„My Little Pony — Der Film“ Filmkritik — Kunterbunt und abgedreht

  

Aufgepasst, ihr Stofftier-Kuschler, hergehört Kindgebliebene. Spitzt die Ohren, Buben und Mädels und drückt die Brille gegen den Bildschirm, wehrte Mütter. Am 05. Oktober 2017 erscheint „My Little Pony — Der Film“ in den deutschen Kinos; eine Animationskomödie, die trotz offensichtlicher, visueller Gegenargumente, einen zweiten oder auch dritten Blick durchaus wert sein könnte. Doch seid gewarnt: egal was ihr hier zu lesen bekommt, dieser Streifen ist, was er ist: eine Produktion für Kinder.

Der Film von Jayson Thiessen („My Little Pony: Equestria Girls“) biedert sich trotzdem keiner speziellen Zielgruppe an, sondern lässt den gleichen Zauber für sich sprechen, welcher auch schon der weltberühmten Serie zu so viel Ruhm verholfen hat. Und ist damit quasi Kino für die ganze Familie … inklusive dem schrägen Onkel von eurem Dad. Der Knackpunkt zur Unterhaltung liegt in diesem Fall klar auf der Hand: Kind ohne Vorurteile sein, oder Erwachsener, der jegliche Klischeerollen hinter sich gelassen hat.

My-Little-Pony

Freundschaft ist magisch

Wer es nicht schrill, kunterbunt und äußerst kitschig mag, sich gar nicht mit einem solchen Szenario auseinandersetzen kann und will, dem rate ich, „My Little Pony“ zu meiden. Außer natürlich, Sohn/Tochter/Hund bittet darum, sie ins Kino zu begleiten. Dann steht euren Mann, Augen zu und durch. Gebt dem Ganzen eine zweite Chance, schluckt die Vorurteile runter und lasst euch einfach berieseln. Dann ist es nicht unmöglich, dass selbst ihr noch ein/zwei Lacher entbehren könnt.

Thiessens Film ist nämlich nicht durchgehend ein Kaugummi-Wunderland mit Regenbogen-Erbrochenem. Die meiste Zeit ist es viel mehr eine ehrliche, herzliche Kinderkomödie, mit dem Mut, ab und zu dem Wahnsinn direkt ins Gesicht zu starren. Die Gags werden im Sekundentakt aus der sprichwörtlichen Kanone geschossen, während dazwischen die Freundschaft im Mittelpunkt der Ereignisse stehen.

Was sich kitschig anhört und ebenso aussieht, ist unterm Strich auch genau das. Aber eben nicht wie in anderen Serien/Filmen, die keinerlei Aussage zu treffen scheinen und wirken, als hätten Glücksbärchis auf LSD einen zweitägigen Zeichenkurs besucht und anschließend direkt ihren eigenen Trickfilm veröffentlicht.

Nein, stattdessen zeigen - so verrückt es klingen mag — die Figuren durchaus mehrschichtige Charaktereigenschaften. Sie durchleben nicht einfach nur ein verrücktes Abenteuer, sondern lernen auf ihrer Reise und wachsen an ihren Herausforderungen. Natürlich darf man diese Aussagen nur unter dem Aspekt verstehen, dass es sich hierbei noch immer um einen Film für ein sehr viel jüngeres Publikum handelt. Doch bei einer solchen Betrachtung ist das Ergebnis durchaus sehenswert.

Wir reden hier zwar nicht von einem Werk, welches die Chance hat, ein Klassiker wie „In einem Land vor unserer Zeit“ zu werden, doch auch nicht von Zeitverschwendung. Dafür ist mit zu viel Liebe zum Detail gearbeitet und mit sichtbar großem Herz das Drehbuch geschrieben worden. Klar, nicht alles ist mehr, als nur Lückenfüller aus der Einheitsbrei-Schublade — wo ist dies schon der Fall? Qualitativ bewegt sich Thiessens Werk aber durchaus auf gehobenem Niveau.

Für alle im Herzen Kind gebliebenen gibt es ebenfalls gute Nachrichten. Was ihr an der Serie lieben gelernt habt, hat seinen Weg ebenfalls in den Film geschafft. Eine verlängerte Folge, die ihrem Ursprung treu bleibt und sich zu eurem Vergnügen mit neuen Freunden und Feinden schmückt. Welche sich übrigens gut in die Welt einfügen, will sagen, nicht aus dem Rahmen tanzen oder fehlplatziert wirken.

my little pony szene 2

Regenbögen

Was die grafische Umsetzung dieses Werks betrifft, gibt es durchaus deutliche Veränderungen zum Original. Hier wurde viel mehr mit 3D-Animationen gearbeitet und ein Glanz-, wie Perleffekt nach dem anderen verwurstet. Dem schrillen Look der Bewohner von Ponyville hat dies nicht geschadet, dem Gesamteindruck tut es ebenfalls keinen Abbruch. Es ist, wie so oft, einfach eine Sache des Geschmacks.

Positiv hervorzuheben wäre bei dieser Technik auf jeden Fall der angenehm hohe Grad an Details im Hintergrund und in Städten. Auch bei den abgedrehten aber herzlich liebenswerten Gesangseinlagen, hilft diese Art der Herangehensweise mehr Bewegung und einen flüssigeren Ablauf zu gewährleisten. Ein Umstand, der Kennern der Serie sofort auffallen dürfte. Alle anderen haben zumindest das Glück, qualitativ hochwertige LSD-Trips geliefert zu bekommen.

Was du nicht sagst

Mit den originalen, deutschen Synchronsprechern kann man natürlich nie etwas falsch machen. Schwierig wird es erst, wenn neue Figuren eingeführt und entsprechend vertont werden müssen. Glücklicherweise braucht ihr euch hier abermals keine zu großen Sorgen machen. Die neuen Sprecher passen sich der Welt und ihren Bedingungen wunderbar an und harmonieren auf ganzer Strecke mit ihren alteingesessenen Kollegen.

Was den Soundtrack dieses Films betrifft, wage ich mir kaum ein Urteil zu fällen. Sagen wir einfach, die Musik ist … speziell. Nicht unbedingt unangenehm, für Kinder wahrscheinlich eine Ohrwurmgarantie, nichtsdestoweniger gewöhnungsbedürftig. Ich will nicht behaupten, dass ich nicht meinen Spaß hatte, doch sind manche Stimmen hier einfach etwas zu schrill für das dargebotene Dilemma.

Unterm Strich sind neue und alte Charaktere jedoch humorvoll und liebenswert in Szene gesetzt und so sehr manche Stimme auch im Ohr zu stechen scheint, keine Figur ist wirklich nervig oder — was ja noch schlimmer wäre — überflüssig. Die Screentime für die einzelnen Ponys und Einhörner mag nicht für jeden gerecht verteilt erscheinen — je nach Vorlieben -, dafür wird zumindest niemand wirklich ausgelassen oder vergessen.

Echte Fans

Alles abseits der besprochenen Punkte könnt ihr gedankenlos in die Kategorie „Mutmach-Abenteuerfilm“ verfrachten. Als Neuling in Sachen „My Little Pony“ kann ich euch natürlich kaum eine Empfehlung für oder wider dieses Werk geben, doch hatte ich für meine Recherchen einen knallharten Fan der Serie zur Hand. Dieser fühlte sich zwar nicht unbedingt aus den modischen Tretern gehauen, hatte aber ebenfalls seinen Spaß und speichert den Film unter „Gute Abendunterhaltung“ ab.

Fazit

Nah an der Vorlage und für jedes Alter geeignet. Nicht für jeden Charakter, wohlgemerkt, doch dafür ist „My Little Pony — Der Film“ ja auch gar nicht ausgerichtet. Wer jung genug ist oder von sich selbst überzeugt, diesem Setting etwas abgewinnen zu können, erhält für sein Geld einen süßen, humorvollen und teilweise auch abgedrehten Streifen, der das Herz am rechten Fleck trägt. Gesangseinlagen und Animationsstil sind natürlich reine Geschmackssache, nichtsdestoweniger bietet das Werk von Jayson Thiessen mehr Tiefe als die meisten Konkurrenztitel mit gleicher/ähnlicher Zielgruppe.

Bewertung: 4/5****

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 05.10.2017