Filmkritik zu "Für Immer Adaline"

  

Unsterbliche gibt irgendwie den Glauben an die Liebe auf und flüchtet vor Entdeckung durch den Lauf der Zeit. Klingt irgendwie nach einem Vampirfilm. Schlimmer noch, nach einer Vampirromanze! Und dabei hatten Vampirfilme doch eigentlich mit „A Girl walks Home alone at Night“ und „Only Lover left Alife“ grade wieder so etwas wie Fahrt aufgenommen. Was? In „Für Immer Adaline“ wird nicht mal irgendwer ausgesaugt? Das kann ja heiter werden...

für immer adaline szene 1

Der Krug geht zum Brunnen...

Und genau das wird es dann auch. Nur nicht im Ansatz gut. Zumindest demnächst. „Für Immer Adaline“ ist einer der wenigen Filme, die absolut enttäuschend anfangen, einen förmlich aus dem Sitz langweilen wollen (was Geschmackssache sein mag), dann aber jede gefühlt verschwendete Minute plötzlich wieder nachholen und einen schlussendlich mit einem echten „Wow“ Erlebnis aus dem Kinosaal entlassen.

In „Für Immer Adaline“ (Originaltitel „The Age of Adaline“) dreht sich alles um den namensgebenden Hauptcharakter Adaline („Gossip Girl“ Blake Lively). Die junge Frau trifft ihren Ehemann, ihre große Liebe während des Baus der Golden Gate Bridge, nur um ihn auch direkt darauf wieder zu verlieren. Wenig später verunglückt sie in einem Verkehrsunfall und übersteht auch diesen unbeschadet. Aus diesen Katastrophen geht sie als alterloses, optisch Ende 20jähriges Wesen hervor. Für immer auf diesem Moment ihres Alters eingefroren kann sie zwar getötet, nicht aber verletzt werden. Natürliche Umstände oder der Zahn der Zeit gehen einfach an ihr vorbei und wissen ihr kein Harr zu krümmen. Dieser Umstand gestaltet ihre Beziehung zu ihrer Tochter Flemming (Ellen Burstyn) schwierig und gruselig, ist die Tochter doch deutlich älter als die Mutter.

Und Adaline versucht ihr Geheimnis um fast jeden Preis zu bewahren. Sobald ihr jemand auf die Schliche kommt und sich wundert, warum die Schönheit der jungen Frau denn schier unendlich zu sein scheint, packt sie ihre Sachen, verschwindet und fängt ein neues Leben an.

Wer jetzt findet, die alles klänge doch recht spannend, dem und der sei gesagt: Kommt aber zunächst in keinster Weise so rüber. Es ist sicher nachvollziehbar, was sich die Schreiber J. Mills Goodloe und Salvador Paskowitz sowie Regisseur Lee Toland Krieger (The Vicious Kind) bei der Erzählweise von „Für Immer Adaline“ gedacht haben. Es ist zunächst alles in einer Erzählung aus dem Off gehalten. Das mag sogar nicht mal schlecht aussehen, hat aber einfach keine Dramatik. Gepaart mit den märchenhaften Einstellungen auf historische Gebäude, bis ins kleinste Detail nachgearbeitete Szenen mit sehr guten Kostümen und Requisiten, zudem noch um verspielte Spezialeffekte erweitert, wirkt es irgendwie wir der animierte Bonus in einem Buch. Aber eben nicht wie ein Film. „Für Immer Adaline“ versucht ganz klar den Stil von „Die fabelhafte Welt der Amélie“ und „Mathilde — Eine große Liebe“ zu kopieren. Aber Krieger ist halt nicht Jean-Pierre Jeunet und Lively nicht Audrey Tautou. Blake Livley spielt nicht einmal schlecht, sie macht ihren Job. Allerdings auch nicht mehr. Das Drehbuch stellt Adaline als irgendwie leere und statuettenhafte Person dar, Blake Livley aber ist eine selbstsichere, wenn auch zurückhaltende Schönheit. Beides passt nicht recht zusammen.

Nicht viel besser geht ihrer nächsten Liebe Ellis Jones (Michiel Huisman). Nach Dekaden der Flucht und Aufgabe findet sie endlich mal wieder einen und dann das... Die Schreiber nötigen Huisman dazu einen völligen Stereotypen zu spielen. Liebevolle, freundliche Augen, getrimmter Vollbart (aber schon ein wenig verwegen) und gut durchtrainiert. Dabei hat Huisman doch insbesondere in „Treme“, aber auch in „Game of Thrones“ gezeigt, dass er durchaus in der Lage ist auch unkonventionellen Charakteren sehr viel Charisma zu verleihen. Hier muss es der generische Mittezweitausendundzehnmann sein, den wir alle aus dem Modeportfolio diverser Designer kennen und schon zig mal gesehen haben. Ellis will, dass die beiden ihre leben miteinander verbringen. Er ist nett, sie ist nett, läuft aber nicht, weil sie ja irgendwann wieder weglaufen muss — und das weiß sie halt auch. Traurig aber langweilig.

...bis er bricht

Und dann kommen plötzlich Ellis Eltern ins Spiel. William (Harrison Ford) und Kathy Jones (Kathy Baker). Ab dem Moment nimmt „Für Immer Adaline“ Fahrt auf. 40 Jahre sind die beiden zusammen. 40 gute Jahre, in denen kein Schritt daneben saß. Keinen Schritt (oder kaum einen) daneben setzt ab nun auch die Handlung. Denn als William Jenny (so nennt sich Adaline jetzt) erblickt, trifft ihn förmlich der Schlag: Sie sieht seiner großen Liebe aus den 60er Jahren, mit der er eine kurze, aber sehr intensive Beziehung hatte, einfach zum Verwechseln ähnlich. Dem rüstigen Rentner beginnt alles zu entgleiten und wir bekommen eine der besten Harrison Ford Performances seit sehr vielen Jahren zu sehen. Die des gequälten, innerlich zerreißenden und Verlust erfahrenden Harrison Ford.

Und da erwachen auch auf einmal Lively und Huisman aus ihrem Schönheitsschlaf. Plötzlich erhalten deren Charaktere, fast ein wenig so, als würde die erfahrene Präsenz von Baker und Ford allen am Set Dampf machen, durch das Schauspiel und die Handlung Tiefen und Schatten, wirken natürlicher und eben menschlicher. Die Regiearbeit von Krieger wirkt ebenfalls viel sauberer und viel bemühter. Was auch immer ab diesem Punkt geschehen ist, er macht den Film bis zur letzten Minuten zu einem Hochgenuss. Einem der wehtut und an den Emotionen nagt. Aber eben weil man ihn lässt und lassen möchte.

Fazit

Möglicherweise ist „Für Immer Adaline“ eine dieser großen Produktionen, bei der zu viel Wert darauf gelegt wurde, möglichst schöne Bilder hervorzubringen. Filme bestehen zwar aus vielen einzelnen Bildern, aber sie müssen zusammen wirken und über sich hinaus wachsen. „Für Immer Adaline“ gelingt dies bevor es zu spät ist. Natürlich ist es eine Romanze und natürlich lässt sich in den Film auch eine Menge hinein interpretieren. Niemand muss Psychologie studiert haben um starke Ähnlichkeit mit „Trauer und Melancholie“ von Freud zu bemerken. Oder Vergleiche mit „Ein tödlicher Traum“ zu ziehen, fällt auch nicht schwer. Aber alles in allem ist „Für Immer Adaline“ ein wunderbarer Film, der, lässt man ihm seine Zeit und sich selber auf ihn ein, den Besuch zu einem sehr lohnenden macht. Kinostart ist am 09. Juli 2015

Bewertung: 3 von 5 Sternen.***

Filmkritik von Julius, 07.05.2015