Filmkritik zu Die Melodie des Meeres

  

Visuell ausgezeichnet, aber darüber hinaus etwas tollpatschig ist „Die Melodie des Meeres“ ein animierter Fantasyfilm, der wahrer Größe wirklich nahe kommt, aber leider meisten nicht so klug ist, wie er gemütlich sein möchte. Wie bereits „Das Geheimnis von Kells“, Regisseur Tomm Moores vorherigem Film, ist „Die Melodie des Meeres“ eigentlich eine irische Kindergeschichte um einen kleinen Jungen, der seine kranken Schwester Linderung verschaffen möchte. CGI-Technik erweitert subtil die handgezeichnete Animation und verleiht dem Film einen einzigartigen Look.

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Ruhige Töne in „Die Melodie des Meeres“

Da Tomm Moore sehr viel mit sehr wenig schafft, teilweise die Aussagen ganz der Körpersprache seines gezeichneten Helden überlässt, ist „Die Melodie des Meeres“ auf diese Art ein sehr leiser Film. Aber seine Gelassenheit ist nicht genug Ausgleich für seine formelhafte Narrative. Das ist besonders enttäuschen da Moore und Drehbuchautor Will Collins versuchen die Klippen diverses Klischees zu umschiffen. Wenn Ben (David Rawle) beispielsweise Macha (Fionnula Flanagan), eine antagonistische irische Göttin konfrontiert, versucht er nicht den üblichen Kampf mit ihr zu suchen, sondern mit ihr zu verhandeln. Unglücklicherweise fühlen sich viele andere Teile von „Die Melodie des Meeres“ wie eine Sammlung aus Zitaten anderer, bekannter Märchen an und verleihen diesem wirklich schönen Animationsfilm einen zu aufgewärmten Geschmack. Klar, das ist lecker, aber so wirkliche Befriedigung verschafft nur der ersten Aufguss, wenn alle Zutaten noch frisch und knackig sind.

Einen großen Anteil, an all dem, was mit „Die Melodie des Meeres“ nicht stimmt, hält die duale Abhängigkeit der Erzählung von Bens Neugierde und seiner Schwester Saoirses (Lucy O'Connell) Erkrankung. Nachdem ihre Mutter unter mysteriösen Umständen verschwindet, müssen sich Ben und Saoirse um sich selber kümmern, da ihr Vater Conor (Brendan Gleeson) alleine und von allen abgesondert trauert. Conors Geist ist zudem unstet und der Vater vor Trauer blind. Er erkennt und begreift nicht, dass seine Tochter eigentlich eine Selkie ist, ein menschlicher Wechselbalg, der sich in eine Seehündin verwandeln kann. Ben wiederum begreift dies sofort und es liegt an Saoirse sich Gehör zu verschaffen und an Ben Saoirse zu beschützen, als sie krank und hilflos wird. Bens Abenteuer wiederum wurde, wie sollte es auch anders sein, durch eine Prophezeiung orakelt: Saoirses Schicksal ist besiegelt, wenn sie nicht singt und so andere gefangene Feengeister aus den Fängen von Macha, einer finsteren Göttin, befreit, die Feen ihrer Emotionen beraubt und sie in Stein verwandelt.

Spannende Inspiration und ein zu gradliniger Held

Die keltischen und irischen Traditionen, denen Moore versucht in „Die Melodie des Meeres“ Leben einzuhauchen und sie zeitgleich zu ehren, sind spannend und faszinierend. Aber sie fühlen sich leider wie zu vernachlässigende Ziernoten in einer viel zu bekannten Melodie an. Als schlechtestes Beispiel müssen hier die drei Feen herhalten, die Ben erklären, was Feen eigentlich sind. Im Verlauf des Gesprächs aber lernen die drei mehr von Ben, als Ben von ihnen. Dieses umgedrehte Kräfteverhältnis ist zwar clever und überraschend, aber das ändert nichts daran, wie träge diese Szene aus dramatischer Sicht ist. Das jedoch ist das Hauptproblem der Malen-nach-Zahlen Erzählung, als die sich „Die Melodie des Meeres“ immer wieder präsentiert. Statt die Mischung aus Folk Liedern und Feencharakteren interessant zu machen, was mit Bruno Coulais bewegendem Soundtrack und Bens exzentrischen Feenfreunden eigentlich gelingen sollte, wird immer wieder dadurch aus dem Takt gebracht, dass Ben nichts unerwartetes tut und der mythische Archetyp der Handlung sich nicht angemessen groß anfühlt.

Erschwert wird dies noch durch den Umstand, dass Moores und Collins dünnes Szenario den Zuschauer um ein paar bewegende Szenen betrügt.

„Die Melodie des Meeres“ verbindet sich schließlich zu einer Geschichte um Trauer und den Umgang mit Verlust, aber als Film erholt sich „Die Melodie des Meeres“ nie vom teigigen zweiten Akt. Und ohne dramatischen Zusammenhalt der den Film von kleinen Gesten zu großen Emotionen trägt, werden die wunderschönen Ziernoten, die „Die Melodie des Meeres“ zu einem wertvollen Erlebnis machen, immer schwerer zu hören.

Positive Gesamttonlage

Zum Glück überwiegt all das, was Moore (er lieft zu „Die Melodie des Meeres“ auch das Drehbuch) richtig macht, die Momente, in denen der Film träge im falschen Takt spielt. Der exzentrische Look eines bewegten Bilderbuchs und die sanfte Geschwindigkeit der Melodie von „Die Melodie des Meeres“ lassen eine Menge der Fehlzündungen verzeihen. In der Originalversion sind die Sprecher allesamt hervorragend besetzt, besonders Flannagan und Rawle tragen mit ihren Stimmen „Die Melodie des Meeres“ durch weite Teile des dritten Aktes. Fehlerbehaftet, wie er nun einmal ist, ist „Die Melodie des Meeres“ dennoch sehr sanft und niemals so zynisch, wie viele seiner animierten Verwandten. Es wird an keiner Stelle der Versuch unternommen mit schlechten Meta-Witzen oder ausgelutschten Twists von den Schwächen abzulenken. „Die Melodie des Meeres“ wurde eindeutig von und für Menschen gemacht, die sich kluge und erfüllende Kinderfilme wünschen. Filme eben, die den Zuschauer eine Zeit lang begleiten und zum Guten ändern. Auf diese Art ist „Die Melodie des Meeres“ genau die Art an Animationsfilm, die es viel häufiger in den Lichtspielhäusern zu sehen geben sollte.

Fazit

Wer zwischen den Feiertagen noch schnell einen auf seine ruhige Art passenden Familienfilm im Kino einschieben will, der die überzuckerten Gemüter wieder ein wenig herunterholt, der und die ist mit „Die Melodie des Meeres“ gut beraten. Ansonsten, trotz seiner Schwächen, ein Film für Freunde von Sagen, Märchen und ruhiger, gelassener Unterhaltung.

Bewertung: 4 von 5 Sternen.****

Filmkritik von Julius, 22.12.2015