„ES“ Filmkritik — Coulrophobie-Trigger-Warnung

  

Streiten wir doch bitte nicht über die generelle Verfilmbarkeit von Stephen Kings Romanen. Aufgrund des immensen Erfolgs seiner Bücher wird sich nichts daran ändern, dass immer wieder Werke von dem weltbekannten ‚Meister des Horrors‘ als Kinoadaption das Licht der Welt neu erblicken. Worüber wir uns jedoch uneinig sein dürfen und auch sollten, ist die Qualität dieser Streifen. Nicht selten zeigt sich in cineastischer Form nämlich, wie schwer es eigentlich ist, aus einem Buch, einen Film zu zaubern. Vor allen Dingen, wenn der geistige Vater Stephen King heißt.

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Die moderne Variante

Was bleiben muss ist ein Werk, dass losgelöst für sich alleine stehen kann oder zumindest sollte. Nicht als Verfilmung, nicht als Projekt, dass in sprichwörtliche Fußstapfen treten muss und schon gar nicht als Versuch, einem größeren, cineastischen Universum als Einleitung zu dienen. Was aber auch bedeutet, dass die Geschichte trotzdem als Film funktionieren muss. Mit allem, was dazu gehört, inklusive der Notwendigkeit, dem Publikum eine Möglichkeit zur Identifikation zu geben.

Was in diesem Fall dazu geführt hat, dass die Geschichte einige Jahre später angesiedelt wurde als es noch im Buch und auch in der ersten Verfilmung der Fall war. Einige Details verändern sich, da sie in der heutigen Zeit auf keine gut gelaunten Reaktionen der Gesellschaft stoßen würden, während die Ängste der Kinder weniger typisch zu einer Horror-Mär als zur Realität und echten Ängsten passen.

Abseits davon gibt es noch weitere Anpassungen, die vor allem der lieben Konkurrenz geschuldet sein dürften. In den letzten Jahren gab es eine Vielzahl an Horrorfilmen mit Clowns, das Publikum stumpft ab, wuchs vielleicht sogar mit dem abgenudelten Klischee dieser Horrorfigur auf. Was dazu geführt hat, dass dieses Werk tatsächlich etwas härter und erbarmungsloser die Bühne betritt, als es ursprünglich erdacht oder im engeren Sinn sogar notwendig gewesen wäre. Der große Schocker kommt jedoch zum Schluss, so wie sich dass für Spannungsbögen gehört: diese vielen, kleinen Änderungen … sind alles andere als schlecht.

Das größte Negativmerkmal ist weitgehend, zumindest meiner Meinung nach, der Mangel an Zeit. Trotz zwei Stunden und fünfzehn Minuten Spielzeit wirkt „ES“ gehetzt, dem Potenzial der Figuren nicht gerecht werdend. Dadurch erreicht keiner der Charaktere die notwendige psychologische Tiefe und Möglichkeit, diese auch zur Schau zu stellen, wie es ihnen hätte vergönnt sein sollen. Nicht jede Reaktion, nicht jede Handlung kann vom Zuschauer reibungslos aufgenommen/verstanden werden.

Abseits davon könnte ich maximal und in gewisser Weise auch gegen meinen eigenen, persönlichen Willen, nur noch an einigen Tricksequenzen Anstoß nehmen. Nicht immer sind die Special-Effects auf der Höhe der Zeit. Da der Kern des Horrors jedoch nicht in billigen Jumpscares und Körperhorror zu finden ist, darf diese Negativkritik gerne als minimal belastend angesehen werden — wenn überhaupt.

Guter Horror, böser Horror

Diese neue Variante von „ES“ hat es nicht leicht gehabt und trotzdem das Beste daraus gemacht. Die altbekannte Geschichte, der fast schon legendäre erste Film, musste irgendwie überboten werden, ohne zu sehr von der Vorlage abzuweichen. Der Bewegungsfreiraum war in diesem Fall aufs Geringste beschränkt. Noch stärker in Hinsicht auf die doch sehr schwer darzustellenden Details, die bei der ersten Umsetzung völlig ignoriert wurden. Trotz dessen haben sich die Veränderungen gelohnt, dem Film einen neuen Anstrich und neue Facetten des Horrors ermöglicht.

Ein Beispiel dafür ist ohne Frage der moderne Pennywise (Bill Skarsgard), der sich mit seiner Performance erfreulich genau an die Vorlage hält und ihr nichtsdestoweniger einen eigenen, gruseligen Touch verleiht. Zusammen mit dem einen oder auch anderen clever eingebauten CGI-Effekt ist der vielleicht abgefu******, verdrehteste und ungemütlichste Vertreter dieser Art von Gruselkreaturen entstanden, den ich je im Kino bewundern durfte.

Die Horrorelemente sind alles andere als rar gesät, gleichzeitig keineswegs altbacken oder plump platziert. Es werden provokant Grenzen überschritten, verwischt und verflüssigt. Ein bisschen brutal, aber vor allem beängstigend soll es sein. Pennywise‘ Waffe ist die Angst vor der Angst selbst und das Ausnutzen von Ängsten in jeder Form. Sei es ganz konkret darstellbar oder auch psychologisch verwinkelt. Dadurch wirken die gruseligen Einlagen um so unangenehmer. Die blutigen Parts sind quasi nur die Kirsche auf dem Sahnehäubchen.

Über die musikalische Untermalung kann sich gerne gestritten werden, vor allen Dingen während der spannungsgeladenen Szenen, die jeden Moment einen Jumpscare erwarten lassen. Der beinahe nie in Erscheinung tritt. Die kreischenden, viel zu lauten Sound-Bögen schlagen irgendwann nur noch auf den Kopf, hinterlassen im Bauch aber kein kribbelndes, mulmiges Gefühl. Abermals können geneigte Kinogänger also glücklich darüber sein, dass der dargebotene Schrecken nicht oft auf diese Mittel zurückgreift.

Stand by me

Das pure Gerüst des Films erinnert von Aufbau und Einstellungen her an die Teenager-Dramen der 1970er und 80er Jahre. Gekonnt von den Darstellern in Szene gesetzt, die zwar nicht über ihre mangelnde Erfahrung als Akteure hinwegtäuschen können, trotz dessen aber eine mehr als solide Leistung abliefern. Mit Blick auf die Jungdarstellerin Sophia Lillis möchte ich sogar von einem überraschend hohem Niveau schauspielerischer Kunst sprechen, welches wir hier zu Gesicht bekommen.

Unterm Strich darf gut und gerne behauptet werden, dass die Performance von keinem der Anwesenden unter Zimmertemperatur fällt. Dies ist einer der Pfeiler, welche die 2017er Version dazu verhelfen, so gut zu funktionieren. Geschickt ausgewählte Schauspieler verschmelzen mit ihren Figuren und bilden den Nexus der fast schon idyllischen Kulisse eines Jugenddramas. Diese wird gnadenlos mit dem grauenerregenden Horror und der Welt eines Pennywise konfrontiert.

Das Ergebnis mag nicht schön im klassischen Sinn sein, doch es funktioniert auf vielen Ebenen. Selbst ein abgestumpfter Horrorfan wie ich, der schon lange in keinem Film mehr zusammenzucken durfte, sich nicht mehr wirklich gruseln kann, sieht und fühlt die beengende, widerliche Atmosphäre, die Gänsehaut verursachen kann, sobald man sich in die Situation der gezeigten Figuren hinein versetzt. Dies ist, wie gesagt, nicht immer leicht, gelingt es jedoch, funktioniert dieser Horrorfilm noch einmal eine ganze Ladung besser.

Fazit

Die 2017er Version von „ES“ ist eine der besten Stephen-King-Adaptionen, die je über die Kinoleinwand huschen durften. Vielleicht sogar die Beste. Muschiettis Version ist in jedem Fall der 1990er Variante überlegen und auch wenn das Thema gruseliger Clown bis zum Stiel ausgelutscht schien, haucht Skarsgards Performance diesem Horror neues Leben ein. Durch und durch gelungener Film, der als Drama, Horror und Mischung aus beidem hervorragenden funktioniert.

"ES" ist ab dem 28. September in den Kinos zu sehen.

Bewertung: 4/5****

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht", 18.09.2017