Filmkritik "Lost River"

  

Ryan Gosling präsentierte im Mai des vergangenen Jahres auf den 67. internationalen Filmfestspielen in Cannes sein Regiedebüt. Der Erwartungsdruck, der auf den Schultern des Schauspielers lastete muss gewaltig gewesen sein. Und die Erwartungen der Kritiker schier unerfüllbar. So verwandelte sich alle Begeisterung auch schnell in bitter böse Verrisse. Ryan Gossling hatte einfach versucht ein zu großes Stück für seinen noch kleinen Mund als Regisseur vom Kuchen ab zu beißen. Die teilweise wirklich hasserfüllten Reviews hatte „Lost River“ dann aber doch nicht verdient, zeigt er doch wirklich sehr gut Ansätze.

Stückwerk und große Vorbilder

lost_riverEines vorne weg. Selbst wenn in „Lost River“ alles funktioniert hätte und alle Stücke ineinandergegriffen hätten (was sie leider nicht tun), wäre der Film noch immer keiner für das wirklich große Publikum. Er steht viel mehr in der Tradition von Filmen wie „Under The Skin“, „Walhalla Rising“ oder „Only God Forgives“ als, wie vielleicht vom breiten Publikum erwartet werden dürfte „Drive“. Die Handlung ist sehr allegorisch, die Bildsprache zwar wunderschön, aber kompliziert und nicht immer klar zu deuten. Zudem schwankt der Film zwischen Phantastik, Surrealismus, Endzeit und Neo-Noir, zwischen Lyrik im Stil von Terrence Malick (The Tree of Life) und Grimmschen Märchen. „Lost River“ ist bizarr und leidet sehr unter David Lynch, Nicolas Winding Refn und eben Terrence Malick. Leiden im Sinne davon, dass sich Ryan Gosling offensichtlich daran versucht hat deren Stile zu kopieren und zu verknüpfen. Ein Vorhaben, welches, zumindest als Erstlingswerk, für den Sprung ins kalte Wasser, irgendwie zum Scheitern verurteilt war von Beginn an. Da helfen dann auch fiebrige Schnitte und der minimalitisch-technohafte Soundtrack von Johnny Jewel (Bronson, Drive) nicht weiter. Zum einen entgleitet Gosling zu oft die fabelhafte und finstere Märchenwelt im verfallenen Detroit, zum anderen kann er den Szenen und Charakteren einfach nicht die düstere Tiefe einhauchen, die die Charaktere in den Filmen seiner Vorbilder und selbsterwählten Lehrmeister eben (meist) haben. Auch die, stellenweise wirklich großartig-beunruhigenden Bilder, die Ryan Gsoling zusammen mit Benoît Debie (Irreversible, Enter the Void, Springbreakers) auf die Leinwand zaubert, verbinden ich nur oberflächlich und schaffen es eigentlich nie sich in tieferer Resonanz als zusammenhängend und kohärent zu offenbaren.

Auf den ersten Blick bleibt dann doch wieder nur ein Fiebertraum zurück. Aber eben einer mit Potential. Und einer, den man sicher noch das ein oder andere Mal hervorkram wird, um zu rätseln, was Gosling wohl bei der ein oder anderen Stelle in seinem ersten Werk gedacht haben mag. So wie es eben Refn mit „Pusher“, Lynch mit „Eraserhead“ und Malick mit „Badlands — Zerschossene Träume“ gehen wird. Nicht das diese Filme an dieser Stelle mit „Lost River“ auf eine Stufe gestellt werden sollen.

Großartiger Schauspieleinsatz

Am Cast jedenfalls liegt es nicht. Hier hat Ryan Gosling wirklich ganze Arbeit geleistet und seine Finger nach bekannten Kollegen und Kolleginnen ausgestreckt. Oft wissen sie den Film mit ihrem Einsatz wieder zum Zuschauer zurückzutragen, weg aus dem fiebrigen Cut des Regisseur. Daraus ergeben sich einige sehr guten Stellen in „Lost River“ Zum einen durch Christina Hendricks (Drive, Mad Men) als Billy, einer alleinerziehenden Mutter in Resten dessen, was einst Detroit war. Sie hinkt den Kreditraten auf ihr Haus um drei Monate hinterher und ist am Ende ihrer Möglichkeiten angelangt. Der neue Bankangestellte Dave (Ben Mendolsohn), hat wenig Verständnis für ihre Argumentation, der Kredit sei ihr doch eigentlich aufgeschwatzt worden und sein Vorgänger habe doch auch Verständnis gezeigt. Dave hat vielmehr ein Angebot, wie sie doch ganz gut zu Geld kommen könnte um die Schulden auszugleichen, bevor sich die Bank das Haus schnappt und abreißen lässt.

Zum anderen an De Caestecker als Billys ältester Sohn Bones. Dieser verbringt seine Tage damit aus den Resten der Häuser Detroits Kupferrohre zu reißen um mit diesen Geld in die Haushaltskasse zu spülen. Ihm läuft immer wieder der freakhafte Schläger Bully über den Weg, der ab und an mit seinem Cabriolet durch die Straßen fährt und alles und jeden davor warnt seine Kupferrohre zu stehlen. Seine Muskeln sollten doch Warnung genug sein.

Die Welt von „Lost River“ ist voll von Monstern wie Dave und Bully. Manche sind real, andere lauern in den Schatten des Schlafzimmers von Bones kleinem Bruder. Aber sie alle warten nur darauf, sich ein neues Opfer zu schnappen und auszusaugen. Nur um selber zu überleben oder weil es ihr einziger Daseinszweck ist.

Sowohl Billys als auch Bones Weg führen im Lauf des Films hinab. Billys Weg in den Keller des Schreckenskabinetts und Cabarets von Cat (Eva Mendes), einer Horrorshow für blutrünstige Erwachsene nahe (und jenseits) der Perversion. Bones hingegen meint dank seines Freundes Rat (Saoirse Ronan) auf dem Grund eines alten Reservoirs eine versunkene Stadt verordnet zu haben, in der sich das Mittel gegen den Fluch, der seit dem Versinken jenes modernen Atlantis auf den Bewohnern Detroits lastet, zu finden ist.

Fazit

Auch wenn die Handlungen nicht zusammenpassen, verkünstelt erscheinen oder Ryan Gosling immer wieder entgleiten, ist „Lost River“ noch lang kein schlechter Film. Er ist ein wenig sein „Sucker Punch“. Er verlangt viel Verständnis und Willen sich mit ihm zu beschäftigen. Er hat eine gute Bildsprache und stellenweise wirklich hervorragende Dialoge. Allerdings ist auch deutlich, dass sich Gosling (noch) zu sehr an seinen Vorbildern festhält. Es wird jedoch nicht leichter dadurch, dass es nie wirklich klar ist, was Gosling eigentlich mit „Lost River“ sagen möchte. So lässt sich auch guten Gewissens sein Debüt nur denjenigen empfehlen, die Film auch als Kunst sehen und Spaß daran haben, noch in Wochen oder zumindest direkt nach dem Film mit der Begleitung noch stundenlang darüber zu rätseln, worum es in „Lost River“ eigentlich ging.

Bewertung: 3 von 5 Sternen

Filmkritik von Julius, 30.04.2015

Lost River - ab dem 28. Mai im Kino

Ab dem 28. Mai könnt ihr Lost River in den deutschen Kinos anschauen. Weitere Informationen zum Film gibt es hier für euch.