Filmkritik „The Commuter“

  

Wenn es funktioniert, sollst du keine Fragen stellen sondern einfach mit der Arbeit fortfahren. Was der Meister damals dem Lehrling zu erzählen wusste, hat heute für manch einen noch immer Hand und Fuß. Zum Beispiel für Regisseur Jaume Collet-Serra, der seine größten Erfolge Filmen verdankt, in welchen Liam Neeson den Actionhelden mimt. Der kommerziell erfolgreichste davon, „Non-Stop“, welcher das Geplänkel auf engsten Raum verlegt hat, wird hier zum Musterbeispiel und, ihr erratet es schon, alles wiederholt sich.

Collet-Serra setzt auf Altbewährtes, verpackt Neeson eins ums andere Mal mit dem Geschenkpapier, welches dem Publikum am Besten gefallen hat und hält sich Abseits davon nicht allzu sehr mit Nebensächlichkeiten auf. Was ihr also bekommt, ist ein gealterter, doch noch immer einsatzbereiter Ex-Cop, der sich urplötzlich mitten in einer Verschwörung wiederfindet. Was den Rest angeht, erwartet ihr wohl am Besten wenig, dann wirkt das Endprodukt vielleicht doch etwas umfangreicher.

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Der Pendler

Im Mittelpunkt der Geschichte steht der Pendler (zu englisch: The Commuter) Michael MacCauley, der seine Polizeimütze bereits vor vielen Jahren an den Nagel gehängt hat. Nun reist der Versicherungsmakler Tag ein Tag aus mit dem Zug, immer auf dem Weg zwischen Arbeit und Heim. Doch diese Routine wird abrupt gestört, als Michael ohne Vorwarnung seinen Job verliert und mir nichts dir nichts ein höchst fragwürdiges Angebot erhält, welches ihm jedoch eine Menge Geld einbringen könnte.

Vertraut mit den Gesichtern vieler Gäste soll er für eine Unbekannte herausfinden, welche Person nicht in den Zug gehört. Sollte es ihm gelingen diese ominöse Prynne ausfindig zu machen, winken ihm 100.000 US-Dollar. Eine Summe, die er wohl selbst mit Arbeitgeber kaum ausgeschlagen hätte. Was jedoch wie ein merkwürdiges Katz- und Maus-Spiel beginnt, entwickelt sich der Natur des Genre entsprechend schon bald zu einem äußerst tödlichen Ernst.

In dieser Anfangsphase des Films nimmt sich Collet-Serra noch allerlei Zeit, zeigt viel Liebe zum Detail, gleichsam ein gewisses Händchen Spannung aufzubauen und nicht zu schnell wieder verfliegen zu lassen. Dies sind die Momente, in welchen ich an klassische Krimis der Marke Alfred Hitchcock erinnert wurde, bereits die Hoffnung bekam, hier einen echten Goldschatz vorgefunden zu haben. Nichtsdestoweniger platzt diese Blase recht schnell, wenn dem Film nur wenige Momente später bereits die Luft ausgeht.

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Überraschend nicht überraschend

Wo der Zuschauer eben noch genauso planlos im Dunkeln jedem Hinweis hinterher stolpert wie es der Protagonist zu tun pflegt, wird die Antwort auf viele Fragen bereits einen Augenschlag später in das Gesicht des geneigten Kinogängers geschlagen. Viel zu früh offenbart sich das zentrale Motiv der Auftraggeber - entsprechend rasant nimmt auch jede Form von Spannung ab, die zusätzlich nach und nach durch qualitativ sinkende Verbindungsstücke im Plot unterdrückt wird.

Es könnte als Verschwendung bezeichnet werden, was hier aus einer eigentlich grundsoliden und durchaus spannenden Prämisse ausgearbeitet wurde. Lediglich im Ansatz, vor allem zu Beginn des Films, schaffen es Drehbuchautor und Regisseur, glaubwürdig und mit einem gewissen Verständnis für die dramatischen Untertöne des Thrillers zu arbeiten. Zu guter Letzt gibt es ein zwar stark inszeniertes, jedoch technisch zweifelhaft umgesetztes Finale, welches den Plot völlig in Vergessenheit geraten lässt.

Die Ausnahme von dieser Regel kommt in „The Commuter“ in Form des Hauptdarstellers, Liam Neeson („Schindlers Liste“, „96 Hours“, „Non-Stop“). Sein Schauspiel entspricht der Ausarbeitung seiner Figur, welche die gesamten 105 Minuten hindurch gut nachvollziehbar agiert wie argumentiert. Visuell für den Zuschauer leicht, jedoch nicht schlampig inszeniert, von Neeson entsprechend gut in Szene gesetzt.

Technik versus Technik

Abgesehen von den CGI-Fehlgriffen im letzten Drittel, gibt es wenig am eigentlichen Aufbau von „The Commuter“ auszusetzen. Mit hoher Frequenz visuell wie technisch grundsolide inszeniert. Die Technik der Darsteller wiederum lässt abseits der Hauptfigur oftmals zu wünschen übrig, sind die wenigsten der hier anwesenden doch auf voller Höhe ihrer eigentlichen Fähigkeiten.

Trotzdem möchte ich die Akteure an dieser Stelle nicht zu stark kritisieren, sind sie doch dem blassen Skript unterworfen, welches auch in der Ausarbeitung der meisten Figuren nicht unbedingt das Gelbe vom Ei geliefert hat. Die typischen Archetypen kränkeln lediglich wenige Zentimeter über der sprichwörtlichen Schublade voller Klischees, haben zeitgleich weder die Screentime, noch die Potenz, sich besonders glaubhaft oder zumindest erinnerungswürdig zu präsentieren.

Wirklich positiv kann an dieser Stelle nur noch eine Sache erwähnt werden und zwar die ausgefeilte Technik mit welcher auf beschränkten Raum, hier der Zug, durchaus spannend inszeniert und in Bild gesetzt wurde. Kamera und Schnitttechnik arbeiten Hand in Hand und bieten durchaus ansehnliche Action in eigentlich abwechslungsloser Umgebung. Trotz dieser Beschränkung per Wahl leidet „The Commuter“ zu keiner Sekunde unter der Unfähigkeit Abwechslung der visuellen Art zu bieten.

Hier ist dem Regisseur gelungen, was den Figuren des Plots untersagt geblieben ist. Die Handlung im Zug und der generelle Aufbau an Atmosphäre wurden mit mehr Sorgfalt umgesetzt als es in allen anderen Bereichen dieses Werks der Fall ist. Mit dramatischer jedoch nicht zu aufdringlicher Musikuntermalung wirkt zumindest die Präsentation des Films vom Niveau her hochwertig, fast schon clever.

Fazit

Der neue Action-Thriller von Jaume Collet-Serra beginnt stark, lässt jedoch gleichzeitig schnell nach. Nach einer spannenden Einführung in die Geschichte, nimmt der Film Geschwindigkeit auf und lässt im Gegenzug Glaubwürdigkeit und Liebe zum erzählerischen Detail zurück. Über beinahe 90 Minuten muss Liam Neeson den Film alleine tragen, was ihm zwar mühelos gelingt, den Plot jedoch kaum merklich schmackhafter gestaltet.

Was am Ende bleibt ist bestenfalls Popcornkino. Teilweise nett anzusehen, mit der einen oder auch anderen guten Idee und bisweilen technisch versiert umgesetzt. Nichtsdestoweniger lassen Lücken in der Logik und krude Wendungen in dem potenziell starken Thriller wenig übrig, an dem sich der Zuschauer erfreuen kann. Für einen gemütlichen Abend ohne Erwartungen durchaus empfehlenswert, darüber hinaus jedoch wenig beachtenswert.

The Commuter startet morgen (11.01.2018) in den deutschen Kinos.

Bewertung: 3/5***

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 10.01.2018