Logan — The Wolverine Filmkritik

  

Grau in grau. Ein staubiger Western. Ein Roadmovie mit düsterem Unterton. Blutiger Selbstfindungstrip und Seelenterror. Anarchie im Marvel-Universum oder meinetwegen auch Hugh Jackmans Trittbrettabenteuer nach bester Vorlage durch Ryan Reynolds. Als all diese Dinge könnte ich „Logan“ beschreiben. Aber ein klassischer Superheldenfilm ist er nicht. Nicht einmal ansatzweise; selbst dann noch, wenn wir uns von den routinierten Abenteuern der letzten zwanzig Jahre wegbewegen und das Subgenre etwas aufgeschlossener betrachten. „Logan“ wird trotzdem einen eigenen Platz in dieser Landkarte brauchen. 

Logan09

High Noon

An dieser Stelle möchte ich betonen, dass der gerade wahrgenommene Anleser weder darauf hindeuten soll, dass dieses Werk, simpel ausgedrückt, schlecht wäre. Aber genauso wenig kann ich den neuesten und wahrscheinlich auch letzten Solofilm rund um Wolverine als gut bezeichnen. Es ist sehr viel komplizierter als das. Daher verbinde ich nun erst einmal die Eckpunkte und zeige euch ungefähr auf, womit ihr bei einem Kinobesuch rechnen könnt.

In einer sehr düster gemalten Zukunft, sieht das Leben der X-Men und anderer Mutanten nicht mehr so fulminant und beneidenswert aus, wie vor all diesen Jahren. Seit Dekaden wurden keine neuen Mutanten geboren und die gealterten Helden sind nicht mehr Herr ihrer Körper. Wolverine/Logan (Hugh Jackman) hat den Großteil seiner Selbstheilungsfähigkeiten eingebüßt und nähert sich dem Winter des Lebens, wie jeder andere Mensch auch. Der einst so mächtige Professor X (Patrick Steward, Bild unten) leidet an einer Art Demenz und droht bei seinen Anfällen stets, ganze Menschenmassen zu vernichten.

Und die Gegenspieler der X-Men haben die alte Garde längst vergessen und konzentrieren ihre Arbeit auf künstlich geschaffene Superkrieger. Und vor genau solch einer Organisation muss ein kleines Mädchen, Laura (Dafne Keen), beschützt werden. Eine mysteriöse Mutantin, die über die gleichen Kräfte verfügt wie Logan einst und der einige Forscher ebenfalls Adamantium eingesetzt haben.

Logan-ProfessorX

The man who sold the world

Der gesamte Film spielt dabei - sichtlich angetan von der eigenen Grundidee - mit den Erwartungen des Zuschauers und aller Fans des beliebten Superhelden. Wenig erinnert an vorangegangene Werke, die nicht nur bunter, sondern auch bescheidener und sehr viel humoristischer an die Sache heran gegangen sind. „Logan“ will auffallen indem er bodenständiger bleibt; realistisch, wenn ihr so wollt. In erdigen Farben, mit brutalen Schnittstellen im Storyverlauf und einer klassischen Tragödie im sarkastischen Gewand.

Das dürfte schwerlich der Stoff sein, den viele hier zu erwarten hoffen. Und noch weniger werden allzu angetan von dieser Umsetzung sein. Solche Behauptungen stelle ich auf, da sich „Logan“ nur in wenigen Momenten wirklich bemüht, genügend Alleinstellungsmerkmale aufzubauen und sich ansprechend von den zuvor veröffentlichten Filmen zu distanzieren. Zwar fällt es Regisseur James Mangold immer wieder erstaunlich einfach, viel Geschichte in wenige Worte und Handlungen zu verpacken, doch verliert er dabei selbst den Überblick für das Zielpublikum.

Auf der einen Seite erzählt sich seine Geschichte wie von selbst. Keine Rückblenden, die den Erzählfluss behindern und kein Sprecher oder kindische Fließtexte, die uns die notwendigen Informationen so gehalt- und geschmacklos wie nur irgend möglich verkaufen. Doch auf der anderen Seite bleibt die Frage, wer sich denn nun von der Materie angesprochen fühlen soll? Fans der Reihe werden mit einem typischen Western konfrontiert, der als Kriegsdrama wie dramatischer Abenteuerfilm verstanden werden kann. Und diejenigen, die genau so etwas suchen, werden mit Informationen bombardiert, die sie ohne die entsprechenden Vorkenntnisse nur schwer bis gar nicht verdauen können.

Zielpublikum

In der Mitte bleiben diejenigen, die in beiden Welten leben. Fans der DC-Comics — oder Heldengeschichten im Allgemeinen -, die gleichzeitig auf den Schritt hinaus aus den Einheitstrott der bisherigen Comicverfilmungen warten. Was sie nun bekommen ist bodenständig, auf eine brutale Weise ehrlich und technisch bewundernswert in Szene gesetztes Kino. Nur mit einem Haken: es ist vor allem ein Wunschkonzert. „Logan“ will eine menge sein, lastet sich dabei zu viel Bürde auf und erstickt unter dem selbst erwählten Gewicht.

Und das liegt sicherlich nicht an den schlechten Leistungen der Schauspieler. Nein, mit diesem Thema müssen wir erst gar nicht anfangen und in diesem Bereich gibt es auch keine nennenswerten Abzüge. Das Problem liegt eher im Kern der Handlung und wie diese präsentiert wird. Die Geschichte ist durchschaubar wie ein nasses Küchentuch. Abgeschaut bei Filmen, die schon so oft kopiert wurden, dass ihre Merkmale wie billige Klischees wirken.

Dabei zieht sich der Film immer wieder erschreckend in die Länge und schafft es nur selten, seinen Charakteren neue Tiefen zu verleihen. Die Harmonie zwischen Patrick Stewart als Professor X und Dafne Keen als kleine Mutantin Laura ist greifbar und herzlich. Die zwischen Logan (Hugh Jackman) und seiner Quasitochter dafür um so weniger. Und um so mehr wir uns dem Finale nähern, um so durchsichtiger wird das Papiertuch und um so desaströser die Empathiewerte des geneigten Zuschauers.

Alles in allem ist die Idee hinter „Logan“ ziemlich gut. Mutig, wenn man so will und gleichzeitig der Schritt in die richtige Richtung. Doch setzten die Macher dieses Werks lieber auf den typischen Alltagsplot und abgedroschene Kehrtwendungen im Erzählstil, statt den eigenen Wurzeln treu zu bleiben und diese lediglich neu zu verpacken. Ein merkwürdiges Gemisch aus zwei Welten und in keiner wirklich zuhause.

Fazit

„Logan“ ist ein recht solider Film. Technisch einwandfrei in Szene gesetzt und schauspielerisch auf hohem Niveau agierend. Ein cineastischer Ausflug mit einigen wirklich netten Höhen und dem einen oder auch anderen Seitenhieb auf das Subgenre der Superhelden. Es fällt jedoch schwer, sich tatsächlich in diesen Streifen zu verlieben, da er zwar mutig ist, jedoch nicht sonderlich einfallsreich. Zäh fließt die Story dahin, auf ein Ziel, das wir schon vor langer, langer Zeit ausmachen konnten.

Zwischen den beiden Hauptfiguren fehlt das gewisse Etwas und unter der Lupe, trägt die Handlung nur sich selbst und widerspricht jeglichem Wunsch nach Details und Aufklärung. Ruhig, rostbraun, bewegt sich dieser Western unaufhaltsam auf sein Ende hinzu. Bleibt dabei aber durchschaubar und plakativ, schafft es nicht, die Welten aus denen er stammt und die, von denen er kopiert, zu einem Ganzen zu verstricken. Die beiden Konzepte harmonieren gut miteinander, aber nicht mehr. Und nicht weniger. Und das ist auch dieser Film. Ein gutes Werk, doch sicherlich kein Meilenstein der Filmgeschichte.

"Logan" ist ab dem 02.03. überall in den deutschen Kinos zu sehen. Previews gibt es bereits am Mittwoch, den 01.03.2017

Bewertung: 3/5***

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 24.02.2017