T2: Trainspotting Filmkritik — Alles hat ein Ende ...

  

„Er legt die Nadel auf die Ader und bittet die Musik herein. Zwischen Hals und Unterarm, die Melodie fährt leise ins Gebein. (…) Er hat die Augen zugemacht, in seinem Blut tobt eine Schlacht. Ein Heer marschiert durch seinen Darm, die Eingeweide werden langsam warm. (…) Nichts ist für dich, nichts war für dich, nichts bleibt für dich, für immer.“. Dieses Zitat entstammt dem Lied „Adios“, der deutschen Rockband Rammstein. Solltet ihr „T2: Trainspotting“ gesehen haben, werdet ihr vielleicht verstehen, warum ich diesen Ausschnitt als Anleser gewählt habe …

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… nur die Wurst hat zwei

Trainspotting 2“ dürfte bei wenigen Kinogängern Anklang finden. Eine harte Aussage. Lasse ich das Screening jedoch noch einmal Revue passieren, wird von Sekunde zu Sekunde deutlicher, dass an der Geschichte dieses Werkes wenig bis nichts als zufriedenstellend bezeichnet werden kann. Danny Boyles Fortsetzung beantwortet zwar Fragen, der Kern dieser Aussagen versucht aber keinesfalls zu gefallen. Nichts entwickelt sich so, wie man zu hoffen wagt und das wird um so schlimmer, da es so leicht ist, sich mit den Protagonisten zu identifizieren.

Eine Tatsache, die verwirrend ist, denn niemand mit wachem Verstand und genügend Geld, das hart Ersparte für Kinobesuche auszugeben, kann sich in den Hauptfiguren entdecken. Und doch sind sie menschlich, vielschichtig und leben einfach nur ihr Leben. Auf eine Weise, wie es ihnen richtig erscheint. „T2“ ist so gesehen vor allem ein Selbstfindungsfilm. Das gilt für alle Figuren dieses Werks — und für jene Zuschauer, die ihren Empathiewert auf das Maximum einstellen und sich in das Leben von Renton, Sick Boy, Spud und Begbie hineinversetzen können.

Hauptfigur Renton, gespielt von Ewan McGregor („Fargo“, „Trainspotting — Neue Helden“, „Big Fish“), kehrt nach zwanzig Jahren in seine Heimat zurück. Rein äußerlich führt er ein gutes Leben und bereut die Entscheidung, seinen Freunden die Beute von 16.000 Pfund gestohlen zu haben, nicht einmal minimal. Doch der Schein trügt, wie wir schon nach wenigen Augenblicken erfahren. McGregor spielt dabei überzeugend genug, dass man die Qual des Charakters spüren kann, in zwei Welten zu leben. Er ist derjenige, der es geschafft hat. Drogenfrei. Sportlich. Erfolgreich. Und doch sieht er sein eigenes Leben in düsteren Farben, sehnt sich nach der Vergangenheit, die nach all den Jahren so friedlich und sorglos wirkt.

Sein ehemals bester Freund, Sick Boy (Jonny Lee Miller), ist der perfekte Konterpart für diese Art von Protagonist. Er weiß, wie schäbig sein Leben ist, fühlt sich mit diesem Umstand jedoch wohl. Er strebt nicht nach Höherem, bleibt wer er war und sucht, was er wirklich verloren hat. Kleiner Tipp: es ist nicht das Geld. Miller und McGregor harmonieren gut zusammen, bringen einen gewissen, komischen Flair in die Story. Gleichzeitig gelingt es Schauspieler und Regisseur, Sick Boy weniger hart und dafür verletzlicher zu gestalten, ohne seinen Ursprung zu vergessen oder gar außer Acht zu lassen.

Spud, erneut verkörpert durch Ewen Bremner („Sterben für Anfänger“, „Perfect Sense“, „Jack and the Giants“), ist für mich die wirkliche Hauptfigur in „Trainspotting 2“. Er durchlebt die größte Metamorphose, holt aus seinem zweidimensionalen Geist das Maximum an Möglichkeiten raus, löst im Zuschauer Mitleid und gleichzeitig Mut aus ... und wird ganz nebenbei von Bremner formidabel gespielt.

Und dann wäre da ja noch Begbie, der seit den Ereignissen in „Trainspotting — Neue Helden“ sein Dasein im Gefängnis fristet. Wie eine unkontrollierbare Naturgewalt bahnt er sich seinen Weg zurück in die Irrgärten des Verbrechens und legt währenddessen alles in Schutt und Asche — rein psychologisch gesehen. Robert Carlyle („Once Upon A Time“, „The Beach“, „Ganz oder gar nicht“) spielt hier einen Mann, der sich nicht mehr ändern kann und will. Aber das heißt nicht, dass er nicht versteht, was für ein Monster er geworden ist.

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Nichts ist für dich

Mit dieser mehr als langen Einführung in den Film versuche ich deutlich zu machen, dass Fans des Vorgängers genau das bekommen, was sie seit zwanzig Jahren verlangen. Zu wissen, was aus diesen „Neuen Helden“ geworden ist, ihre Geschichten zu hören, ihre Abenteuer zu erleben. Und nicht nur das. Alle vier Charaktere werden äußerst ansprechend und vielfältig verkörpert, strahlen nur so vor bodenständiger Wahrheit in ihrem Handeln und Denken. Sie sind keine Vorbilder — ohne Frage -, doch sie sind Menschen. Wenige Werke können sich mit solch einem Akt brüsten, „T2“ darf es gerne tun.

Das oben bereits erwähnte Problem ist, dass die Antworten auf eure Fragen sehr wahrscheinlich nicht gefallen werden. Danny Boyle und Drehbuchautor John Hodge halten sich nur lose an die Vorlagen, sie beschreiben die Leben von den vier Charakteren aus dem Originalfilm und nicht ihren Pendant in den Büchern. Das ist Punkt 1, der abschrecken könnte. Punkt 2 ist, dass weder Boyle noch Hodge versuchen, ihren Film gefällig zu vermitteln oder sogar dem Publikum angenehmer zu gestalten. „T2“ bietet eine erfreuliche Bodenständigkeit, wird durch gute Schauspielleistung untermalt und biedert sich nicht an. Aber er macht es auch schwer, das Gesamtwerk zu genießen.

Verstärkt wird dieser Umstand durch das stark erzwungen wirkende und vorschnell eintretende Ende. Die Qualität, mit welcher die Figuren ein Farbbild ihrer Persönlichkeiten gemalt haben, verblasst ein wenig und es bleibt während des Abspanns das Gefühl, dass man nun mehr Fragen hat, als Antworten geliefert wurden. Nur bleibt so auch die Überlegung: wollen genügend Leute einen dritten Teil sehen und wenn ja, würde das nicht bedeuten, dass es nur schlechter werden kann? Die Geschichten der vier Freunde aus Jugendzeiten sind nicht für Happy Endings bestimmt und haben schon immer polarisiert. Dieser Teil wird wieder neue Fans aufbauen und alte verlieren. Sollte das als Aussage nicht reichen?

Alt und neu

Zum Abschluss noch einige Worte zu Boyles Arbeit, aus rein technischer Sicht. Der britische Regisseur orientiert sich visuell stark an seinem Werk aus dem Jahr 1996, schafft es aber nur selten, ein ähnliches Gefühl aufzubauen. Das liegt nicht daran, dass der gute Boyle sein Handwerk verlernt hat, sondern eher an dem Kontrast zwischen dem Heute und dem Gestern, der einen wichtigen Eckpunkt der Geschichte ausmacht und durch diese Technik wenig untermauert wird. Im Großen und Ganzen gefällt der Aufbau des Streifens jedoch sehr gut, wenn er auch zu verbissen versucht, dem Vorgänger gerecht zu werden, statt auf eigenen Beinen zu stehen.

Fazit

„T2 — Trainspotting“ ist ein schwieriger Film. Gut gespielt, nah an der Realität und in gewisser Weise vertraut. Das Leben, wie es ist. Mal gut, mal schlecht, mal traurig und mal aus der Situation heraus komisch. Doch beantwortet „T2“ nicht viele Fragen, sondern stellt uns Zuschauer vor vollendete Tatsachen, die kaum jemandem gefallen dürften. Gerade weil sie so ehrlich und deprimierend sind. Ein Film, der aus einer gewissen Sicht unnötig erscheint und doch seine Daseinsberechtigung hat. Technisch nicht makellos, menschlich jedoch nachvollziehbar und melancholisch unterhaltsam.

Trainspotting 2 ist ab Donnerstag in unseren Kinos zu sehen.

Bewertung: 4/5****

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 14.02.2017