Filmkritik zu Im Rausch der Sterne

  

Food Porn ist, unabhängig von seiner Darreichungsform, kein Ersatz für wirkliches Essen. Wer jedoch empfänglich ist für die Schmeicheleien von optisch auf Hochglanz gezognerer Gaumenfreuden, wie in „Im Rausch der Sterne“ vorgeführt, der könnte im Kino heiß gemacht werden auf Mahlzeiten die er (oder sie) sich weder finanziell noch existenziell leisten kann (und leisten will).

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Im Rausch der Sterne läuft ab dem 03. Dezember in den deutschen Kinos.

Klappern gehört zum Handwerk

„Im Rausch der Sterne“ ist der deutsche Titel des neuen Bradley Cooper Dramas. Dessen Orginaltitel „Burnt“ macht etwas weniger um die Ecke gedacht deutlich, um was es sich dreht. Vordergründig wird der schwach gewürzte Inhalt mit allerlei Ansehnlichkeit aufbereitet. Wunderbar ausgeleuchtete und nah am Detail gehaltene Aufnahmen wissen immer wieder vom eigentlichen Geschehen abzulenken. Das Blau in den Flammen der Gasherde, die Makellosigkeit von Porzellanplatten, diverse Schäumchen, Lasuren, die charaktervollen Züge von gut gebratenem Fleisch, feine Wurzeln, Kräuter, frisch zubereitetes Gemüse und optisch Würze treiben einem Zuschauer förmlich das Wasser im Munde zusammen. In Anbetracht der Tatsache, dass der Ratgeber für Küchenangelegenheiten in „Im Rausch der Sterne“ Mario Batali war, sicherlich wenig verwunderlich. Und ja, es dreht sich nicht um schmackhaftes Fingerfood wie in „Kiss The Cook“, sondern um die Spitze der Nahrungskette, um High-End Gastronomie. Diese Welt ist die Heimat von Adam Jones (Bradley Cooper). Der berichtet auch direkt zu Beginn via Voice-Over, dass er für nicht weiter spezifizierte Missetaten Buße dadurch tat Austern in New Orleans von ihren Schalen zu befreien. Zumindest solange, bis er eine Millionen Dollar zusammen hatte, sich plötzlich in London befindet und abfällige Kommentare Maître d'hôtel Tony (Daniel Brühl) gegenüber über die Durchschnittlichkeit ihrer Zunft absondert.

In einem London voller Foodies ist dies nicht einfach nur ein typisches Charakterklischee für Nahrungstrolle wie Adam. Er und Tony haben eine gemeinsame Vergangenheit. Allerdings scheint dies etwas zu sein, dass Adam in „Im Rausch der Sterne“ mit so ziemlich jedem Bewohner Londons teilt. Natürlich kennen Mann und Frau sich in der Gastrobranche, grade am höchsten Ende, aber es scheint etwas übertrieben, dass Adam um keine Ecke der Metropole biegen kann, ohne ein bekanntes Gesicht zu sehen. London erinnert so in Größe, nicht in Qualität, an die engen Backstage-Räumlichkeiten aus „Steve Jobs“. Da gibt es zum Beispiel Michel (Omar Sy), dem Adam damals in Paris diesen fiesen Streich spielte und Simone (Uma Thurman), eine Restaurantkritikerin, mit der Adam wider besseren Gewissens herumschäkerte. Wider besseren Gewissens nicht etwa, weil Adam ein fieser Kerl ist, sondern weil Simone eigentlich auf Frauen steht (so ein selbstverliebtes Arsch in Selbstsicht ist Adam nämlich wirklich, dass er sich damit brüstet). In London trifft und entfremdet Adam noch zusätzlich ein paar Novizen der Branche: David (Sam Keeley) ein engagierter und angehender Chefkoch, dessen Sofa Adam in Beschlag nimmt und die Souschefin und alleinerziehende Mutter Helene (Sienna Miller), die... Naja, dreimal dürft ihr raten.

Feine Noten um wenig Kost

Denn „Im Rausch der Sterne“ aka „Burnt“ ist wieder einmal eine dieser Erlösungsgeschichten, in der ein destruktives Genie, den das Publikum anziehend finden soll, obwohl er ein ziemliches Arschloch ist, seine Reise zum besseren Menschen damit beginnt, uns eine Liste an Dingen vorzuführen, von denen er besser die Finger lassen sollte. In Adams Fall sind es natürlich Frauen, Drogen und der Alkohol (wenig erstaunlich). Die Narrative erlaubt es dann dem zerstörerischen Küchengott in einem dieser Dinge dennoch Erfüllung zu finden (noch weniger erstaunlich... ach, ihr kommt selber drauf), aber natürlich nur mit Hilfe dieses einen einschneidenden Moments.

Wer hier schlucken muss und nicht begeistert Bradley Coopers nächsten Drama entgegenblickt, der und die hat den großen Schwachpunkt von „Im Rausch der Sterne“ ausgemacht. Aber — und es ist kein kleines Aber — das Drumherum ist in bester Weinsteinscher Qualität sehr ansprechend aufgemacht. Überall tun sich, neben den lukullischen Genüssen, immer wieder kleine Überraschungen und attraktive Details auf. Ein wenig wie man es vielleicht bei einem auf den ersten Blick durchschnittlichen Gericht erwarten würde, in dessen Geschmack sich aber schnell angenehme Noten offenbaren.

Obendrein bietet „Im Rausch der Sterne“ noch einen hervorragenden Cast. Wer Bradley Cooper mag, der wird ihn hier (im englischsprachigen Original) Französisch reden hören, einen auf Gordon Ramsey machen und mehr als nur den üblichen Charme spielen lassen sehen. Diese Mischung aus Ernsthaftigkeit und Bradley Cooper steht im tatsächlich sehr gut. Einen qualitativen Satz nach vorne macht „Im Rausch der Sterne“ wenn Emma Thompson als scharfsinnige Therapeutin die Bühne betritt. Dann ist da noch eine großartige Sienna Miller, ein wunderbarer Omar Sy und ein guter Daniel Brühl. Dessen Charakter braucht zwar ein wenig Enthüllung, aber diese hilft ihm und dem Publikum deutlich. Zusätzlich hat Alicia Vikander noch einen eindrucksvollen Auftritt, wenn auch leider nur einen sehr kurzen.

Fazit

Das Leben der Obergourmets ist nicht für jeden. Soviel macht „Im Rausch der Sterne“ deutlich. Es befeuchtet zwar den Mundinnenraum, sieht extrem gut aus, macht aber leider nicht wirklich satt. Der Film ist, unabsichtlich, ein gutes Beispiel dafür. Dennoch ist er, nicht nur für Fans von Cooper einen Besuch wert, so nichts gehaltvolleres auf der Speisekarte steht.

Bewertung: 3 von 5 Sternen.***

Filmkritik von Julius, 23.11.2015