"Ein letzter Job" Filmkritik - Michael Caine ist alt

Manchmal schreibt das Leben die besten Geschichten. Manch wahnwitzige Begebenheiten als grandioser Beweise dafür, was für ein äußerst unterhaltsamer Ort - in positiver wie negativer Weise - unser Planet sein kann. Doch so interessant einige Erzählungen aus der Realität auch sind, so ungeeignet sind sie meist in ihrer Funktion als Filmvorlage. Was als einseitiger Artikel in einer Zeitung funktioniert, taugt in Form von eineinhalb Stunden und länger in bewegten Bildern eher selten.

Ausnahmen bestätigen hier natürlich wie immer die Regel. James Marshs neuestes Werk, "Ein letzter Job", gehört jedoch nicht zu diesen Ausnahmefällen, sondern zu einem weiteren Beweis für die eben angesprochene Theorie. Sein Versuch, eine kurze, wenn auch recht unterhaltsame Begebenheit in über 100 Minuten zu präsentieren, führt zu sich stets wiederholenden Anekdoten, Leerläufen, die eine Menge Geduld seitens des Zuschauers verlangen und einem recht unbefriedigenden Ende.

EinLetzterJob

Der Alte-Herren-Club

Das Werk, welches im Original "King of Thieves" getauft wurde, beschäftigt sich mit einem kuriosen Diamantenraub, der im April 2015 in London stattgefunden hat. Nicht nur handelte es sich bei diesem Diebstahl um einen der Größten in der Geschichte der Stadt, nein, zusätzlich wurde dieser Job von einer Gruppe von Rentnern durchgeführt, die dem Gesetz bis dato bereits vielfach bekannt gewesen sind.

Und das ist auch bereits die gesamte Existenzberechtigung des Films. Eine Gruppe von Rentnern, die über Jahrzehnte hinweg professionelle Gangster waren, haben Schmuck geklaut. Ihre Vorgehensweise war nicht sonderlich clever, ihre Persönlichkeiten nicht wirklich einnehmend und das Ende der Geschichte weder überraschend noch in irgendeiner Form spannend. Nein, sie waren schlicht und ergreifend alt und das ist auch schon alles, was es darüber zu sagen gibt.

Nun kann ich mir ja durchaus vorstellen, der Film könne alternativ von seinen tollen Ideen in Sachen Drehbuch profitieren. Von begabten Schauspielern, die das Publikum mit einem Lächeln für sich einnehmen können. Oder mit Wendungen, die vielleicht nicht ganz der Wahrheit entsprechen, aber dem Film zumindest einen gewissen Mehrwert bescheren. Oder wenigstens durch technische Raffinesse. Doch nichts davon ist der Fall.

Stattdessen bekommen wir es mit einem Streifen zu tun, der uns einige alte Herren präsentiert, die sich gegenseitig sprichwörtlich wie auch im übertragenen Sinne an die Gurgel gehen, alle Nase lang einen Witz über ihr hohes Alter oder das Altwerden vom Stapel lassen und die eine oder auch andere Information über den Wert von Diamanten und woran man diesen erkennt, zum Besten geben.

Und obwohl "Ein letzter Job" mit namhaften Darstellern wie Michael Caine („The Dark Knight“, „Inception“, „Prestige“), Jim Broadbent oder auch Michael Gambon aufwarten kann, werden deren Talente gar nicht bis wenig genutzt. Ihre Figuren geben das schon in der Realität nicht her und die Umsetzung in cineastischer Form ändert an diesem Umstand quasi nichts. Wer es trotzdem schafft, sich mit einem oder gleich mehreren Charakteren zu identifizieren oder zumindest mit ihnen zu sympathisieren, erhält dafür ziemlich wenig - meist nur ein müdes Lächeln alle dreißig Minuten.

Etliche Minuten zu lang

Die einzige Figur im Team der alten Herren, über die der ursprüngliche Zeitungsartikel nicht viel verraten konnte, ist die des deutlich jüngeren Technikers, nur als Basil bekannt, der den in die Jahre gekommenen Banditen geholfen hat, das Sicherheitssystem zu überlisten. Basil wird von "Marvel´s Daredevil"-Star Charlie Cox verkörpert, der seine Figur hingebungslos von Szene zu Szene schleift und oftmals wirkt, als würde er noch immer den blinden Anwalt/Superheld aus der Netflix-Serie spielen, sich aber fragen, wie zum Teufel er hierher gekommen ist.

Aus seiner Figur wird ebenfalls nicht viel gemacht und so gibt es im ganzen Film quasi niemanden, der wirklich interessant erscheint. Zusätzlich bietet der Streifen kaum spannende Ansätze in der Persönlichkeit und/oder dem Verhalten der Beteiligten. Dafür gibt es einen Haufen Witzeleien, die jedoch eine große Menge Empathie erfordern oder ähnliche Lebensumstände, um sie komisch zu finden. Die Zahl an Kinozuschauern, auf die das zutrifft, dürfte relativ gering sein.

Die Akteure der Alt-Herren-Garde schlurfen durch den Film und spielen sich langsam wie lustlos den Ball zu. Keiner geht in seiner Rolle auf, niemand scheint sich mehr Mühe zu geben als absolut notwendig. Und die Geschichte selbst dümpelt in Richtung Finale, welches einem schon nach einer knappen Stunde kaum egaler sein könnte.

Höhepunkte oder irgendeine Form von Spannungskurve sucht ihr in Marshs Werk ebenfalls vergeblich. Stattdessen wird antriebslos das Notwendigste durchgekaut, während der geneigte Zuschauer erfolglos jede Form von Unterhaltungswillen seitens der Schöpfer sucht.

Technisch eingestaubt

Doch nicht nur die schauspielerische Leistung und der Erzählstil lassen stark zu wünschen übrig, die technischen Aspekte an dem Film sind ebenfalls von gestern und davor. Die Kamerafahrten, Bildeinstellungen und Kulissen könnten langweiliger und ideenloser nicht sein, selbst wenn es die Verantwortlichen versucht hätten. Alles wirkt, als wäre auf Nummer sicher gegangen worden, wobei sich nur beständig fragen lässt, welche Form von Sicherheit das sein soll.

"Ein letzter Job" fühlt sich an, als würde ein Fan von Modelleisenbahnen seinem nur marginal an diesem Thema interessierten Freund seine Kollektion zeigen und schlichtweg erwarten, dass die Präsentation alleine genügt, um ihn in Begeisterungsstürme zu versetzen. Keine aufwendig gebastelte Stadt, durch die der Zug fährt, keine tatsächlich in Aktion dargestellte Lokomotive in Miniaturformat überhaupt. Und keine spannende Geschichte, die die Darbietung begleitet. Einfach nur mehrere Züge und Waggons, fein säuberlich auf dem Tisch aufgestellt, mit einem breiten grinsen im Gesicht des Besitzers.

Fazit

Die grundlegende Geschichte des Films ist per se durchaus interessant, in dieser Darstellungsform lässt sich dieser Umstand jedoch eher erraten als erleben. "Ein letzter Job" wurde lust-, wie ideenlos konzipiert, entsprechend umgesetzt und unnötig in die Länge gezogen. Weder vor noch hinter der Kamera macht auch nur einer der Beteiligten den Eindruck, als hätte er oder sie Lust auf dieses Projekt gehabt. Langweilig, grau, eingestaubt. Das sind die drei Wörter, mit denen ich das neue Werk von James Marsh ("Die Entdeckung der Unendlichkeit") verbinde.

Bewertung: 2/5**

Filmkritik von Heiner "Gumpi" Gumprecht, 25.03.2019