Filmkritik zu Bridge of Spies

  

Mit „Bridge of Spies“ gelingt es Spielberg wieder einmal einen historischen Film zu präsentieren, der nicht in die Fallen anderer Filme mit geschichtlichen Bezug stolpert. Er ist nicht zum Thriller hinauf gekünstelt, er ist nicht zu studiert und er ist nicht zu filmisch aufgebohrt. Er liegt treffsicher irgendwo dazwischen.

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Bridge of Spies ist ab dem 26. November in den Kinos zu sehen.

Filmische Dreiteilung

Ganz zu Beginn von „Bridge of Spies“, 27 Minuten bevor wir zum ersten Mal so etwas wie einen Soundtrack zu hören bekommen, wird uns Zuschauern ein Mann gezeigt. Dieser Mann heißt Rudolf Abel und er ist ein Spion im Dienste der UDSSR. Dies wird jedem Zuschauer in wenigen Sekunden deutlich gemacht. Er sitzt zwischen einer Staffelei und einem Spiegel. Abel arbeitet an einem Selbstporträt. Gefilmt wird er dabei von hinten. Diese Zwei- bis Dreiteilung der Wahrheit, denn jedes der Abbilder, das im Spiegel und das auf der Leinwand, sind schlussendlich nur Zerrbilder der Wirklichkeit, ist symptomatisch für Spielbergs neusten Film. Kein Bild zeichnet tatsächlich die wirkliche Wahrheit. Wenn es denn eine solche gibt, dann liegt sie irgendwo dazwischen. „Bridge of Spies“ ist aber noch einmal in sich in drei Teile gespalten. Der Film sieht sich geschichtlicher Realität verpflichtet, will filmisch überzeugen und mit Originalität punkten. All zu oft scheitern Projekte an solch hohen Ambitionen. „Bridge of Spies“ jedoch gelingt dieser Balanceakt genau wie Tom Hanks in einer Rolle, wie sie typischer für einen Spielberg-Film nicht sein könnte. Daraus resultiert einer der besten Filme dieses Kinojahres.

Ganz kalter Krieg

Eines von Spielbergs liebsten Themen sind Männer, die sich einer Situation ausgesetzt sehen, der sie nicht gewachsen zu sein scheinen, in der sie aber einen Weg finden, nicht nur das von ihnen verlangte zu erreichen, sondern im wahrsten Sinne über sich hinaus zu wachsen. In „Bridge of Spies“ ist dieser Mann Jim Donovan (Tom Hanks), ein Anwalt für Versicherungsrecht, dem die Aufgabe zu Teil wird den eingangs erwähnten Maler und Spion Rudolf Abel (Mark Rylance) in seinem Prozess zu vertreten. Wir schreiben das Jahr 1957 und der Kalte Krieg ist zwar nicht auf der höchsten Hitzestufe, aber er kriecht langsam auf diese zu. Die USA haben dem Kommunismus den Kampf angesagt und ein Angriff mit nuklearen Waffen ist kein Thema das am Essenstisch nicht behandelt und in der Schule geprobt wird. Familie Donovan bietet dahingehend keine Ausnahme. „Bridge of Spies“ zeigt in einem kurzen Moment deutlich, wie sehr dies in der Erziehung verwurzelt ist. Wenn im späteren Verlauf des Films das Haus der Familie beschossen wird, sieht man Jims jüngsten stolz in der Tür seines Zimmers mit einem Buch auf den Kopf hocken, von seinem Vater ein Kompliment für das kluge und geübte Verhalten erheischen wollend. Zu diesem feigen Angriff auf das Leben der Donovans kommt es, wenn sich Jim Donovan entgegen der Erwartung seinen Chefs Thomas Watters (Alan Alda) nicht als der Pappkamerad herausstellt, für den er vor Gericht abgestellt wurde. Donovan stürzt sich in die Verteidigung des Spions. In seinen Augen hat der Mann einen fairen Prozess verdient. Nicht nur, weil er eine Soldat in einem Konflikt ist, sondern weil er sich an die Regeln des Spiels gehalten hat und weil Jim sich von einer fairen Verhandlung erhofft für den Fall, dass ein us-amerikanischer Agent in Russland unter ähnlichen Voraussetzungen gefasst wird auch mit ihm fair umgesprungen wird. Mit dieser Sicht ist er sehr einsam. Weder Richter, noch Chef, noch Staatsanwaltschaft oder der CIA scheinen seine Meinung zu teilen. Zumindest solange nicht, bis sie notwendig wird. Denn wenn nach nicht ganz einer Stunde Laufzeit von „Bridge of Spies“ die nebenher dezent angeteaserte Geschichte um den Piloten eines Spionageflugzeugs über der UDSSR in einem Abschuss eskaliert, verfrachtet die Handlung den mutigen Anwalt in das geteilte Berlin des Jahres 1962.

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Handwerk der Extraklasse

„Bridge of Spies“ ist in den Trailern als ein rasanter Action-Thriller verkauft worden. Dieser Eindruck wird dem Film in keinster Weise gerecht. „Bridge of Spies“ ist viel mehr „Dame, König, As, Spion“ als „Skyfall“. Jim Donovan fühlt sich wie ein echter Mensch an und nicht wie ein allmächtiger Held. Genau wie in „Lincoln“, „München“, „Schindlers Liste“ und „Der Soldat James Ryan“ zeichnet Spielberg ein vertrauenswürdiges, menschliches und realistisches Bild. Auch wenn mit ihm stets „E.T.“ und „Jurrasic Park“ verbunden werden, so hat er sich über die Jahre zu einem der verlässlichsten Chronisten und Erzähler der jüngeren westlichen Geschichte entwickelt. Nicht immer so akkurat und präzise wie in „Bridge of Spies“, aber immer um eine gute Geschichte und ein scharfes Bild bemüht. Dies resultiert im Fall von „Bridge of Spies“ auch aus dem perfekten Zusammenspiel aller Beteiligten. Das Skript von Matt Charman und Joel & Ethan Coen ist bestechend und fesselnd. Die Kameraarbeit und Farbgebung von Janusz Kaminski trifft stets den richtigen Ton und der Schnitt von Michael Kahn ist rasiermesserscharf. Einzig in der Mitte des Filmes lässt sich eine gewisse Repetition kritisch anmerken, wenn ein paar Mal zu oft die Frage an Jim gestellt wird, ob das was getan werden soll auch wirklich das richtige ist.

Hanks in Höchstform

Schauspielerisch bekommen wir durch Tom Hanks ein der besten Performances seines Lebens geliefert. „Bridge of Spies“ mit seiner dialoggetriebenen Handlung ist allerdings auch wirklich ein Heimspiel für den Durchschnittsmann des amerikanische Kinos. Natürlich entwickelt sich daraus ein patriotischer Hurraschrei für die USA, aber einer, der ohne Pathos und übertriebenes Heldentum auskommt. Und einer in dem die Gegenspieler, so es sie überhaupt gibt, aus den eigenen Reihen kommen.

Hervorragende Unterstützung findet Hanks in Mark Rylance als russischer Spion. Sie beide wissen es Männer überzeugend darzustellen, die sich ihrem Wort und Befehlen verpflichtet sehen ohne dabei den leichten Ausweg zu suchen, auch wenn er sich ihnen mehr als einmal offenbart. Beide sind Personen der realen Geschichte, die ein Auge dafür bewiesen haben, jeder auf seine Art, dass ihre Taten nicht vergessen werden und sich irgendwo zwischen Wahrheit, Erzählung und Interpretation in den Geschichtsbüchern wiederfinden würde. Bedenkt man dabei, dass der wirkliche Jim Donovan von Kennedy nach Kuba geschickt wurde um etwa 1100 Männer nach dem Schweinebuchtdebakel frei zuhandeln und statt dessen mit rund 9300 Männern, Frauen und Kindern heimkehrte, so hält sich der Film noch sehr zurück.

Leider gehen in der Laufzeit des Films zu Gunsten der Hauptcharaktere einige Schauspieler sehr unter ganz vorne ist dabei Amy Ryan als stets um ihren Mann besorgte Ehefrau an Tom Hanks Seite. Gleiches lässt sich aber auch für amerikanische, russische und ostdeutsche Agenten und Juristen sagen.

Fazit

„Bridge of Spies“ ist kein Film für Kinobesucher, die auf einen schnellen Kick aus sind. Er besticht dafür mit einem extrem akkuraten Zeitbild, mit einer grandiosen Bildsprache, einer sich exzellent entwickelnden Handlung und einem sehr gut operierenden Cast. Wer gediegene Agentenfilme wie „Dame, König, As, Spion“ mag, sich mit zeitgeschichtlichen Themen anfreunden kann oder einfach nur einen wirklich guten Film ohne Hektik sehen möchte, der und die sind mit „Bridge of Spies“ bestens beraten.

Bewertung: 5 von 5 Sternen.*****

Filmkritik von Julius, 22.10.2015