Filmkritik: Promising Young Woman – Die Rache einer Frau

  

Filmkritik von Peter Osteried | 01.02.2021

Das Crime-Drama „Promising Young Woman“ ist für den 18. Februar geplant. Sofern der Lockdown nicht verlängert wird und die Kinos wieder offen sind.

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Es ist ein cleverer Titel, der für diesen Film gewählt wurde. Er bezieht sich auf Brock Turner, einen Studenten der Universität von Stanford, der wegen eines sexuellen Angriffs 2016 verurteilt wurde, der aber dennoch als „promising young man“ – als vielversprechender junger Mann – bezeichnet wurde. Damit spielt nun auch PROMISING YOUNG WOMAN, deren Hauptfigur eine Muster-Studentin war, bis ihr Leben aus der Bahn geworfen wurde. Dann wurde sie etwas anderes.

Promising Young Woman – Zur Handlung

Cassie (Carey Mulligan) zieht jedes Wochenende los, hängt in Bars und Clubs ab und tut so, als wäre sie sturzbetrunken. Es dauert nie lang, bis sie ein Mann aufgabelt und mit zu sich nach Hause nimmt. Wenn der Mann dann versucht, mit ihr zu schlafen, zeigt sich Cassie als gar nicht mehr so betrunken.

Zuhause führt sie Strich- und Namenliste. Welche Männer sie auf diese Art getroffen hat. Es sind Dutzende, wenn nicht Hunderte. Seit Jahren macht Cassie nichts anderes, bis ein Mit-Student von einst sie trifft und auf ein Date einlädt. Aber noch ist Cassie nicht fertig mit ihrer Mission. Jetzt müssen diejenigen, die dafür verantwortlich sind, dass sie das Arzt-Studium geschmissen hat, für ihr Taten bezahlen.

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Promising Young Woman – Eine Kritik

Dies ist ein faszinierender Film. Einer, der im Grunde das Thema von typischen Rape’n’Revenge-Filmen aufgreift, aber das Ganze durch die Arthaus-Brille betrachtet. Dabei lässt der Film vieles offen. Man erfährt nie, was Cassie mit den Männern macht, denen sie begegnet. Wahrscheinlich verpasst sie ihnen nur einen gehörigen Schreck, nach der ersten solchen Szene könnte man als Zuschauer aber auch meinen, dass sie sie ermordet. Später erfährt man, dass der Mann aus der ersten Szene schon noch lebt. Auch was danach passiert, spricht dafür, dass Cassie nie eine Grenze überschreitet.

Vielmehr will sie denjenigen, die Schuld auf sich geladen haben, auf drastische und vor allem erlebbare Art und Weise zeigen, was sie falsch gemacht haben. Es sind vier Menschen, hinter denen sie her ist. Vier Menschen, die etwas getan, oder danach einfach nichts getan haben, was sie in Cassies Augen allesamt gleich schuldig macht.

Der Film besitzt Furor, er ist aber auch elegant gestaltet, und er hat Momente, die fast schon unwirklich erscheinen – nämlich alles im Haus von Cassies Eltern. Zugleich ist der Film aber auch mutig, da er toxische Maskulinität in der widerlichsten Form in den Mittelpunkt rückt. In der Welt von PROMISING YOUNG WOMAN gibt es fast keine guten Männer mehr. Nur die, die sich selbst als nette Kerle bezeichnen, aber betrunkene Frauen ausnutzen wollen. Die Eigen- und die Fremdwahrnehmung gehen stark auseinander, aber vielleicht auch nur, weil wir in einer Zeit des Paradigmenwechsels leben. Was früher auch nicht richtig war, aber womit man durchkommen konnte, wird nun zu einer Handlung, die an den Pranger führt – oder schlimmer.

Carey Mulligan ist großartig als desillusionierte Frau, die nur noch einen Lebenszweck hat. Das läuft konsequent auf ein Ende hin, das nicht wirklich happy, aber folgerichtig ist – und in dem mit einem ultimativen Opfer die letzte, große Rechnung serviert wird.

Fazit

PROMISING YOUNG WOMAN ist ein beeindruckender Film, der das typische Muster einer Rache-Geschichte nimmt, sie aber kunstvoll auflädt und eine Welt zeichnet, in der Anstand immer nur soweit reicht, wie man mit seiner Verletzung davonkommen kann. Der Film nimmt die weibliche Perspektive ein, wenn es um männliche Gewalt geht. Und er lebt von Carey Mulligan, die in ihrer Darstellung von Schuld, Liebe und Selbstgerechtigkeit eine oscarwürdige Leistung abgeliefert hat.

Bewertung: 4/5****

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