The Dissident – Eine nachdenklich stimmende Geschichte

  

von Peter Osteried | 08.03.2021

Der Dokumentarfilm „The Dissident“ über den Mord an Journalist Jamal Khashoggi startet am 16. April digital – und im Kino, sobald diese wieder offen sind.

TheDissident+11_+Kronprinz+Mohammed+bin+Salman+und+Jamal+Khashoggi+(c)+DCM_HanWay+Films

Bis zum Jahr 2018 war es undenkbar, dass ein Mann in einem anderen Land in eine Botschaft des eigenen Landes geht und dort auf bestialische Weise ermordet wird. Als die Geschichte durchsickerte, hielten manche Zeitungen sie für haarsträubend und unglaubwürdig. Aber der Journalist Jamal Khashoggi, der für das saudi-arabische Regime unangenehm wurde, wurde in der Botschaft ermordet und zerstückelt.


The Dissident – Zur Handlung

Jamal Khashoggi wirkte lange im Dunstkreis des saudi-arabischen Regimes. Er hatte Zugang zu den Großen im Königreich, er wandelte auf einem schmalen Grat zwischen dem, was er sagen durfte, und dem, wozu er schweigen musste. Aber Khashoggi setzte sich für ein besseres Saudi-Arabien ein. Er hoffte auf den Reformer Mohammed bin Salman, doch der Kronprinz zeigte bald, dass seine Reformbereitschaft so groß nicht war.

Er ließ auch aus den eigenen familiären Reihen zahlreiche Mächtige verhaften, er ließ ein Heer von Internet-Trollen auf Kritiker des Königreichs los, und er war es wohl auch, der den direkten Befehl ab, Khashoggi zu ermorden.

The Dissident – Eine Kritik

Alle Spuren in Bryan Fogels beeindruckendem Dokumentarfilm THE DISSIDENT führen zu MBS, wie der Kronprinz gerne genannt wird. Als der Mord aufkam, versuchte Saudi-Arabien, ihn erst zu vertuschen, dann alles zu verschleiern, und als leugnen nicht mehr half, wurden die Täter zu Abtrünnigen erklärt und in einem geheimen Prozess in Saudi-Arabien abgeurteilt. Von Aufklärung keine Spur – aber die hätte ja auch die Pläne des Mannes belastet, der ein doppeltes Spiel spielte. Denn der Mord an Khashoggi machte jedem klar, dass jeder getötet werden kann, egal, wer er ist.

Der Film zeichnet nicht nur ein Bild des Opfers, das Saudi-Arabien verließ, für die „Washington Post“ als Journalist tätig war und auch aktiv an einer Veränderung des Landes arbeitete, indem er sich mit jungen Dissidenten einließ. Sondern er zeichnet auch das Bild eines Mannes und eines Systems, das nach außen offen erscheinen will, aber das Land wie Privatbesitz betrachtet und jeden darin Lebenden als Leibeigenen sieht. Es ist das System MBS, der von Trump gedeckt wurde, der Jeff Bezos‘ Handy ausspähen ließ, als dieser nach dem Khashoggi-Mord den Kontakt abbrach und eine milliardenschwere Investition in Saudi-Arabien stoppte, der mit kaltem Blick in die Kamera sieht und wenig überzeugend abstreitet, etwas mit dem Mordauftrag zu tun gehabt zu haben.

THE DISSIDENT bietet Interviews mit Menschen, die Khashoggi kannten, lässt den Mann selbst in Archivmaterial zu Wort kommen und zeigt auch Videomaterial, das man bislang noch nicht kannte – so das des türkischen Geheimdienstes, von dem Tonmitschnitte des Mordes, aber auch Bilder innerhalb der saudi-arabischen Botschaft stammen.

Fazit

Bryan Fogel, der 2017 mit IKARUS den Oscar für die beste Dokumentation erhielt, hat mit THE DISSIDENT ein vielschichtiges Porträt abgeliefert, das die Geschichte, die zum Mord an Khashoggi führte, in den Mittelpunkt rückt und damit Einsichten erlaubt, die bislang vom Zuschauer eher größere Recherche erwarteten. Hier bekommt man die ganze Geschichte kompakt geboten. Eine Geschichte über Tyrannei und Profite, in der das Leben eines Menschen – selbst eines solchen, der relativ im Rampenlicht steht – nichts wert ist.

Bewertung: 4/5****

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Bildmaterial: (c) DCM Filmverleih