Filmkritik zu "Manolo und das Buch des Lebens"

  

Mit ihrem neuen Animationsfilm präsentieren Reel FX Creative Studios und 20th Century Fox einen bezaubernden Bilderrausch, der ohne Frage mit Tim Burton mithalten könnte, dabei sich aber weniger auf die dunklen Seiten und Makaberes konzentriert, sondern mehr auf den sonnigen Seiten des Lebens steht, ohne dabei auf einen direkten Draht zur Unterwelt zu verzichten.

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The Circle of Life

In Stil und Hintergrund der Geschichte ist „Manolo und das Buch des Lebens“ ganz tief in mexikanischen Traditionen um den „Día de Muertos“, den Tag der Toten verankert. Dieser Feiertag ist einer der höchsten im mexikanischen Kalender, an dem traditionell, wenn auch regional unterschiedlich, den Verstorbenen gedacht wird. Der „Día de Muertos“ ist dabei keine Trauerveranstaltung, sondern ein buntes und farbenfrohes Volksfest. Symbole wie die ikonischen Zuckerschädel haben auch längst in Europa an Halloween Einzug in die Popkultur gefunden. Zentraler Bestandteil dieser Feierlichkeiten, die alljährlich zwischen dem 31. Oktober und 2. November gefeiert werden, sind Holzskulpturen, von denen „La Catrina“ sicherlich die bekannteste ist. Ähnlich wie schon in Tim Burton's „The Nightmare before Christmas“ und „Corpse Bride — Hochzeit mit einer Leiche“ orientiert sich die Animation der einzelnen Figuren, ja der gesamten Welt, in „Manolo und das Buch des Lebens“ genau an diesem Stil. Dabei ist der Animationsfilm allerdings eben nicht ghoulisch und finster, sondern sieht den Tod als Teil des Lebens.

Allein auf Grund seiner liebevollen Animationen auf höchsten Niveau gehört „Manolo und das Buch des Lebens“ schon zu einem der wenigen Filme, die nicht nur in 3D geguckt werden können, sondern die förmlich verlangen in 3D geguckt zu werden. Der Augenschmaus wird abgerundet durch einen lebendigen und quirligen Soundtrack, der sich vor Disney's Trickfilmen nicht verstecken muss. Hinter diesem steckt nicht nur der mehrfach preisgekrönte Komponist Paul Williams sondern auch der ebenfalls für viele seiner Werke ausgezeichnete Argentinier Gustavo Santaolalla. Als Bonbon zu dieser Piñata bietet „Manolo und das Buch des Lebens“ die sicher einmalige Gelegenheit den großen Opernsänger Placido Domingo „Cielto Lindo“ und den dazugehörigen Refrain „ay-yai-yai-yai“ im Stile Verdis trällern zu hören.

Auf Basis dieser grundsätzlichen Zutaten wird in „Manolo und das Buch des Lebens“ ein Märchen erzählt, dass sich zwar einem für europäische Augen nicht unbedingt vertrauten Stil bedient, aber dennoch völlig verständlich bleibt. Trotz aller kulturellen Referenzen an den Mix mittelamerikanischer Kultur.

Altbekanntes auf vielen Ebenen in einem erfrischenden Mix

Denn die erzählte Geschichte ist letztendlich eine bekannte. Alles beginnt mit einer Dreiecksbeziehung zwischen drei Freunden aus Kindertagen. Der Hauptheld dieses Märchens ist weichherzige Manolo. Er stammt aus einer Generation von legendären Stierkämpfern und ist, wie seine Ahnen, selber darin nicht untalentiert. Seine wahren Talente liegen allerdings in Gesang und Gitarrenspiel. Ihm gegenüber steht der prahlerische Joaquin, der schon als kleiner Junge einen falschen Schnauzer trägt, eine Art Kriegsheld mit medaillenbehangener Brust. Ein Macho, wie er im Buche steht.

Deren Werben dreht sich einzig und allein um Maria. Wie in einem Film wie „Manolo und das Buch des Lebens“ zu erwarten, vereinen sich in Maria die üblichen Attribute einer animierten weiblichen Hauptrolle. Sie ist in gleichem Maße schlau wie guthertig, Bücherwurm und Kämpferin zu gleich. Zudem ist sie die Tochter des Generals der das kleine Dorf San Angel regiert und vor schrecklichen Banditen beschützt.

Die Handlung von „Manolo und das Buch des Lebens“ entspinnt sich allerdings auf mehreren Ebenen. Das verliebte Dreieck gerät in den Sog einer Wette von göttlichen Wesen, die über die unterschiedlichen Abteilungen des Lebens nach dem Tod gebieten. „La Muerta“ regiert über das fröhliche Land der Erinnerten und glaub an die Ehrlichkeit der Lebenden. Ihr (Wett)Partner ist „Xiabalba“, Herrscher über das Land der Vergessenen. Während „La Muerta“ auf den gutherzigen Manolo setzt Marias Herz zu erobern, setzt der sinistre „Xiabalba“ auf Joaquin.

Ohne zu viel verraten zu wollen hält die Geschichte einige Überraschungen bereit und weiß sich, neben allen Kämpfen gegen grausame und monströse Räuber, Reisen durch Unterwelten und den Bewältigungen schwieriger Aufgaben, selber nicht zu ernst zu nehmen. Auch wenn bisweilen dunkle Töne angeschlagen werden, bleibt der Film familienfreundlich, ohne auch für Erwachsene langweilig zu werden. Regieneuling Jorge R. Gutierrez packt die dramatischen Ereignisse und komplizierten Hintergründe geschickt in eine Erzählung, die eine Museumsführerin im animierten Pendant unserer Welt einer Gruppe von zunächst gelangweilten und aufmüpfigen Kindern erzählt. Wie vermutlich der ein oder andere jünger Zuschauer unterbrechen auch ihre Zuhörer bisweilen die Handlung und stellen Fragen, ob die Geschichte überhaupt kindgerecht wäre. Grade in diesem Momenten reflektiert Gutierrez geschickt auch elterliche Fragen nach morbiden Themen wie dem Tod von Bambis Mutter oder Simbas Vater und behandelt diese ikonischen Themen der Animationsgeschichte mit einer erfrischenden Gradlinigkeit, die weit über die Vorlagen hinausgeht.

Fazit

Besonders in den Details des Filmes kann Guitierrez brillieren. Mit viel Gefühl mischt er mexikanische Mythologie mit realen Anspielungen auf bestehende Popkultur und erfundenen Elementen in der Handlung. Viele sind dabei in dem musicalartigen Aufbau und den Songs verankert, die die Handlung unterstreichen und den Gefühlen der Charakteren Ausdruck verleihen. So singt beispielsweise der gutherzige Manolo, nachdem er zum Gespött der Dorfbewohner wurde und allein in der Stierkampfarena zurückbleibt, da er sich weigerte den Stier zu töten, „Creep“ - eine Szene die sicherlich das ein oder andere Teenieherz zum Jauchzen bringen dürfte. Auch hier liegt wieder eine der Stärken von „Manolo und das Buch des Lebens“, denn der Film scheut sich nicht davor seine Zuschauer zu überraschen und hinter ausgetretene Pfade des Animationsfilm zu wandern. Anstatt die traurigen Momente nur anzuschneiden um diese als kurzzeitige Vehikel einzig für die Dramatik der Handlung zu gebrauchen, personifiziert „Manolo und das Buch des Lebens“ die Philosophie hinter dem „Día de Muertos“ den Verstorbenen dahingehend zu gedenken, wie sie lebten und nicht wie sie starben. So lang wir ihre Geschichten erzählen können, wir ihre Lieblingsspeise kochen und ihre Lieder singen, solange sind sich nicht tot, sondern stets bei uns. In diesem beeindruckenden Debüt schlägt ganz offensichtlich das Herz eines begeisterten und talentierten Filmemachers. Somit ist „Manolo und das Buch des Lebens“ vielleicht genau der Film, der einem inzwischen doch etwas angestaubten und schwächelndem Genre neues Leben einhauchen könnte. Obendrein absolut familientauglich und neben „Baymax“ ein ganz starker Start für Animationsfilme im Jahr 2015.

Bewertung: 5 von 5 Sternen

Filmkritik von Julius, 11.02.015

Weitere Informationen zum Film

Weitere Informationen, Bilder und den Trailer zu diesem Film findet ihr hier. Kinostart ist am 12.02.2015.