Filmkritik: Der Rausch – Was für ein wundervolles Leben

  

von Peter Osteried | 04.02.2021

Das Drama „Der Rausch“ von Thomas Vinterberg ist für den Kinostart am 15. Juli geplant. Hier ist unsere Kritik.

Der Rausch Kinofilm szene 2

Thomas Vinterbergs neuer Film begann als eine Art Zelebration des Alkohols auf Basis der These, dass die Weltgeschichte eine andere ohne Alkohol gewesen wäre. Doch der Film veränderte sich schlagartig am vierten Drehtag, denn Vinterbersg Tochter Ida, die ihn überhaupt erst dazu bewegt hatte, sein eigenes Bühnenstück filmisch umzusetzen, kam bei einem Autounfall ums Leben.

Vinterberg schrieb inmitten der Trauer und am Beginn der Dreharbeiten das Drehbuch um. Es sollte nun lebensbejahender sein und sich nicht mehr um den Alkohol als solchen drehen. Tobias Lindholm inszenierte in der Woche nach dem Unfall, dann übernahm Vinterberg wieder, der nun einen anderen Blick auf seine Geschichte hatte.

Der Rausch – Zur Handlung

Martin (Mads Mikkelsen) ist Lehrer an einem Gymnasium, sein Job macht ihm aber schon lange keine Freude mehr. Überhaupt ist er schon lange nicht mehr glücklich. Als einer seiner drei Freunde und Kollegen bei einem Geburtstag von der Theorie eines Philosophen erzählt, ändert sich alles. Der Mann ist der Meinung, dass der Mensch mit einem halben Promille zu wenig geboren wurde. Erst, wenn er ein halbes Promille intus hat, erlangt er die perfekten sozialen und fachlichen Fähigkeiten.

Martin beschließt, das auszuprobieren. Seine Freunde ziehen mit und wollen daraus eine Studie machen, doch das „Experiment“ läuft schnell aus dem Ruder …

Der Rausch – Eine Kritik

Mads Mikkelsen beschreibt seine Figur als einen Mann, der am Bahnhof steht, aber der Zug ist schon abgefahren. Martin ist jemand, der das Gefühl hat, sein Leben an die Wand gefahren zu haben, der glaubt, dass er nichts erreicht hat, der langsam, aber kontinuierlich zerbricht, der aber auch einen neuen Blickwinkel aufs Leben bekommen muss. Den, dass er viel hat – eine Frau, die ihn liebt, eine Familie, die er liebt, einen Job, der ihm einst sehr viel gegeben hat. So ist DER RAUSCH die Geschichte von vier Männern, die allesamt unglücklich im Leben sind, aber – zumindest zum Teil – den falschen Weg wählen, um diesem Umstand entgegenzuwirken.

In DER RAUSCH geht es nicht nur um Alkoholmissbrauch, sondern mehr noch um den damit einhergehenden Kontrollverlust. Martin hat längst die Kontrolle über sein Leben verloren, der Alkohol macht es aber noch schlimmer. Für einen seiner Freunde gilt das noch mehr, aber auch Martin droht, alles zu verlieren. Nicht, weil er säuft, wie seine Frau sagt, denn das macht sowieso das ganze Land, sondern wegen dem, zu wem er wird, wenn er es tut.

Vinterberg ist ein profunder Beobachter. Er macht aus einer Geschichte, die der Stoff für eine schrille Komödie sein könnte, eine emotional packende Tragikomödie, die vom hervorragenden Ensemble getragen wird. Das Ende zeigt Mads Mikkelsen beim Tanzen am Pier, eine Szene, die von ALEXIS SORBAS inspiriert ist, dem Film mit dem großen Anthony Quinn, der am Ende alles verloren hat und nicht anders kann, als am Strand zu tanzen. Bei Vinterberg ist das Ganze ambivalenter, ein Wunsch zu leben, aber im Schlussbild auch eine Metapher darauf, einfach alles zu vergessen.

Fazit

Thomas Vinterberg ist einer der eindrucksvollsten dänischen Autoren und Regisseure, der mit Mads Mikkelsen u.a. schon DIE JAGD umgesetzt hat. In seinem neuesten Film erzählt er eine eindringliche, manchmal komische, oft schmerzliche Geschichte über Menschen, die aus der Bahn geworfen werden. DER RAUSCH ist, wenn man so will, der ultimative Film zur Midlife-Crisis, wenn das bisherige Leben bewertet ist und Ratlosigkeit in Hinblick auf die Zukunft herrscht. Aber Tanzen kann man immer noch.

Bewertung: 4/5****

Der Rausch Filmposter

Bilder: (C) Weltkino Filmverleih GmbH