Life Filmkritik — Im Weltall hört dich niemand gähnen

  

Okay, wir haben es ja verstanden. Wen eine Idee gut ist, darf man sie gerne generationsübergreifend recyceln. Auch wenn dies bedeutet, dass quasi der gleiche Film alle Jubeljahre im Kino läuft. Dadurch wird das Älterwerden als Filmfan zwar nicht unbedingt angenehmer, jüngere Generationen können aber die gleichen Geschichten genießen, und müssen dabei nicht auf die korrekte Darstellung ihres aktuellen, modernen Realitätstunnels verzichten. Welcher Sinn steckt aber dahinter, lediglich Details am Werk zu ändern und ein und denselben Film alle zwei Jahre auf die Leinwand zu zaubern? Geld. Ja, ich weiß, ihr habt eine faszinierendere Antwort erwartet, aber so sieht es nun mal aus.

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Wenn das Alien dreimal klingelt

Und dem lieben Geld zuliebe, müssen Science-Fiction-Fans nun stark sein. Mit dem schielenden Blick auf Altmeister Ridley Scott gerichtet, kommt hier das nächste nach Blut dürstende Ungeheuer und seine Opfer in spe, die vorgestellt, abgehakt und abgeschlachtet werden. Die Prämisse ist bekannt, das Schema mehrfach durchgekaut. Punkte die sich ändern, verschleiern nur äußerlich und dabei auch noch recht notdürftig, dass es sich bei „Life“ um einen Horrorfilm handelt, den wir schon einige Male zuvor gesehen haben.

In der aktuellen Variante befinden wir uns mit einigen Wissenschaftlern auf der ISS-Raumstation. Der gebannte Kinogänger wird Zeuge davon, wie einer der aufgeregten Kittelträger bei der Untersuchung einer Bodenprobe vom Mars, eine erstaunliche Entdeckung macht: ein winziger, außerirdischer Organismus. Und wisst ihr, was das Beste daran ist? Die Zellen sind gleichermaßen Muskel- und Nervenzellen und das Wesen wächst in seiner neuen Umgebung. Yeah.

Es kommt, wie es kommen muss. Die Freude der Besatzung währt nicht lange. Die anfängliche Begeisterung hilft halt nicht darüber hinweg, wenn ein außerirdisches Lebewesen alles Leben auf der Raumstation bedroht und potenziell die gesamte Menschheit auslöschen könnte. Alles ab dieser Linie der Erzählung ist bekanntes Land. Spannend — keine Frage — für alle, die diese Art von Film noch nicht gesehen haben. Doch sind wir mal ehrlich: bei einer Altersfreigabe von 16 Jahren, in Kombination mit dem Genre … das werden nicht allzu viele sein.

Life

Nah am (Ab-)Leben

Was man Daniel Espinosas („Easy Money — Spür die Angst“, „Safe House“, „Kind 44“) Film nicht vorwerfen kann ist, er wäre zu langatmig oder würde sich generell zu unseren Ungunsten an der Zeit zu schaffen machen. Die Einführung der platt, platt, platten Figuren geht schnell vonstatten und hält sich nicht mit Kleinigkeiten auf. Was für den geneigten Zuschauer von Interesse sein könnte wird gestreut, ansonsten pflastern die Genies hinter diesem Werk ihre Straße nur mit wenigen Steinen.

Sobald das Unheil seinen Lauf nimmt und sich die Station am Zipfel der Unwirklichkeit in die biblische Hölle verwandelt, marschiert die Handlung stramm von Eckpfeiler zu Eckpfeiler. Für Langeweile oder — wie im Titel angedeutet — drohende Müdigkeit bleibt eigentlich keine Zeit, da dauernd etwas neues passiert und „Life“ zudem mit zwei recht geschickt eingeflochtenen Wendungen in der Handlung aufwarten kann. Bei solch einem Tempo geht entsprechend schnell der Platz für philosophische Diskussionen und der Frage nach der Existenz selbst aus, dafür unterstreicht dieser minimalistische Ton das Muster des Films zu seinen Gunsten.

Wirklich schlimm wird es erst dann, wenn jemand — genau wie ich - diese Art von Film schon sehr viel öfter gesehen hat. In dem Fall bleibt oft nichts anderes übrig, als sich auf das zu konzentrieren, was noch im Reich des Unbekannten schwebt. Das mag, abseits der stets wandel- und austauschbaren Charaktere, nicht von großer Zahl sein, doch gerade hier kommt es auch eher auf die Qualität an.

Erneut ein Punkt auf unserer Strichliste, der durchaus für diesen cineastischen Ausflug spricht. Die Handlung und das visuell Erfassbare werden erstaunlich gut in der Realität verankert. „Life“ verkauft sich über die gesamte Zeit bodenständig und nachvollziehbar. Wir können mit den Szenen und Gegebenheiten arbeiten, weil sie unserer Vorstellung — oder auch unserem Wissen — von der wahren Welt entsprechen. So fühlt sich, abseits des mordenden Aliens, wenig bis gar nichts fremd und/oder ungewöhnlich an.

Bin im Weltall

Was „Life“ also schon mal nicht ist, ist Trash. Auch nicht erster Güte. Espinosas Werk zeigt sich in einem edlen Gewand und mit hohen Produktionswerten. Nicht alle Effekte und Bewegungen in der Schwerelosigkeit sind einwandfrei, beziehungsweise visuell erfreulich umgesetzt worden, nichtsdestotrotz ist das durchschnittliche Niveau weit über einem rein akzeptablen Wert. Ganz ähnlich verhält es sich mit den Darstellern. Ihre Rollen geben nicht viel her und die schauspielerische Leistung bringt entsprechend auch keine Luftballons zum Platzen, doch der erstaunlich hochwertige Cast spielt immer noch um Längen besser als die Kollegen bei vielen ganz ähnlichen Produktionen.

Fazit

Einfallsreich kann man „Life“ auf gar keinen Fall nennen. Die Geschichte wurde bereits tausende von Malen durchgelutscht und auf die Kinoleinwand geschmissen. Espinos Variante macht keine Anstalten, dem Subgenre irgendeine Art von Mehrwert zuzuführen. Zudem ist der grobe Handlungsverlauf zweidimensional, spickt beim Sitznachbarn ab und köchelt, wenn überhaupt, auf minimaler Zimmertemperatur. Dafür hat dieser Sci-Fi-Horror andere Stärken. Zum einen fällt es leicht, sich mit der Situation auseinanderzusetzen und das Gesehene realitätsnah einzuordnen, da der Film in seinen Details und seiner Sprache bodenständig bleibt und im hier und jetzt verweilt.

Zum anderen haben wir mit Jake Gyllenhaal („Prisoners“, „Nightcrawler — Jede Nacht hat ihren Preis“, „Donnie Darko — Fürchte die Dunkelheit“), Ryan Reynolds („Deadpool“, „Vielleicht, vielleicht auch nicht“, „Adventureland“) und „Rebecca Ferguson („Mission Impossible: Rogue Nation“, „Florence Foster Jenkins“, „The White Queen“) einen tollen Hauptcast und eine entsprechend mindestens überdurchschnittliche Leistung der Schauspieler. Gleichsam zieht sich „Life“ nicht scheinbar endlos in die Länge, sondern hakt straff alle wichtigen Punkte ab und hält anschließend, zusammen mit dem Zuschauer, die Luft an und den Blick nach vorn gerichtet. Die Zeit vergeht so wie ein Wimpernschlag und auch wenn man bereits im Vorfeld weiß wohin der Flug gehen wird, so ist die Reise an sich in diesem Fall vielleicht trotzdem das Geld wert.

"Life" startet am Donnerstag, den 23.03.2017 in den deutschen Kinos.

Bewertung: 3/5***

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 21.03.2017