lobenswert. Sollte es einen Grund geben, sich als Kinofan für diesen Film zu interessieren, dann sind es wohl lediglich zwei Tatsachen. Zum einen, die Notwendigkeit von der dargestellten Protagonistin überhaupt einmal gehört zu haben und zum anderen die Leistung von Erivo.

Fazit

Vielleicht wird es eines Tages ein Werk geben, das das Leben und Wirken von Harriet Tubman so darstellt, wie diese es verdient hätte, doch Harriet – Der Weg in die Freiheit ist es nicht. Kulissen, Kostüme und die allgemeine schauspielerische Leistung sind allesamt lobenswert, beinahe jeder andere Aspekt des Films jedoch bestenfalls unterdurchschnittlich. Hierbei handelt es sich um ein eher unbedeutendes Drama, das durch gewisse Aspekte aufgeplustert wurde und dadurch größer und spannender erscheint als es wirklich ist, während dadurch wichtige Teile der Geschichte auf der Strecke blieben.

Bewertung: 2/5**

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 06.07.2020