Filmkritik zu "Horns"

  

An Alexandre Aja scheiden sich die Geister. Die einen sehen in ihm, seit „High Tension“, einen Regisseur mit absolutem Kultstatus, den anderen ist er schlicht und ergreifend zu blutig, zu krass und zu sehr in symbolbehafteter Handlung versunken. Einzig sein Remake von „The Hills have Eyes“ bildet zumindest im letzten Fall eine Ausnahme. Daniel Radcliffe hingegen scheint spielen zu können was immer er will, seine Rollen wirken durch die Bank überzeugend. Ein Ergebnis, dass man vom jungen Harry Potter sicher nicht unbedingt erwartet hätte.

horns szene

Paradise Lost

In „Horns“ treffen die beiden nun aufeinander. Es ist nicht das erste Mal, dass sich Aja einen eher milchbubihaften Darsteller erwählt und ihn in ein Horrorszenario wirft. Mit „Alexandere Ajas Maniac“ ließ er bereits Elijah Wood einen wahnsinnigen Serienmörder mimen. Im Kino war der Streifen noch ungeschnitten zu sehen, da aber für den Heimkinobereich härtere Gesetze gelten ist inzwischen die ungeschnittene Version auf Liste B des Index gelandet. Alexandre Aja dürfte dies nun wirklich nicht stören, richten sich seine Filme nun wirklich an ein erwachsenes Publikum.

„Horns“ nun ist kein heftiger Horrorfilm, sondern eher ein übernatürlicher Thriller, der seinen Fokus besonders auf biblische Themen setzt. Allerdings auf eine Art, die so sicher eher selten zu sehen war. Gewaltig profitiert der Film von einer sehr starken Bildästhetik. Die kann man dann natürlich nicht Alexandre Aja alleine anrechnen. Für „Horns“ hat er Kameramann Frederick Elmes gewinnen können. Dessen einzigartiger Stil sorgt für einige wunderschöne Aufnahmen, die dem Film immer wieder etwas märchenhaftes und andersweltiges verleihen. Wer andere Arbeiten von Elmes kennt und zu schätzen weiß, wie beispielsweise „Eraserhead“ von David Lynch oder „Blue Velvet“ und „Wild at Hearth“, wird schon aus diesem Grund die investierten Euronen in einen Besuch von „Horns“ nicht bereuen.

Für Daniel Radcliffe ist „Horns“ zunächst offensichtlich ein weiterer Versuch seine schauspielerischen Muskeln auf neuem Terrain spielen zu lassen. Ob er sich nun nackt auf dem Broadway präsentiert (in „Equus“), den jungen Allen Ginsberg in „Kill Your Darlings“ mimt oder sich selber (in extrem überspitzter Version) in HBO's „Extras“, nie liefert er eine schlechte Performance ab. Nach reinem Grusel aus dem Hause Hammer nun eben ein übernatürlicher Thriller mit ihm in teuflischer Variante. OK, nicht teuflisch wie diabolisch, sondern eher die hipsterhafte, von Selbstzweifeln getriebene Ausgabe eines Höllenwesens, aber auch Luzifer hat einmal als Engel angefangen.

Aja wiederum probiert nun selber gerne einmal neues aus. In „Piranha 3D“ hat er Joe Dantes und Roger Cormans Klassiker in eine völlig überzogene Horrorkomödie verwandelt, die einen Wet-Tshirt-Kontest in einem Blutbad enden lässt, dass auch vor den intimsten Körperteilen nicht Halt macht. In „Horns“ allerdings überlagern sich viele Ideen — und nicht immer funktionieren diese miteinander. Einige scheinen in einen ganz anderen Film gehören zu wollen. Bisweilen gelingt der Brückenschlag, auch dank diverser hervorragender Ideen von Schreiber Keith Bunin und der Romanvorlage von Joe Hill. Jedoch gehen andere im Überschwung von Bildern, Erzählung, drastischen Szenen und biblischen Themen um den Mord an einer jungen Frau und dessen Hintergründen völlig unter.

Sympathy for the Devil

In „Horns“ nun aber ist jener Mord die Triebfeder der Handlung. Ignatius Perris, von seinen Freunden nur Ig genannt und von Radcliffe gespielt, wird verdächtigt seine Freundin und Jugendliebe Merrin (Juno Temple) auf grausame Art und Weise ermordet zu haben. Ihr Leiche wurde mit eingeschlagenem Schädel am Fuß genau des Bauhauses gefunden, welches den beiden immer wieder als Rückzugsort für romantisches Techtelmechtel diente. Was immer Ig auch sagt und versucht, niemand schenkt seiner Unschuld Glauben. Sogar seine Familie scheint ihm den Mord zuzutrauen. Zwar wollen sie alle ihm irgendwie helfen, aber zu hilfreichen Ereignissen führen diese Versuche nicht. Ig wiederum kann sich an die Mordnacht nicht im Ansatz erinnern, denn er hat sich (nicht zum einzigen Mal im Verlauf von „Horns“) bis in die Besinnungslosigkeit gesoffen.

Auf Grund dieser Zweifel fügt sich Ig in die Rolle des Bösen — und an dieser Stelle bekommt der auch recht früh seine namensgebende Auswüchse. Ig wachsen über Nacht Hörner. Diese verleihen ihm nicht nur die Macht (oder den Fluch), dass in seiner Gegenwart alle ungefragt ihre finstersten Geheimnisse und Gelüste offenbaren, sondern ihn auch ständig um Erlaubnis bitten letzte auszuleben. Nur sein bester Freund und Anwalt Lee (Max Minghella) scheint von dieser dunklen Gabe ausgenommen.

Nach und nach schält sich durch die Erzählungen (im Stile von „Gone Girl“) der Ermordeten heraus, dass zwischen dem Vorzeigepärchen Ig und Merrin nicht alles so zuckersüß war, wie sich Ig gerne einredet.

Igs Gabe sorgt für einigen Trubel, absurde Szenen mit seinen Eltern (James Remar und Kathleen Quinlan) und handfeste Eskalationen um die Dorfkneipe, driftet aber immer wieder in annähernde Flachheiten ab, wenn es um grundlegende menschliche Instinkte geht. Besonders die Szenen mit der Kellnerin Veronica (Heather Graham) stechen hier hervor. Wirklich bitter wird es mit seinem Bruder Terry (Joe Anderson), dem Ig „erlaubt“ sein polytoxisches Verhalten in den Exzess auszuleben.

Fazit

Auch wenn „Horns“ bisweilen in biblischen Symbolen um Engel, Teufel und Schlangen, sowie dem Paradies (und dessen Verlust) zu ertrinken droht und die Beobachtungen der instinkt- und triebhaften Seiten der Menschheit von Joe Hill (für Uneingeweihte: der Sohn von Stephen King) Alexandre Aja hin und wieder entgleiten, weiß „Horns“ nicht nur mit großartigen Bildern auszufahren. Grade Radcliffe (aber auch Temple und Minghella) trägt den Film wie eine eins. Und das obwohl er die meiste Zeit einen gequälten, besoffenen und verkaterten Hipster spielt. Seine Direktheit und sein ehrliche Darstellungen, geben dem Zuschauer immer wieder eine emotionale Verbindung. Auch wenn der Teufel ihn antreibt.

Kinostart ist am 16. Juli 2015.

Bewertung: 3 von 5 Sternen.***

Filmkritik von Julius, 07.05.2015