„Blade Runner 2049“ Filmkritik — Die Zukunft sieht immer noch düster aus

  

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Spoilerfreie Kritik

Fünfunddreißig Jahre sind seit „Blade Runner“ vergangen. Die Replikanten, welche so viel Ärger in ihrem Leid bereitet haben, sind mittlerweile verboten worden. Ihr Ersatz, eine neue Baureihe künstlicher Menschen, haben den frei gewordenen Platz eingenommen und arbeiten unaufhörlich an dem Traum ihres Schöpfers, dem Industriellen Niander Wallace (Jared Leto): die Sterne den Menschen untertan machen. Große Ziele, die sich nur bewerkstelligen lassen, wenn ganz bestimmte Bedingungen erfüllt wurden.

Näher kann und möchte ich nicht auf die Handlung von „Blade Runner 2049“ eingehen. Der Grund dafür ist einfach: das gesamte Werk lebt von seinem Plot-Versteckspiel mit dem Zuschauer. Die Stützsäulen dieses cineastischen Psychotrips arbeitet mit Wendungen sowie einem Nebel aus undeutlichen Anspielungen, dass jeder weitere Spoiler bereits einer zu viel wäre, euch im Zweifelsfall das ganze Kinoerlebnis ruinieren kann.

Ein Vorwort

„Blade Runner“ war seiner Tage kein Kassenerfolg, der Mythos und die gigantische Fanbase entwickelten sich erst in den nachfolgenden Jahren und Jahrzehnten. Was darf man von einer Fortsetzung, dreißig Jahre später, also erwarten? Mit der Zeit zu verfließen und sich den Strömungen der Tage anpassen oder dem Original treu bleiben, seinem Schatten vielleicht sogar hinterher jagen? Beide Optionen haben ihre Vor- und Nachteile.

Regisseur Denis Villeneuve („Prisoners“, „Sicario“, „Die Frau, die singt“) hat sich dafür entschieden, in die Fußstapfen des Giganten zu treten. Und das ist ihm so gut gelungen, dass ich zeitweise fürchte, schon allein aus diesem Grund könnte ein Flop vorprogrammiert sein. Die Geschmäcker ändern sich, der Anspruch an das Science-Fiction-Genre hat sich seit damals stark verschoben. Wer weiß also schon, wie die breite Masse an Kinogängern auf dieses Werk reagiert?

Wenn es jedoch um den direkten Vergleich mit dem Vorgänger und der gefühlsfreien, stahlkalten Analyse des Dargebotenen geht, ist „Blade Runner 2049“ auf einem der Spitzenplätze seines Genres einzuordnen. Villeneuves Film lässt die lange Zeitspanne, die zwischen ihm und seinem Vorgänger liegt, wie eine Nichtigkeit erscheinen. Als hätte sich das Rad nie weitergedreht, tauchen Fans von damals in eine Welt ein, die ihnen nur allzu vertraut sein dürfte.

Gleichsam sollte es Neulingen nicht allzu schwer fallen, dem Film auch ohne jegliche Vorkenntnisse etwas abgewinnen zu können, sich möglicherweise sogar zu verlieben. Die wichtigsten Eckpunkte werden zu Beginn noch einmal erwähnt, alles andere wurde geschickt in die Erzählung eingewoben. Ohne sich aufzudrängen, ohne Kennern wertvolle Minuten ihres Lebens zu berauben. Einfach nur ein Teil des Ganzen.

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Paranoia und Misstrauen

Die Technologie mag etwas weiter entwickelt sein, doch wirklich verändert hat sich in all den Jahren nur wenig. Weder mit Bezug auf die zur Anwendung gekommene Technik in Sachen Filmschöpfung, noch in der Welt von „Blade Runner“ selbst. 2049 arbeitet mit den gleichen Mustern, einer identischen Grundidee und dem Mut, dort erneut anzusetzen, wo schon so oft in den letzten Jahrzehnten gebohrt wurde.

Die Fortsetzung hat einen ähnlichen, ekelerregenden Charme, inklusive der dreckigen Untertöne. Grau in grau und doch irgendwie ein Kunstwerk. Das zentrale Thema ist abermals der Kampf um die eigene Seele — was macht einen Menschen aus und sind Replikanten, die für das Wohl anderer sterben, nicht menschlicher als der Mensch selbst, wenn dieser solch eine Tat verweigert? Empathie, Mitgefühl und der Drang, ein Individuum zu sein, durchtränken den Film wie Wasser den benutzten Schwamm.

Die Dystopie, welche in schrillen Farben ein besseres Leben verspricht, wird genau dort weitergeführt, wo wir sie 1982 zurückgelassen haben. Der Schwache ist noch immer dem Starken ausgesetzt, das Leben auf der Erde gleicht einer Bestrafung. Diese Melancholie und Nostalgie wird in Bildern, Ton und Figuren dargestellt und das auf mehreren Ebenen äußerst beeindruckend. Die Gedankenspiele und philosophischen Bezüge wurden aus dem Vorgänger übernommen und geschickt weitergedacht.

Viel bleibt in Anspielungen verloren, zerschellt an der minimalistischen Mimik des Akteurs oder bleibt vom Zuschauer einfach unbemerkt. Ähnlich wie der wirre, doch nichtsdestoweniger auch angsteinflößende Hintergrund, der den Hauptcharakter sich wie über eine monströse Bühne bewegen lässt. Hut ab, vor den vielen neuen, litherarischen und mythologischen Anspielungen und dem hohen Wiederschauwert, der sich daraus ergibt.

Die Luft geht dem Werk erst zum Ende aus, wenn die große Lösung an die Tür klopft und sich Villeneuves Werk so wortkarg und nichts verratend verabschiedet, wie es dies sein Vorgänger vor so vielen Jahren getan hat. Erst an diesem Punkt hält sich das Projekt für deutlich cleverer als es wirklich ist. Gleichsam bleiben die vielen losen Enden deutlich fransiger zurück als es anno dazumal der Fall gewesen war.

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Film Noir

Deutlich von der Rolle des Harrison Ford in Teil 1 zu unterscheiden, zeigt sich Ryan Gosling („Drive“, „Wie ein einziger Tag“, „Crazy Stupid Love“) als Blade Runner K vielschichtig wie leiderfüllt. Er gibt wenig von seiner Figur preis, lässt an den meisten Stellen lieber die vorgeschriebenen Taten des Drehbuchs sprechen. Dies gelingt ihm jedoch äußerst gut, da sein Spiel nicht unter Abstinenz leidet, sondern sich lediglich der Situation und gespielten Realität anpasst.

Jared Leto („Fight Club“, „Requiem for a Dream“, „Dallas Buyers Club“) als scheinbarer Bösewicht und Ana de Armas als seine rechte Hand, arbeiten hier deutlich offener und ausdrucksstärker, verlaufen sich dafür jedoch auch in wenigen Momenten in ihrer schauspielerischen Leistung. Wo weit mehr als notwendig gegeben wird, leidet oftmals die Glaubwürdigkeit des Charakters. Ein Umstand, der hier mehrfach zu Tage kam, jedoch zum Glück nicht allzu schwer wiegt, da der Fokus deutlich auf anderen Bereichen liegt und vor allem Leto sowieso nur eine Lücke füllt, die Teil 1 hinterlassen hat.

Fazit

„Blade Runner 2049“ ist clever, vielschichtig und verfügt über einen großen Wiederschauwert. Technik, Inhalt, Plot, Charaktere … all dies gibt sich so differenziert, erfrischend ehrlich und düster zugleich, dass ein moderner Film Noir entstanden ist, der seinem Vorgänger keine Schande bereitet. Lediglich das Ende, welches zweifelsohne die gleiche tragische Reichweite erzielen sollte wie 1982, schwächelt unter dem Gewicht, dass Produzenten und Regisseur hier mehr erreichen wollten, als ihre Ideen zuließen.

Blade Runner 2049 ist ab Donnerstag (05.10.2017) in den Kinos zu sehen. Blade Runner 2049-Spielzeiten und alle Kinos findet ihr hier.

Bewertung: 5/5*****

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 04.10.2017